4 Jahre Kundus: Die Toten mahnen
Vor vier Jahren, am 4. September 2009, befahl ein Bundeswehroffizier einen Bombenangriff auf zwei Tanklastwagen im Kundus-Fluss in Afghanistan, bei dem über 140 Menschen den Tod fanden, darunter viele Kinder. Es war handelte sich um das schlimmste Kriegsverbrechen in deutscher Verantwortung seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Erinnerung daran muss wachgehalten werden: Aus Mitgefühl für die Hinterbliebenen, aber auch um Lehren zu ziehen. Für die Fraktion DIE LINKE. habe ich folgende Stellungnahme herausgebracht.
Kundus-Gedenkveranstaltung am 4.9. in Berlin
Gedenkveranstaltung für die Opfer von Kundus am 4. September 2010 (PDF)
Mitwirkende der Gedenkveranstaltung für die Opfer der Bomben von Kundus von links nach rechts: Dr. Angelika Claußen, Vorsitzende Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), Hans-Christian Ströbele, MdB Bündnis 90/Die Grünen, Jan van Aken, MdB DIE LINKE, Dr. Modjadjdi, Vorsitzender des Vereins für Afghanistan-Förderung e. V., Volker Neef, Vertreter des Zentralrats der Muslime, Karim Popal, Anwalt der Opfer von Kundus, Jean-Theo Jost, Schauspieler der Berliner Compagnie, Christine Buchholz, MdB DIE LINKE.
Am 4. September 2010 jährte sich zum ersten Mal die Bombardierung, bei der in der afghanischen Provinz Kundus mindestens 140 Menschen starben, darunter Jugendliche und Kinder. Das Bombardement erfolgte auf Befehl der Bundeswehr. Ein Bündnis der Friedensbewegung, Attac-Deutschland, der Partei DIE LINKE und Teile der Grünen lud zu einer Gedenkveranstaltung in die Heilig-Kreuz-Kirche in Berlin. Bundesregierung und Bundestag hatten zuvor den Vorschlag der Fraktion DIE LINKE. abgelehnt, den Opfern dieser Bombardierung ein würdiges Gedenken im Bundestag zu bereiten. Der Anwalt der Opfer von Kundus, Karim Popal, hatte noch am Morgen mit Angehörigen der Opfer von Kundus telefoniert. Er trug die Botschaft von Hajar Abdul Wasir an die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung vor: „Ich habe drei Kinder verloren und ich bin 80 Jahre alt. Ich habe drei Enkelkinder verloren und die waren meine Ernährer. Es gibt keine Sozialversicherung. Es gibt keine Rentenversicherung. Ich hab meine Ernährer verloren. Die reiche große deutsche Regierung und die Helfer ihrer Marionetten, die korrupte Regierung in Kabul und in Kundus hat unserer Familie, einer 18-köpfigen Familie, den Hinterbliebenen dieser Toten 5000 Dollar gegeben. Wenn wir das verteilen unter uns, einer 18-köpfige Familie, können wir uns vielleicht ein paar Monate ernähren. Ist das Gottes Barmherzigkeit? Hat Gott Barmherzigkeit den Deutschen beigebracht? So zu handeln mit den Toten? So zu handeln mit den Hinterbliebenen? Das ist ein Verstoß, ein Verstoß gegen alle Religionen. Im Namen des barmherzigen Gottes fordere ich alle Menschen in Deutschland, politische Parteien, alle Parteien, die sich demokratisch nennen, alle Konfessionen, aller Kirchen, auf, handeln Sie bitte menschlich. Was wir erlebt haben als Hinterbliebene der Opfer, was wir erlebt haben als Vertreter der Opfer: Arroganz, Arroganz und unfaire Ungerechtigkeit. Man hat uns Afghanen versprochen nach 30 Jahren Krieg: Wir werden Eure Heimat aufbauen. Wir werden Euch Demokratie beibringen. Ist das Demokratie gewesen, dass wir unsere Enkelkinder und Kinder verloren haben, ist das der Aufbau von Afghanistan gewesen?“
Die Bombardierung von Kundus war kein Betriebsunfall
Zum ersten Jahrestag der Bombardierung von Kundus auf Befehl der Bundeswehr, bei der mindestens 142 Menschen starben, erklärt Christine Buchholz, friedenspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.
Auch ein Jahr danach gesteht die Bundesregierung ihre Schuld gegenüber den Familien der Getöteten nicht ein. Die geleisteten Zahlungen von 5000 US $ an die Familien sind unwürdig. In vergleichbaren Fällen wurden in Afghanistan 33.000 US$ gezeigt. Die Verletzten bekommen keine kostenlose ärztliche Behandlung. Die Bundesregierung und alle Fraktionen im Bundestag außer der Linksfraktion lehnten eine Gedenkstunde für die Opfer der Bombardierung ab.
Die Bombardierung von Kundus war kein Betriebsunfall. Tagtäglich tötet die NATO Zivilisten, wie am gestrigen Donnerstag zehn Menschen in der Region Tachar. Das Töten von Zivilisten liegen in der Logik eines Krieges, in dem die NATO-Soldaten Angst vor und Misstrauen gegenüber der Zivilbevölkerung haben und die Afghanen zunehmend verbittert sind.
Statt den Bundeswehreinsatz in zu beenden, hat die Bundesregierung nach der Bombardierung in Kundus die Zahl der deutschen Soldaten erneut erhöht und mehr Kriegsgerät nach Afghanistan gebracht. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Luftangriffe wie der von Kundus wiederholen. Nur ein sofortiger Abzug der Bundeswehr kann die Voraussetzung für Frieden schaffen.
Jedes Menschenleben ist kostbar
Zur Heuchelei der Regierung im Umgang mit dem Krieg in Afghanistan
Auf meine Presseerklärung, in der ich Merkel für den Tod der an Karfreitag getöteten deutschen Soldaten verantwortlich gemacht und ihre Teilnahme an der Trauerfeier als heuchlerisch bezeichnet habe, habe ich eine Reihe von Zuschriften bekommen. Manche beinhalteten Lob, andere Kritik, wiederum andere Beschimpfungen. Ich möchte an dieser Stelle inhaltlich auf die Kritik eingehen und ein paar Punkte klarstellen:
Ich halte es mit Rosa Luxemburg: Jedes einzelne Menschenleben ist kostbar. Ich empfinde keine Freude, auch keine „klammheimliche“, wenn ich höre, dass deutsche Soldaten in Afghanistan sterben.
Verantwortung für den Tod der Soldaten, wie auch für den der im Krieg getöteten Afghanen, tragen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und in besonderem Maße die Bundesregierungen von Kanzler Schröder und Kanzlerin Merkel, die für den Einsatz gestimmt haben. Wenn aus Regierungskreisen der Vorwurf erhoben wird, ich würde aus dem Tod der Soldaten Kapital schlagen, weil ich auf diese Selbstverständlichkeit hingewiesen haben, ist das unverschämt. Da die Bundesregierung offensichtlich nicht plant, ihre Politik zu ändern, ist es notwendig, ihre Verantwortung für den Tod dieser Menschen in Erinnerung zu rufen – und den Tod weiterer Menschen, die in den nächsten Wochen, Monaten, eventuell Jahren in diesem Krieg sterben werden.Read more
Reisebericht Afghanistan von Christine Buchholz und Jan van Aken jetzt verfügbar
Der Reisebericht Afghanistan von Christine Buchholz und Jan van Aken, Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, ist jetzt als PDF-Datei verfügbar. Aus dem Bericht:
"Anfang Januar beschlossen wir, angesichts der zu erwartenden Mandatsaufstockung und zur Vorbereitung des Untersuchungsausschusses zum Bombenangriff von Kundus am 4. September 2009, eine Informationsreise nach Afghanistan zu unternehmen.
Unser Ziel war es, uns ein möglichst umfassendes Bild über die Lage in Afghanistan, den Einsatz der Bundeswehr und die Situation der Opfer und Hinterbliebenen der Bombardierung von Kundus zu machen.
Wir fuhren einen Tag nach der Londoner Konferenz, auf der eine Erhöhung der Truppen in Afghanistan und eine Verstärkung der nichtmilitärischen Hilfe, die Reintegration von Talibankämpfern und einem Versöhungsprozess mit Talibanführern, diskutiert wurde."
Weiterlesen: Jan van Aken, Christine Buchholz: Reisebericht Afghanistan, 29. Januar bis 03. Februar 2010 (PDF)