Ich dokumentiere hier eine Antwort an eine Bürgerin, die forderte, ich solle mich gegen das betäubungslose Schächten aussprechen:

Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie sich – anders als andere Kritikerinnen und Kritiker des Schächtens – tatsächlich um die Tiere sorgen und dass Sie den Tierschutz nicht für eine rechte, antisemitische oder antimuslimisch-rassistische Ideologie missbrauchen wollen.

Trotz aller Bedenken, die Sie vortragen, möchte ich meine Gründe gegen das Schächtverbot vorbringen und die Ausnahmeregelungen für jüdische und muslimische Schlachter im Namen der Religionsfreiheit verteidigen.

Schächten ist in Deutschland verboten. Es gibt Ausnahmeregelungen für Juden und seit 1996 auch für Muslime. Die AfD will diese Ausnahmen aufheben. „Die AfD lehnt das qualvolle betäubungslose Schächten von Tieren als unvereinbar mit dem Staatsziel Tierschutz ab.“

Die AfD sucht sich gezielt einen einzelnen Aspekt der Schlachtindustrie heraus, weil sie damit antimuslimischen Rassismus und Antisemitismus stärken kann. Es ist ein Mythos, dass andere Schlachtmethoden weniger Schmerzen und Angstzustände für die Tiere bedeuten. Besonders in der Kritik steht die CO2-Betäubung von Schweinen, die in Deutschland millionenfach angewandt wird. Damit hat die AfD keine Probleme. Die AfD bekennt sich in ihrem Grundsatzprogramm auch ausdrücklich sehr positiv zur Jagd – obwohl Jäger bekanntlich auch nicht betäuben und Tiere häufig nur angeschossen werden und qualvoll verenden.

Für die meisten islamischen und jüdischen Gemeinden in Deutschland ist die betäubungslose Schächtung wesentlicher Bestandteil ihrer Religionsausübung und gehört zum lebendigen Inhalt ihrer Glaubenspraxis. Von daher sind die Ausnahmeregelungen für jüdische und muslimische Schlachter zu verteidigen

Im Übrigen erinnert die Forderung nach einem kompletten Schächtverbot an das Vorgehen der NSDAP, die den Tierschutz für die antisemitischen Ziele des Regimes missbrauchte. Unter dem Vorwand des Tierschutzes verbot die NSDAP 1933 das Schächten und bestrafte es mit Gefängnis – später auch mit Haft im Konzentrationslager. „Tierliebe und Menschenverachtung waren in der NS-Ideologie kein Widerspruch.“ schrieb Helene Heise im SPIEGEL.

 

Auch die aktuelle Debatte der CDU Niedersachsen über ein komplettes Schächtverbot und ein Ende der Ausnahmeregelungen kommt ursprünglich von der AfD. Die CDU Niedersachsen möchte muslimischen Schlachtern das Schächten von jährlich rund 200 Schafen und Ziegen zum Opferfest untersagen. Das hat zu Protesten des Zentralrats der Juden und muslimischer Verbände geführt, die ich unterstütze.

Es gibt viele Missstände in der deutschen Fleischindustrie: von der Massentierhaltung und den Tiertransporten über die Arbeitsbedingungen bis zum Dumping-Export von billigem Fleisch auf andere Kontinente. Obwohl der Fleischkonsum in Deutschland rückgängig ist, produziert die Fleischindustrie immer mehr Fleisch unter den angesprochenen Bedingungen.

Jede Form des Schlachtens ist eine Überwältigung des Tieres. Ich finde nicht, dass diese zahlenmäßig wenig bedeutsamen Ausnahmeregelungen für das rituelle Schächten, diese tierquälenden Bedingungen in der deutschen Fleischwirtschaft oder bei der Jagd legitimieren, wie Sie es annehmen. Im Gegenteil: Das Schächtverbot entlastet die Fleischindustrie, weil es suggeriert, nur Schächten sei Tierquälerei, ansonsten ist gäbe es keine Tierquälerei in der Fleischindustrie.

Ein Schächtverbot ohne Ausnahmeregelungen für jüdische und muslimische Betriebe ist politisch problematisch, weil es das gesellschaftliche Signal sendet, Juden und Muslime seien Tierquäler. Genau das ist in den Niederlanden passiert, wo 2011 ein Schächtverbot unter Protest von Juden und Muslimen eingeführt wurde.

Religionen gleich zu behandeln heißt auch, die Religionsfreiheit jeder Religion anzuerkennen. Es gilt das Selbstbestimmungsrecht der Religionen, d.h. Religionsgemeinschaften können aus sich heraus Veränderungen vornehmen, aber der Staat sollte sich nicht einmischen. Deshalb verteidigt DIE LINKE die Ausnahmeregelungen für jüdische und muslimische Gemeinden. Muslimische Schlachter wenden die Elektrokurzzeitbetäubung für die Halal-Schlachtung an. Jüdische Riten schreiben die betäubungslose Schächtung vor und auch muslimische Schlachter schächten in Deutschland – wie z. B. zum Opferfest.

In Frankreich und anderen europäischen Staaten existiert kein Schächtverbot. Als es für muslimische Schlachter vor 1996 noch keine Ausnahmeregelungen gab, wurden die Tiere dann zum Schächten exportiert und das Fleisch wiedereingeführt.