Im Bundestag wurde der Jahresbericht des Wehrbeauftragten diskutiert. Die zahlreichen Misshandlungsfälle, sowie das Auffliegen einer rechtsextremen Terrorzelle zeigen: es gibt ein Problem mit wegschauen und mit der extremen Rechten in der Bundeswehr. Verteidigungsministerin von der Leyen, auch die SPD will beim Thema ablenken. Die LINKE fordert rückhaltlose Aufklärung und den vollständigen Bruch mit der Wehrmacht. Wir wollen die in der Bundeswehr starken, die Courage zeigen.
Rede im Bundestag vom 1.6.2017
Christine Buchholz (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Lieber Herr Bartels! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wehrbeauftragten! Meine Damen und Herren! Heute Abend ist Afghanistan in aller Munde. Ich möchte nicht die Debatte, die wir später dazu führen, vorwegnehmen, sondern nur eines sagen: Dass überhaupt über den Stopp von Abschiebungen diskutiert wird, ist einzig und allein dem couragierten Auftreten von Schülerinnen und Schülern und vielen, vielen Flüchtlingshelferinnen und -helfern zu verdanken. Daher ein ganz, ganz herzlicher Dank an diese couragierten Mitbürgerinnen und Mitbürger.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ingo Gädechens (CDU/CSU): Das ist ein Tagesordnungspunkt später!)
Das hat auch etwas mit der Bundeswehr zu tun.
(Ingo Gädechens (CDU/CSU): Ah! Dann kommen wir zum Thema!)
Denn die Bundeswehr ist von mehreren Skandalen erschüttert worden, die gerade mit dem Thema „Courage und couragiertem Auftreten“ zu tun haben. Es ging um die systematische Erniedrigung von Rekruten, um sexistische Vorfälle und um rechte Umtriebe.
Ich möchte an der Stelle daran erinnern, dass es letztendlich einer aufmerksamen Reinigungskraft am Wiener Flughafen gelungen ist, die Herausbildung eines NSU in der Bundeswehr zu verhindern. Es waren nicht die Bundeswehr selbst oder der MAD, die eine aktive rechte Terrorzelle verhindert haben. Auch das muss hier gesagt werden.
(Henning Otte (CDU/CSU): Die ist auch nicht in Österreich tätig, die Bundeswehr!)
Es gibt ein systematisches Problem mit dem Wegsehen bei der Bundeswehr, und es gibt ein systematisches Problem mit der extremen Rechten. Ich konzentriere mich hier auf die extreme Rechte.
Uns haben Zuschriften von Soldaten erreicht, die aus Einsätzen berichten.
(Henning Otte (CDU/CSU): Können wir die Briefe mal sehen? – Gegenruf des Abg. Ingo Gädechens (CDU/CSU): Bestimmt nicht! Die gibt es ja gar nicht!)
– Die leite ich Ihnen gerne weiter. – Sie schreiben, dass es gang und gäbe war, dass an den Abenden im Einsatz Nazilieder gesungen wurden und Kameraden entsprechende Abzeichen an der Brust hatten.
Diese Soldatinnen und Soldaten zeigen, dass nicht alle in der Bundeswehr so ticken; aber sie sind es, die wir unterstützen müssen.
(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens (CDU/CSU): Das glaubt nicht mal Ihre eigene Fraktion!)
– Ich weiß, dass Sie damit ein Problem haben. Denn Sie erhalten nicht die Zuschriften der Soldatinnen und Soldaten, die tatsächlich kritisch denken, sondern Sie erhalten die Zuschriften der Soldatinnen und Soldaten, die sich beispielsweise durch die Begehung gestört fühlen.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch im Bericht des Wehrbeauftragten ist von Facebook-Einträgen und WhatsApp-Gruppen die Rede, aus denen ganz klar hervorgeht, dass es sowas in der Bundeswehr gibt. Das hat der Wehrbeauftragte eben ja auch noch einmal deutlich aufgezeigt.
Es gibt auch Fälle – das berichtet der Wehrbeauftragte ebenfalls -, die geahndet werden. Ich möchte aber daran erinnern, dass 80 Prozent der Verfahren, in denen es um rechtsextreme Verdachtsfälle geht, eingestellt werden. Das kann nicht angehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Während Sie jetzt nach den aktuellen Vorkommnissen um Franco A. sehr schnell dabei sind, zehntausend Flüchtlinge zu überprüfen, ist es nicht möglich, die rechtsextremen Verdachtsfälle zu überprüfen. Ich finde, das ist ein Skandal.
Wir brauchen eine Aufarbeitung der rechtsextremen Vorfälle. Sie müssen wir aber auch in den Kontext einer Einsatzarmee einordnen. Denn es ist auffällig, dass das Fehlverhalten besonders in den Einheiten vorkommt, die auf Kampf und Einsatz orientiert sind. Auch das ist kein Zufall.
(Henning Otte (CDU/CSU): Das hätten Sie wohl gern!)
Des Weiteren müssen wir den Korpsgeist durchbrechen. Von daher verstehe ich auch nicht, Herr Bartels, dass Sie jetzt die Begehung der Liegenschaften kritisiert haben. Denn ich glaube, es ist das Mindeste, dass man sich ein Bild verschafft, ob und in welcher Form tatsächlich rechtsextreme Devotionalien und andere Wehrmachtsgegenstände in den Liegenschaften vorhanden sind. Deshalb verstehe ich Ihre Kritik an der Stelle nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen einen hundertprozentigen Bruch mit der Wehrmachtstradition. Meine Kritik an Frau von der Leyen geht auch nicht in die Richtung, dass sie das nicht angekündigt hätte. Meine Kritik an ihr lautet, dass sie das jetzt nicht konsequent durchführt. Von daher sage ich noch einmal an der Stelle: Die Wehrmacht hat in den Köpfen und Stuben der Bundeswehrangehörigen nichts zu suchen.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Kritik an der Ministerin bezieht sich an der Stelle auf zwei Punkte. Zum einen gibt es einen neuen Rekord an minderjährigen Rekruten. Herr Bartels hat das angesprochen, es ist aber noch nicht im Wehrbeauftragtenbericht enthalten. Es gab bei der Einstellung minderjähriger Rekruten 2016 eine Steigerung um 25 Prozent. Das ist, finde ich, absolut inakzeptabel. Da ist auch die Bewertung des Wehrbeauftragten zahnlos.
Zum anderen geht es – Herr Grübel hat das eben noch einmal betont – um eine beispiellose Aufrüstung, welche die Ministerin vorangetrieben hat. Von daher können wir nur sagen: Herr Bartels, wenn Sie jetzt noch mehr Tempo einfordern, heißt das mehr Aufrüstung und mehr Auslandseinsätze. Damit werden die Probleme nicht gelöst, sondern verstärkt.
Wir wollen diejenigen in der Bundeswehr stärken, die sich gegen die Missstände auflehnen. Wir wollen diejenigen stärken, die Courage haben. Ich glaube, das ist auch bitter nötig.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)