Der Parteitag der LINKEN hat wichtige Positionen zu Krieg, Inflation und Sexismus verabschiedet. Um aus der Krise zu kommen, braucht die Partei jetzt jedoch auch eine Orientierung auf eine kämpferische Praxis. Ein gemeinsamer Beitrag von mir und Nils Böhlke, veröffentlicht auf Marx21.de.

Zwei Themen dominierten den Parteitag der LINKEN in Erfurt 2022: Der Krieg in der Ukraine und die massive Aufrüstung infolgedessen, sowie die Debatte um #LinkeMeToo.

Wie zu erwarten, setzte der Parteitag ein klares Zeichen gegen den russischen Angriff auf die Ukraine. Ein Antrag von Sahra Wagenknecht u.a., der als Relativierung dieser Position gewertet worden war, scheiterte krachend.

Zugleich positionierte sich der Parteitag deutlich gegen Waffenlieferungen, an anderen Stellen wurde der friedenspolitische Leitantrag des Parteivorstandes geschärft. So wird jetzt davor gewarnt, dass Sanktionen sich negativ auf die Bevölkerung auswirken und katastrophale Folgen für ärmere Länder haben. Eine klare Positionierung gegen die Militarisierung der EU wurde vom Parteitag angenommen.

Der Friedenspolitische Ersetzungsantrag »Ohne Wenn und Aber gegen Krieg und Aufrüstung«, der eine stringente Argumentation zur Einordnung des Ukrainekriegs als Stellvertreterkrieg, eine klare Kritik an Sanktionen und die Orientierung auf den Widerstand gegen Aufrüstung anbot, bekam mit 43 Prozent ein mehr als achtbares Ergebnis.

Diese große Minderheit wird für die zukünftigen Debatten um die friedenspolitische Ausrichtung der Partei eine wichtige Rolle spielen und sollte eine gute Basis für die Mobilisierung gegen Aufrüstung und Krieg darstellen.

Sexismus entschlossen bekämpfen!

Die Debatte um Sexismus und #LinkeMeToo wurde mit großer Ernsthaftigkeit geführt. Das Frauen- und FLINTA* (Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen)-Plenum war sehr gut besucht. Es wurden dort wie am Folgetag mehrere Beispiele von Sexismus berichtet, die vor allem Frauen und Transpersonen betrafen. Sie reichen von Übergriffen, bis hin zu Frauen ausgrenzendem Diskussionsverhalten. Diese Vorfälle gibt es in kleinen wie großen Verbänden bis hin zur Bundestagsfraktion.

Von daher ist es wichtig, dass der Parteivorstand ein Instrumentarium schafft, um unverzüglich damit umzugehen. Der mit großer Mehrheit angenommene Antrag der BAG LISA (bundesweite Frauenarbeitsgemeinschaft der LINKEN) mit konkreten Strukturvorschlägen bietet dazu eine gute Grundlage. Ein satzungsändernder Antrag, der ermöglicht hätte, »in durch ein externes Aufklärungsgremium festgestellten Fällen sexueller und rassistischer Übergriffe« jemanden bis zur Klärung der Sache zu suspendieren, kam leider nicht zustande, da nicht ausreichend abstimmungsberechtigte Delegierte mehr anwesend waren.

Es ist gut, dass die Debatte in strukturierte Kanäle gelenkt wird..  Die Herausforderung besteht darin, Strukturen zur Aufklärung und dem Umgang mit Vorwürfen zu etablieren, das Klima in der Partei so zu verändern, dass sich Frauen gerne einbringen und gleichzeitig eine Praxis zu entwickeln, über die wir Frauen mobilisieren und organisieren können. Dass dies noch ein langer Weg sein wird, zeigt die Rede von Gregor Gysi, der offenbar dachte, mit Angriffen auf Gendersternchen (über die niemand in der Debatte des Vortages gesprochen hatte), könne er Applaus bekommen.

Die Linksjugend hat das Thema erfolgreich auf die Tagesordnung gesetzt. Der von ihnen vertretene Ansatz der »Definitionsmacht« im Umgang mit sexualisierter Gewalt wurde von der Partei jedoch zurecht nicht übernommen. Ebenso scheiterte der Versuch, einzelne Personen, die ohne jede Grundlage als »Täterschützer:innen« diffamiert wurden, abzuwählen.

Neben dem Frauen- und FLINTA*-Plenum fand auch ein migrantisches Plenum statt. Der Bedarf, eine antirassistische Praxis zu entwickeln, besteht für die gesamte Partei. Es wäre wichtig, dass dies mit inhaltlichen Debatten zur Rolle von Rassismus und zum Umgang mit rassistischen Haltungen weitergeführt wird.

Parteitag: Kräfteverhältnisse und Wahlen

Bei den Vorstandswahlen drückten sich verschiedene Tendenzen aus. Zum einen ist der Versuch des »Hufeisens« (das Machtbündnis aus dem Flügel um Sahra Wagenknecht und eines Teils des Reformerlagers um Dietmar Bartsch, welches die Bundestagsfraktion dominiert) gescheitert, mit Heidi Reichinnek und Sören Pellmann eine Alternative zu Janine Wissler und Martin Schirdewan aufzubauen.

Janine Wissler wurde mit großem Applaus empfangen und bekam für eine kämpferische und gute Eröffnungsrede lange Standing Ovations. Auch ihr neuer Co-Vorsitzender Martin Schirdewan aus dem Reformerlager trat linker als erwartet auf.

 

Wulf Gallert scheiterte mit seiner Kritik an der friedenspolitischen Ausrichtung der Partei bei der Wahl zum stellvertretenden Parteivorsitzenden. Mit der kämpferischen Gewerkschafterin Jana Seppelt, dem aktivistischen Ates Gürpinar, der für die große Gruppe der aktiven migrantischen Mitglieder der Partei steht, und dem Klima-Aktivisten Lorenz Gösta Beutin sind neben der Berliner Landesvorsitzenden Katina Schubert, drei bewegungsorientierte Stellvertreter:innen gewählt worden.

Den einzigen Erfolg konnte das »Hufeisen« bei der Wahl zum Bundesgeschäftsführer erringen.

Bei der Wahl zum erweiterten Vorstand, der per Parteitagsbeschluss von 44 auf 26 Mitglieder verkleinert wurde, wurden vor allem Genoss:innen gewählt, die authentisch für einen politischen Bereich stehen – so etwa Dana Lützkendorf oder Ellen Ost als streikende Krankenpflegekräfte, die Inklusionsbeauftragte Margit Glasow, Betti Gutperl mit einem starken feministischen Profil oder Christine Buchholz mit einer starken Position in der Antikriegsbewegung. Auf der gemischten Liste setzten sich insbesondere Vertreter des Reformerflügels und von innerparteilichen Zusammenschlüssen durch.

Die »populäre LINKE« und der linke Parteiflügel

Das Lager, das sich selbst als »populäre LINKE« bezeichnet, ist nicht im Vorstand vertreten. Mehrere Kandidierende zogen ihre Kandidatur nach der Wahl der Vorsitzenden zurück. Inhaltlich macht das keinen Sinn – denn der Parteitag stellt keine Rechtsentwicklung dar. Zudem waren gewerkschaftliche Kämpfe wie die Pflegestreiks sehr präsent und es wurden sowohl Gewerkschaftsaktive als auch der Kandidat der BAG Betrieb & Gewerkschaft Jan Richter gewählt.

Die Diskussionen innerhalb des Spektrums der »populären LINKEN« über einen Austritt aus der Partei schwächt den linken Parteiflügel.

Der neue Vorstand muss jetzt die gefundenen Positionen stark nach außen vertreten. Minderheitenpositionen wird es weiter geben – wie die Forderung nach Waffenlieferungen an die Ukraine. Diese müssen dann aber auch als solche gekennzeichnet werden.

Der neue Vorstand steht vor der Aufgabe, die Partei  erkennbar gegen Inflation und Preissteigerungen zu positionieren und handlungsfähig zu machen. Ins Zentrum muss friedenspolitisch die Forderung nach Abrüstung. Die Ablehnung des 100-Milliarden-Aufrüstungspakets gilt es mit dem Kampf gegen Verarmung zu verbinden, z.B. durch die Forderung nach höheren Löhnen in den anstehenden Tarifauseinandersetzungen. Dabei wird sowohl eine Strategie für die Anti-Kriegs- und Anti-Aufrüstungsbewegung, als auch eine Parteikampagne zu diesem Thema gebraucht.

Es ist bedauerlich, dass die Debatte zum Parteiaufbau aus Zeitgründen hinten runtergefallen ist.  Damit ist die Kernfrage, wie die Partei vor Ort besser aufgestellt und die Krise überwunden werden kann, kaum thematisiert worden. Diese Debatte gilt es nun weiter zu führen und bei den politischen Themen stets die Frage zu behandeln, wie wir als Partei  aktions- und mobilisierungsfähig werden.