Krise der LINKEN: Italiens Linke als Mahnung

Spaltung der Partei? Nicht nur Sahra Wagenknecht spielt mit diesem Gedanken der Spaltung der Partei. Da auch das Netzwerk der »Progressiven LINKEN« mobilisiert zu einer Tagung, auf der eine »Richtungsentscheidung jetzt« für den Bundesparteitag im Dezember vorbereitet werden soll. Offenbar meinen einige, die Probleme der LINKEN wären kleiner oder sogar ganz erledigt, wenn Sahra Wagenknecht und ihre Unterstützer:innen die Partei verlassen würden.

Doch eine Spaltung der LINKEN zum jetzigen Zeitpunkt beendet weder die Krise der Partei, noch entsteht eine vielversprechende neue Formation. Im Gegenteil: Eine Schwächung der gesamtgesellschaftlichen Linken in Deutschland wäre womöglich der Anfang vom Ende der ersten relevanten politischen Kraft links von der Sozialdemokratie in der Geschichte der Bundesrepublik.

Eine Spaltung der Partei führt nicht zu mehr Klarheit und damit neu gewonnener Handlungsfähigkeit. Dafür sind die programmatischen und strategischen Konfliktlinien innerhalb der LINKEN zu komplex. In der Frage des Umgangs mit dem Ukrainekrieg ist es der Reformer-Flügel in der Partei, der die friedenspolitischen Grundpositionen infrage stellt – so die Ablehnung der Nato und ihrer Politik, von Waffenlieferungen, wie das Nein zu Auslandsätzen der Bundeswehr. Doch eine LINKE, die ihre antimilitaristischen Grundsätze aufgibt, verliert eine ihrer Kernfunktionen. Aktuell wird die Partei DIE LINKE kaum als Gegenspielerin zur Eskalationspolitik der Bundesregierung wahrgenommen. DIE LINKE könnte das ändern, wenn sie, anstatt über Spaltung zu phantasieren, ihre Hausaufgaben machen würde: Die Stärkung und der Aufbau einer bundesweiten Anti-Kriegs-Bewegung, welche den herrschenden Diskurs durchbrechen und Gegenmacht entwickeln kann – die Sammlung aller Gegner:innen von Aufrüstung und Krieg in Gewerkschaften, der Klimabewegung, anderen Parteien, den Religionsgemeinschaften oder anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Angesichts der sozialen Verwerfungen, die Inflation und Krise einem großen Teil der Bevölkerung zufügen, und eines Erstarkens der AfD, die sich die Angst und Wut über die soziale Misere zu eigen macht, brauchen wir eine LINKE, die klar Position bezieht. Klare Kante gegen die unsoziale und dem Militarismus verschriebenen Politik der Ampel, sowie gegen Rechts. Manche Linke meinen, dass einzig der Flügel um Wagenknecht einer solchen Politik im Wege stünde. Doch das ist eine Verdrehung von Tatsachen und ignoriert die Kräfteverhältnisse in der Partei. Zugleich ist auch eine neue Wagenknecht-Partei keine Alternative. Sie mag kurzfristige Erfolge in Umfragen haben, steht aber auf einer falschen politischen Grundlage. Wagenknecht unterschätzt die Gefahr von Rechts und ihr Standortnationalismus bietet keinen Ausgangspunkt für erfolgreiche Kämpfe – ob um bessere Arbeitsbedingungen oder mehr Klimaschutz.

Wenn sie sich abschätzig über »skurrile Minderheiten« äußert und die soziale Frage und Kämpfe gegen Rassismus und Faschismus gegeneinander ausspielt, ist das zurückzuweisen. Eine linke Partei muss den Kampf gegen Unterdrückung organisieren und ernst nehmen, auch wenn sie Kritik an der oft von Moralismus getriebenen und vor allem auf individuelles Verhalten abzielenden Identitätspolitik hat.

Der LINKEN ist es als Ganzes nicht gelungen, sich als eine kämpfende Partei zu verankern. Die Probleme sind lange bekannt: Für viele der aktiven Funktionsträger:innen steht nicht die Frage im Vordergrund, wie wir eine Kritik der herrschenden Politik und Verhältnisse formulieren und gesellschaftliche Kräfteverhältnisse verändern. Stattdessen dominiert der  Parlamentarismus in der politischen Alltagsarbeit der Partei. Auch ohne Wagenknecht wären diese Probleme der LINKEN noch vorhanden. DIE LINKE muss wieder als wahrnehmbare Opposition gegen die falsche und fatale Antwort der Bundesregierung auf Krieg, Inflation und Energiekrise auftreten. Ein Blick nach Italien, wo sich eine bis dahin mobilisierungsstarke und selbstbewusste Linke 2007 in der Regierung zerlegte und der Widerstand gegen die Rechte massiv geschwächt wurde, sollte eine Mahnung sein, diese Fehler nicht zu wiederholen.


Wer den Frieden will, muss den Widerstand gegen den Krieg vorbereiten

Vor inzwischen 400 Tagen überfiel die russische Armee die Ukraine. Immer noch ist kein Ende des Krieges, kein Ende des Tötens in Sicht.

Der Krieg wird „Abnutzungskrieg“ genannt. Wie der Grabenkrieg und die Materialschlachten im 1. Weltkrieg, bei denen es darum ging den Krieg zu gewinnen, indem der Feind durch kontinuierliche Verluste an Menschen und militärischem Material bis zum Zusammenbruch aufgerieben wird.

Das Leid der Menschen, die Verwüstungen der Städte und Dörfer sind für uns unvorstellbar. 100 000 tausende wurden getötet oder verletzt.

Millionen flüchteten und bangen um Angehörigen, ihre Männer und Frauen, Väter und Mütter, Töchter und Söhne an der Front.

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Rede anlässlich der Kundgebung zum Nakba-Demoverbot Prozess am 22.3.2023

Hallo,

schön, dass Ihr alle da seid zu dem heutigen Prozesstag. Es ist ja nur einer in einer ganzen Reihe von Prozessen, die jetzt stattfinden, weil viele Menschen Ordnungswidrigkeitsbescheide bekommen haben am letzten Nakba-Tag wegen des dreitägigen Verbots, das die Berliner Polizei erlassen hat.

Begründet wurde das Verbot mit Taten, die irgendwelche Menschen auf einer anderen Demonstration zuvor begangen haben sollen. Ich empfinde dieses dreitägige Verbot als eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, die nicht hinzunehmen ist. Und deshalb habe ich heute den Prozess, weil ich Widerspruch eingelegt habe gegen diesen Ordnungswidrigkeitsbescheid.

Ein zentrales Argument in der damaligen Lage, als das Demoverbot erlassen wurde, war, dass die angespannte Lage in Nahost den Zorn der hier lebenden Palästinenserinnen und Palästinenser hervorrufen könnte. Und dass man deshalb drei Tage nicht demonstrieren dürfe.

Das ist total absurd, denn meistens wird demonstriert, weil Menschen zornig oder unzufrieden mit einer bestimmten Situation sind. Warum sollen die Palästinenser*innen das nicht machen dürfen, wenn alle anderen Menschen das aus allen möglichen anderen Anlässen auch tun können.

Die Vertreibungspolitik der aktuellen Regierung (in Israel) und die Einschränkung von Demokratie haben die Situation noch einmal verschärft. Aber auch im letzten Jahr war es klar, dass wir eine massive Verschärfung der politischen Lage in Israel und Palästina haben. Ein Kontext war die Ermordung der palästinensischen Journalistin Shirin Abu Akle durch israelische Sicherheitskräfte. Und das war übrigens ein Anlass, warum die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost eine Kundgebung angemeldet hatte, die auch unter diesem Nakba-Demo-Ban verboten wurde.

Das zeigt doch, dass es darum geht, sowohl die Erinnerung an die Nakba, aber auch den legitimen Protest gegen die aktuelle Vertreibungspolitik und die aktuelle Repression in Israel und Palästina zu kriminalisieren. Das ist nicht hinzunehmen, das ist eine Einschränkung des Demonstrationsrechts und der Meinungsfreiheit.

Ein weiteres Argument, warum wir das Verbot nicht einfach hinnehmen ist, dass das Verbot begründet wurde mit dem besonderen Aggressionspotential von muslimischen und arabischen Menschen. Dieses konstruierte Argument ist Rassismus.

Das Demonstrationsverbot trifft auch nicht nur muslimische und arabische Menschen. Wir sehen, wie so oft, es wird eine Gruppe angegriffen, aber letztlich wird die Meinungsfreiheit für ganz viele andere auch eingeschränkt. Und auch deshalb stellen wir uns dagegen.

Es gab am 15.5.2022 eine ganz kurze Fotoaktion, in die ich zufällig reingeraten bin. Danach zerstreute sich die Gruppe, dann gab es einen Polizeikessel, in dem auch viele Leute waren, die mit dem Nakba-Tag gar nichts zu tun hatten.

Wir haben uns dann zusammengetan mit einer Reihe von Aktivisten*innen und verschiedenen Leuten ganz unterschiedlicher Herkunft: aus den Vereinigten Staaten, Polen, Syrien und Palästina, christliche, muslimische, jüdische und nicht religiöse Menschen. Eine Gruppe, die gesagt hat, wir wollen das jetzt hier gemeinsam durchstehen.

Wir widersprechen diesen Ordnungswidrigkeitsbescheiden. Wir wollen einerseits zeigen, dass wir nicht getan haben, was zu verurteilen ist. Dass unser Protest legitim ist und dass wir uns den Protest auch in der Zukunft nicht nehmen lassen werden.

Das ist die wichtige Verbindung zu dem diesjährigen Nakba-Tag und den Protesten, die es geben wird aufgrund der Erinnerung an die historische Nakba, aber auch aus Protest gegen die andauernde Nakba und die Vertreibung und Repression, die es aktuell in Israel und Palästina gibt.

Wir protestieren auch dagegen, dass die deutsche Bundesregierung so wenig dagegen tut. Auch wenn sie die Siedlungspolitik kritisiert, ist sie weiter dabei, diese Politik zu unterstützen. Und sie unterstützt sie auch durch Demoverbote, die letztlich zeigen sollen, dass der Widerstand nicht legitim ist.

Schön, dass ihr da seid. Wir werden unseren Protest weiterführen und nicht schweigen.

 

Foto: Tom Wills

 


Durchschaubare Diffamierung - „Pazifistischer Bellizismus“ als Kampfbegriff zur Legitimation von Waffenlieferungen

Eine Erwiderung auf den Debattenbeitrag "Friede den Wächtern" von Christoph Spehr von Ulrike Eifler, Jan Richter und mir.

In seinem Beitrag „Friede den Wächtern“ prägt Christoph Spehr den Begriff des pazifistischen Bellizismus. Vordergründig nimmt er zwar Sahra Wagenknecht, Sevim Dağdelen und Klaus Ernst ins Visier. Tatsächlich aber zielt er auf alle in der Partei DIE LINKE, die sich gegen Waffenlieferungen und die Eskalationsgefahr stellen. Er unterstellt, dass diejenigen, die die Sanktionspolitik gegenüber Russland kritisieren und sich gegen Waffenlieferungen aussprechen, dies tun, weil sie in Wahrheit den Krieg gar nicht beenden wollen. Es gäbe viel zum Debattenstil des Beitrages zu sagen, insbesondere wenn behauptet wird, diese Positionen seien mit denen der AfD austauschbar. Doch der strategische Klärungsprozess in der LINKEN sollte sich auf den politisch-inhaltlichen Fokus der Auseinandersetzung beschränken. Dieser liegt im Beitrag Spehrs auf drei Argumentationsfeldern: der Frage nach den Kriegsursachen, der Frage nach der Legitimität von Waffenlieferungen sowie auf der Frage nach der Kompromissbereitschaft beider Seiten als Voraussetzung für Friedensverhandlungen.Read more


Kurzbericht von der Parteivorstandssitzung am 11.3.2023

Der Parteivorstand beschäftigte sich in der ‚aktuellen Verständigung‘ mit den Streiks bei der Post und dem Öffentlichen Dienst. Die Solidarität mit den Kolleg*innen hat eine hohe Priorität. Genoss*innen sind aufgerufen, die Streikenden vor Ort zu unterstützen.

Ein weiteres Thema war die Kriminalisierung der Klimaproteste, die scharf zurückgewiesen wurde.
Den größten Raum nahm die Debatte um den Krieg, die Bewertung der Kundgebung am 25.2., sowie die Herausforderungen für die Friedensbewegung.
Dabei wurden bisherige Einschätzungen zum Nicht-Verhalten des Parteivorstandes zum 25.2. im Wesentlichen bestätigt. Es wurde z.B. argumentiert, ein Aufruf zu der Demonstration hätte Bündnispartner*innen im Bereich Antirassismus an unserer Verlässlichkeit zweifeln lassen.
Es wurde anerkannt, dass wir selbst ein Vakuum produziert haben, indem wir nicht rechtzeitig auf Aktionen orientiert haben. Allerdings gingen die Einschätzungen darüber, wie sehr DIE LINKE mobilisierungsfähig gewesen wäre, auseinander.

Ich habe vor allem auf den Stand der Kriegshandlungen in der Ukraine, die militärische Pattsituation und der Stellungs- und „Abnutzungskrieg“, bei dem täglich hunderte von Soldaten auf beiden Seiten sterben verwiesen, sowie die zunehmenden Berichte über junge Männer, die versuchen, sich in beiden Ländern dem Kriegsdienst zu entziehen.
Ebenfalls habe ich meine Kritik, dass wir zu schwach in der Kritik der Bundesregierung und der Waffenlieferungen auftreten, erneuert.
Mein Kernanliegen war rüberzubringen, dass DIE LINKE ein elementares Interesse daran haben muss, die Antikriegsbewegung aufzubauen und sich als Teil dieser Bewegung mit den Widersprüchen und Kontroversen darin auseinandersetzen muss. Die Position lag dem Parteivorstand auch in Form des gemeinsamen Demoberichtes von Jan Richter, Ulrike Eifler und mir in einer Informationsvorlage vor.

Die Diffamierung der Kundgebung als „Querfront“ muss zurückgewiesen werden. Das hießt auch, dass wir mit Bündnispartner*innen in anderen Bereichen – z.B. der antirassistischen Bewegung – darüber sprechen müssen, warum wir in die Friedensbewegung intervenieren. Eine Teilnahme am 25.2. nimmt uns keine Glaubwürdigkeit im antirassistischen oder antifaschistischen Kampf – vor allem wenn man das mit linken Inhalten tut und Nazis, die versuchen, die Kundgebung zu vereinnahmen, zurückdrängt.

Mein Verweis auf die Hartz IV-Proteste Anfang der 2000er, in die PDS und andere linke Strukturen aus denen sich die LINKE gespeist hat, intervenierten, obwohl Rechte versucht hatten, sie zu vereinnahmen, wurde mit dem Argument, die Mobilisierung zum 25.2. sei etwas anderes, eine „Top-Down“ Mobilisierung gewesen, zurückgewiesen. Diese Einschätzung halte ich für falsch. Im Gegenteil, die Mobilisierung aus Gliederungen der LINKEN, oft an Vorständen vorbei war eine Mobilisierung „von unten.“

Wir haben sehr unterschiedliche Arten mit der Spaltung und dem Erosionsprozess in der LINKEN umzugehen.

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Friedensbewegung nicht alleine lassen - als Antikriegs-Partei wieder handlungsfähig werden

  1. Die Kundgebung »Aufstand für Frieden« war ein großer Erfolg für die Veranstalter*innen. Sie sprechen von 50.000 Teilnehmenden und kommen damit der Realität deutlich näher als die Polizei, die von 13.000 sprach. Das ist nicht nur angesichts des kaltnassen Wetters beachtlich, sondern weil die Diffamierung der Kundgebung in den letzten Tagen aus unterschiedlichen Richtungen kam. Wirtschaftsminister Habeck warnte im ARD-Brennpunkt am 24.2. – bis zu Beginn wiederholten diverse Zeitungen, Portale und Radiosender seine Aussage. Die Kundgebung reflektiert eine wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit dem Kurs der Bundesregierung in Bezug auf den Ukraine-Krieg und die Sorge vor einer weiteren Eskalation des Krieges. Ordnet man die Kundgebung in viele weitere - zumeist kleine – Proteste ein, die um den Jahrestag des Krieges stattgefunden haben, könnte dieser Protest zum Ausgangspunkt für eine neue Anti-Kriegsbewegung werden.
  2. Die Zusammensetzung der Kundgebung war, wie üblich auf den großen klassischen Friedensdemonstrationen der Vergangenheit, gemischt. Es waren viele Menschen mittleren Alters, Ältere, aber auch Familien dort. Viele Teilnehmer*innen kamen aus Berlin und Ostdeutschland, gleichwohl Besucher*innen aus verschiedenen Teilen Deutschlands dabei waren. Nach unseren Schätzungen waren mehrere Hundert Mitglieder der LINKEN anwesend – strömungs- und gliederungsübergreifend, aus allen Landesverbänden (neben Berlin gab es größere Kontingente aus Brandenburg, Sachsen und Hessen), Aktive aus dem Studierendenverband LINKE.SDS und von der Linkjugend Solid aus Berlin.
  3. Im Vorfeld hatten mehrere rechte Strukturen zur Teilnahme aufgerufen und es waren auch vereinzelt, bzw. in kleinen Gruppen Rechte in der Kundgebung präsent, ohne diese jedoch prägen zu können. Jürgen Elsässer, der im Vorfeld versucht hatte, die Kundgebung zu vereinnahmen, wurde mit einer Handvoll Begleiter, nachdem die Ordner*innen der Kundgebung ihn nicht aufhalten konnten, von einer Gruppe Teilnehmer*innen v.a. aus der LINKEN aufgehalten. Sie kesselten ihn mit Transparenten mit der Aufschrift „Mit AFD & Co ist kein Frieden zu machen“ und „Solidarität statt Rassismus - Refugees Welcome – russische Deserteure aufnehmen“ ein und konfrontierten ihn und sein Trupp mit „Nazis raus“-Rufen. Mit Megafonen erklärten wir (bis zum Beginn des Bühnenprogramms) Umstehenden, um wen es sich bei Elsässer handelt, und dass mit den „Nazis raus“-rufen, nicht die Teilnehmer*innen der Friedenskundgebung, sondern Elsässer und sein Trupp gemeint seien. Schließlich verließ die Gruppe unter Polizeischutz die Kundgebung.
  4. Die Initiator*innen hatten im Vorfeld erklärt, dass AFD und Rechtsextremisten nicht erwünscht seien. Dennoch wurden von den Initiatorinnen und ihrem Umfeld vielfach ambivalente Signale ausgesendet. Die Ordnerinnen und Ordner kommunizierten an den Zugängen zum Kundgebungsplatz den Demo-Konsens, waren aber zum Teil überfordert und zum Teil widersprüchlich bei der Umsetzung. Die Unterschätzung der Gefährlichkeit der extremen Rechten gibt es auch in der Friedensbewegung, deshalb müssen wir weiter argumentieren und deutlich machen, dass AfD, Compact & Co nicht für Frieden stehen, sondern für Faschismus, Aufrüstung, Militarismus und Krieg und dass sie von Veranstaltungen der Friedensbewegung konsequent ausgeschlossen werden müssen.
  5. DIE LINKE war über einzelne Fahnen, zwei Hochtransparente (eins gegen Aufrüstung, Waffenlieferungen und Krieg, ein anderes gegen rechts), sowie durch 120 Demoschilder, die zwei Berliner Bezirksverbände auf Eigeninitiative erstellt hatten, sichtbar. Darüber hinaus kamen vereinzelte Flyer aus den Bezirksverbänden zum Einsatz, sowie Material des parteinahen Jugendverbandes Solid zu Friedensforderungen und queeren Klassenkampf. Ein zentrales Verteilmaterial, dass sich wie der Flyer aus der BO Wedding gegen den Krieg, Waffenlieferungen und die AFD stellt, wäre sicher hilfreich gewesen. Noch besser wäre eine Einladung zu einer zentralen Veranstaltung der LINKEN etwa 14 Tage nach der Kundgebung gewesen, um über die Hintergründe des Krieges zu informieren, eine gemeinsame politische Bewertung vorzunehmen und das weitere strategische Vorgehen zu diskutieren.
  6. Diese Kundgebung war keine „Querfront“-Veranstaltung. Einzelne Faschisten haben sich ermutigt gefühlt zu kommen. Es gibt Personen in dieser Bewegung, die offen für die Zusammenarbeit mit Faschisten sind und dies auch deutlich artikulieren. D.h. es ist eine Bewegung voller Widersprüche und nicht ohne Probleme. Die Führung jedoch ist keine Querfront, sondern ein punktuelles Bündnis. Deswegen ist es entscheidend, dass sich DIE LINKE jetzt einbringt – praktisch und politisch. Ob eine Friedensbewegung erfolgreich wird und auch von Rassismus betroffene und queere Personen, die sich gegen den Krieg stellen wollen, einschließt - und nicht zu einer Querfront - hängt auch davon ab, wer mit welchen Argumenten um ihre Ausrichtung kämpft.
  7. Wir halten es für einen großen Fehler aufgrund einer schwerwiegenden Fehleinschätzung, dass sich DIE LINKE nicht von zentraler Ebene aus in den Kampf um die Ausrichtung dieser Bewegung eingebracht, sondern diese vom Rand kommentiert hat. Wenn DIE LINKE geschlossen mit einer klaren antimilitaristischen und antifaschistischen Position zur Kundgebung mobilisiert hätte und dort aufgetreten wäre, hätte das das Bild der Kundgebung weiter — besser — prägen können. Wir hätten mehr Nazis abschrecken oder abdrängen können und sicherlich hätten auch mehr verunsicherte Menschen an der Kundgebung teilgenommen. Wir fordern die Partei auf, jetzt eine Diskussion darüber zu beginnen, wie sie wirksam werden kann, um die Bewegung gegen den Krieg aufzubauen und darin ihre Rolle zu bestimmen.
  8. Die Teilnahme von Nazis ist ein reales Problem – für Menschen mit Rassismuserfahrung, queere Personen und für uns als LINKE. Dennoch: wenn wir uns nicht an Protesten beteiligen, sobald Rechte versuchen, sie zu vereinnahmen, dann werden wir erpressbar. Am 25.2. konnten diejenigen antifaschistisch wirksam werden, die Teil des Protestes waren. Wir dürfen die Friedensbewegung nicht alleine lassen, gerade angesichts des massiven medialen Drucks, der sie erwartet. Die Ostermärsche und der Tag der Befreiung kommen mit ähnlichen Herausforderungen auf uns zu – ob wir wollen oder nicht.
  9. DIE LINKE wird gebraucht: Unsere sichtbare Anwesenheit hat viele Teilnehmende erleichtert bzw. beruhigt, die aufgrund der medialen Verächtlichmachung unsicher ob ihrer Teilnahme waren und uns von ihrer Zerrissenheit berichteten. Unser Auftritt als LINKE auf dem Protest hat aber auch gezeigt, dass wir die Partei in Aktion vereinen können. Lasst uns als Antikriegspartei wieder handlungsfähig werden!

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Das »Manifest für Frieden«, Die Anti-Kriegs-Bewegung und DIE LINKE

Hunderttausende Menschen haben Sahra Wagenknechts und Alice Schwarzers »Manifest für Frieden« unterschrieben. Die Initiatorinnen rufen zum Protest auf die Straße. Wie sollten Linke mit dem Aufruf umgehen? Ein Gespräch mit Christine Buchholz über die Stärken und Schwächen des Manifestes und die Rolle der Linken

Das »Manifest für Frieden« hat innerhalb von wenigen Tagen eine halbe Million Unterstützerunterschriften bekommen. Wie bewertest Du das?

Es ist absolut positiv, dass die Stimmen in der Gesellschaft lauter werden, die sich den lauten Rufen nach Waffenlieferungen entgegenstellen. Ein Jahr nach dem russischen Überfall tobt ein Krieg um die Ukraine, der unermessliches Leid und Tod gebracht hat. Wir brauchen eine starke Antikriegsbewegung, die ausdrückt, was viele denken: »Stoppt den Krieg, Stoppt die Eskalation, Nein zu Waffenlieferungen!« und damit Druck auf die Bundesregierung macht.Read more


Wie umgehen mit dem "Manifest für Frieden" von Sahra Wagenknecht und anderen?

Ein Jahr nach dem russischen Überfall tobt ein Krieg um die Ukraine, der unermessliches Leid und Tod gebracht hat. Wir brauchen eine starke Antikriegsbewegung, die ausdrückt, was viele Denken: "Stoppt den Krieg, stoppt die Eskalation, Nein zu Waffenlieferungen!" und damit Druck auf die Bundesregierung macht.
Deswegen ist es gut, dass es eine Reihe von Aufrufen für lokale Aktionen am 24. Und 25. Februar gibt und deswegen begrüße ich auch das „Manifest für Frieden“ und den Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer zu einer Kundgebung am 25.2. in Berlin.

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Mit Faschisten gibt es keinen Frieden

Hier mein Redebeitrag auf der Kundgebung von Aufstehen gegen Rassismus auf dem Wittenbergplatz in Berlin am 11.2.2023:

Herzliche willkommen zur Kundgebung von Aufstehen gegen Rassismus gegen den Wahkampfabschluss der AfD. Wir protestieren gegen die AfD, die sich als Anwältin der „kleinen Leute“ aufspielt und immer mehr versucht, sich als Friedenspartei zu inszeniert.

Mit Faschisten gibt es keinen Frieden.

Seit ihrer Gründung streitet die AfD über die außenpolitische Orientierung der Partei. Der Krieg in der Ukraine bringt den Streit zwischen den „Transatlantikerinnen“ und "Transatlantikern" und den antiamerikanischen Kreml-Anhängerinnen und - Anhängern zunehmend ans Licht.Read more


Statt Panzerlieferungen: Eskalationsspirale durchbrechen

Waffenlieferungen des Westens seien alternativlos, um die Angriffe der russischen Armee auf die Ukraine zurückzuschlagen. Diese Behauptung ist Konsens in den deutschen Leitmedien und im politischen Establishment.

Es hat bereits massive Waffenlieferungen gegeben.  Bis Anfang des Jahres 2023 wurden von den USA 22,9 Mrd. Euro, von Deutschland 2,34 Mrd. Euro zugesagt.

Nachdem es massiven Druck der ukrainischen Regierung, internationaler Bündnispartner, des medialen Mainstreams, sowie der CDU, FDP und der Grünen gegeben hat, wird die Bundesregierung jetzt Leopard 2 Panzer liefern.

Der Trend hin zur Lieferung von immer mehr schweren Waffen ist gefährlich. Anders als von den Befürworter*inenn von Waffenlieferungen behauptet, werden sie zu noch mehr Leid und Tod führen, anstatt zum raschen Frieden.

Mit der Lieferung schwerer Waffen ist eine Eskalationsgefahr verbunden. Auch wenn Russland mit der Bombardierung lebensnotwendigen Infrastruktur eskaliert hat, so ist die Lieferung schwerer Waffen eine weitere Eskalation seitens der NATO. Die Schraube dreht sich weiter.

Die Erfahrung aus anderen Kriegen und Konflikten zeigt, dass man damit auf einer schiefen Ebene ist. Schloss Scholz zu Beginn des Krieges noch schwere Waffen aus, so kann jetzt die nächste Eskalationsstufe die Lieferung von Kampfflugzeugen sein.

Im Konflikt mit der Atommacht Russland ist die nukleare Eskalation ein weiteres Szenario, das diejenigen, die für weitere Waffenlieferungen in die Ukraine sind, in Kauf nehmen. Nach dem Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos, drohte der ehemalige russische Präsident und aktuelle stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates Medwedew, dass eine russische Niederlage zum Atomkrieg führen könnte. Die westlichen Regierungschefs wissen das, schieben aber die Gefahr beiseite, so spekuliert der britische Ex-Premierminister Boris Johnson, dass das Risiko eines tatsächlichen Atomkrieges „verschwindend gering“ sei. Diese Politik der NATO ist ein Spiel mit dem Feuer.

Schließlich stellt ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages fest, dass mit der Ausbildung von ukrainischen Soldaten an den gelieferten Waffensystemen, Deutschland und die anderen NATO-Staaten direkt ins Kriegsgeschehen einbezogen würden. Mit der Ausbildung von ukrainischen Soldaten wird der „gesicherte Bereich der Nichtteilnahme“ an dem Krieg verlassen.

Entscheidend ist es, den Hintergrund dieses Krieges zu verstehen. So wie Russland wieder die Ukraine wirtschaftlich und geopolitisch kontrollieren und damit seine Macht in der Weltpolitik wieder herstellen will, so geht es dem westlichen Bündnis, der USA und den NATO-Staaten darum, die Eingliederung der Ukraine in den westlichen Einflussbereich dauerhaft abzusichern. Letztere ist zu einer treibenden Kraft in diesem Krieg geworden.

Um dieses Ziel zu erreichen, sind Biden, Scholz und die NATO bereit, einen langen Abnutzungskrieg gegen Russland zu führen und die Ukrainerinnen und Ukrainer als Speerspitze zu nutzen. Militärexperten vergleichen die gegenwärtige Gefechtslage des Stellungskrieges in der Ost-Ukraine mit den mörderischen Schlachten des 1. Weltkrieges.

Erklärtes Kriegsziel ist nicht mehr die Befreiung der seit dem 24.2.2023 von Russland besetzen Gebiete, sondern die militärische Rückeroberung der seit 2014 von Russland kontrollierten Gebiete, einschließlich der Krim.

Ende März 2022 führten die Ukraine und Russland ernsthafte Verhandlungen, aber westliche Regierungschefs machten, klar, dass eine solche Lösung nicht erwünscht sei. Allen voran ermunterte der damalige britische Premierminister Boris Johnson durch die Zusage, schwere Waffen zu liefern, die Regierung in Kiew, den Krieg weiterzuführen.

Es geht längst nicht mehr darum, den Krieg zu stoppen, um das unvorstellbare Leid und die schrecklichen Zerstörungen zu beenden. Es geht darum, Russland zu besiegen, es wirtschaftlich und militärisch tief zu schwächen.

Das ist zynisch und grausam und wird weiteren Zehntausenden Soldaten auf beiden Seiten das Leben kosten.

Deswegen sind die Panzerlieferungen abzulehnen.

Die Eskalationsspirale muss durchbrochen werden und der Widerstand gegen Krieg und Waffenlieferungen entwickelt und aufgebaut werden - überall.

 

dieser Artikel erschien am 25.1.2023 auf www.linksbewegt.de