Warum eine Spaltung der LINKEN fatal wäre, die Partei sich aber neu erfinden muss – mit einem klaren Profil gegen Krieg und Establishment. Mein Kommentar auf marx21.de

Führende Genoss:innen in der LINKEN spekulieren offen über die Spaltung der Partei. Nicht wenige meinen, die Probleme der LINKEN wären kleiner oder sogar ganz erledigt, wenn Sahra Wagenknecht und ihre Weggefährt:innen die Partei verlassen würden. Andere nehmen das Ergebnis des Mitgliedervotums für ein bedingungsloses Grundeinkommen zum Anlass, der Partei den Rücken zu kehren. Gründungsmitglied Ralf Krämer schreibt, das Mitgliedervotum habe »das Fass zum Überlaufen gebracht« und lädt ein, »alternative Perspektiven« zur LINKEN zu diskutieren.

Doch eine Spaltung der LINKEN zum jetzigen Zeitpunkt würde weder die Krise der Partei beenden, noch eine vielversprechende neue Formation entstehen lassen. Im Gegenteil: Es wäre eine Schwächung der gesamtgesellschaftlichen Linken in Deutschland und womöglich der Anfang vom Ende der ersten relevanten politischen Kraft links von der Sozialdemokratie in der Geschichte der Bundesrepublik..

Denn die Vorstellung, dass eine Spaltung der Partei zu mehr Klarheit und damit neu gewonnener Handlungsfähigkeit führen würde, ist eine Illusion. Die programmatischen und strategischen Konfliktlinien innerhalb der LINKEN sind weitaus komplexer, als dass eine Abspaltung des Wagenknecht-Lagers die Widersprüche aufheben würde. So gibt es an Wagenknechts Positionen und Agieren tatsächlich viel zu kritisieren, aber in der Frage des Umgangs mit dem Ukrainekrieg ist es nicht sie, die die programmatischen Positionen zu schleifen versucht.

DIE LINKE und der Ukrainekrieg

Es ist der Reformer-Flügel in der Partei, der den Ukrainekrieg nutzen will, um die friedenspolitischen Grundpositionen infrage zu stellen – so die Ablehnung der Nato und ihrer Politik, wie das Nein zu Auslandsätzen der Bundeswehr. Doch eine LINKE, die ihre antimilitaristischen Grundsätze aufgibt, verliert eine ihrer Kernfunktionen. Schon jetzt wird DIE LINKE im aktuellen Krieg nicht als Gegenspielerin zu der Eskalationspolitk der Bundesregierung wahrgenommen. Das ist fatal.

Dass der Angriff auf die Ukraine kritisiert und der Rückzug der russischen Truppen gefordert werden muss, ist in der LINKEN unumstritten – auch bei Sahra Wagenknecht. Ihre Rede in der Haushaltsdebatte des Bundestags ist für ihren Standortnationalismus und die fehlende Kritik am fossilen Energieregime zu kritisieren, aber nicht aber dafür, dass sie von einem Wirtschaftskrieg gesprochen und ein Ende der Sanktionen gefordert hat. Denn die Sanktionen, die der Westen als Antwort auf Putins Krieg verhängt hat, treffen offenkundig die Bevölkerung – in Russland und im Rest der Welt – und sind daher für DIE LINKE abzulehnen.

Angesichts der sozialen Härten, die durch Inflation und Krise auf einen großen Teil der Bevölkerung zukommen, und einer erstarkenden Mobilisierung von rechts, die sich die Angst vor diesen Härten zu eigen macht, brauchen wir eine LINKE, die klar Position bezieht und Opposition gegen die Ampel organisiert sowie Widerstand gegen rechts. Dass einzig der Flügel um Wagenknecht einer solchen Politik für DIE LINKE im Wege stünde, ist eine Verdrehung von Tatsachen.

DIE LINKE als kämpfende Partei

Zugleich wäre auch eine neue Wagenknecht-Partei keine Alternative. Sie mag kurzfristige Erfolge in Umfragen haben, aber auf einer falschen politischen Grundlage. Ihr Standortnationalismus, die Sympathien für gemeinsame Mobilisierungen von Linken und Rechten sowie das Gegenanderstellen von sozialer Frage und dem Kampf gegen Rassismus und Faschismus stärken letztlich die rechten Kräfte in der Gesellschaft.

DIE LINKE hat bezüglich der Frage der Migration, des Antirassismus, aber auch in der Klimapolitik klare Beschlüsse gefasst. Die Querschüsse von Wagenknecht, aber auch anderen führenden Genoss:innen gegen die Programmatik der Partei sind zwar durchaus ein Problem. Das Hauptproblem ist jedoch ein anderes: Der LINKEN ist es als Ganzes nicht gelungen, sich weiter als eine kämpfende Partei zu verankern.

Für viele der aktiven Funktionsträger:innen steht nicht mehr die Frage im Vordergrund, wie wir eine Kritik der herrschenden Politik und Verhältnisse formulieren und gesellschaftliche Kräfteverhältnisse verändern. Stattdessen ist der Parlamentarismus zum dominierenden Faktor in der politischen Alltagsarbeit der Partei geworden. Die Regierungsbeteiligungen sind für viele Genoss:innen wichtiger als die Erfordernisse des gesellschaftlichen Widerstandes. So haben wir es etwa in Berlin mit dem Ausverkauf des Volksentscheids »Deutsche Wohnen und Co enteignen« erlebt.

Diese falsche Logik wird vom Reformer-Flügel offen als Orientierung für DIE LINKE ausgerufen. So loben Klaus Lederer, Kristina Voigt, Simone Oldenburg und Bodo Ramelow, also Vertreter:innen der vier Landesregierungen mit Beteiligung der LINKEN, in einem Positionspapier die Sozialpartnerschaft und fordern »verantwortungsvolles Regierungshandeln«. Das ist falsch und schwächt den Widerstand. Wir müssen unsere Forderungen gegen den Druck aus Regierung(en) und Konzernen durchsetzen.

Mit klarem Profil gegen das Establishment

Es ist eine Illusion, wenn DIE LINKE glaubt, ihre Hauptaufgabe wäre es,  aus den Landesregierungen heraus die Inflation abzufedern. Sie muss Menschen mobilisieren – von und nach links und gegen rechts. Sie muss wieder als Opposition auftreten gegen die falsche und fatale Antwort der Bundesregierung auf Krieg, Inflation und Energiekrise.

Der Regisseur Volker Lösch schrieb der LINKEN 2017 zu ihrem 10 Jährigen Bestehen ins Stammbuch, wofür sich DIE LINKE stark machen müsse:

  • Klassensolidarität statt nationaler Identität
  • Für die Einmischung in die lokalen, konkreten außerparlamentarischen und betrieblichen Konflikte
  • Für Glaubwürdigkeit und klug argumentierte Grenzziehungen zum politischen Establishment

So sehr sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen seit 2017 verändert haben – Volker Lösch hat Recht. DIE LINKE muss sich neu erfinden. Denn es lohnt sich nur für eine LINKE zu streiten, wenn sie mutig ist und mit klarem Profil gegen Krieg und Establishment. Eine zweite SPD braucht niemand.

Politische Auseinandersetzung statt Spaltung

Das bedeutet innerparteilich, die Auseinandersetzung nicht zu scheuen – weder mit Wagenknecht noch mit Lederer, Vogt, Oldenburg und Ramelow. Und nach außen bedeutet das, den Kampf gegen diejenigen aufzunehmen, die die sozialen Interessen der Mehrheit mit Füßen treten; diejenigen, die statt mit dem russischen Diktator mit saudischen Diktatoren Energie- und Waffen-Deals machen; diejenigen, die Deutschland auf die Kriege der Zukunft vorbereiten und für riesige Profite der Rüstungskonzerne sorgen; und gegen diejenigen, die Hass säen und berechtigten Unmut nach rechts lenken wollen.

Ein Blick nach Italien, wo sich eine bis dahin mobilisierungsstarke und selbstbewusste Linke 2007 in der Regierung zerlegt hat und der Widerstand gegen die Rechte massiv geschwächt wurde, sollte eine Mahnung sein, dieselben Fehler nicht zu wiederholen.