Mit dem neuen Attraktivitätsgesetz will Ministerin von der Leyen mehr junge Menschen für die Auslandseinsätze der Bundeswehr gewinnen. Sie bietet hohe Lockprämien für Kommandosoldaten, während die zivilen Angestellten der Bundeswehr hinten herunterfallen. Die Linke befürwortet einzelne soziale Verbesserungen für Soldatenfamilien. Doch von der Leyens Gesetz verfolgt eine grundfalsche Ausrichtung.
Christine Buchholz (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Frau von der Leyen in der letzten Woche den Prozess für die Erstellung eines neuen Weißbuches eröffnete, stand eine Ausweitung der Militäreinsätze im Zentrum; denn deutsche Interessen kennen so die Ministerin „keine unverrückbare Grenze, weder geografisch noch qualitativ“. Kaum wahrgenommen wurde der Satz am Ende der Rede, dass das Gesagte für die Bundeswehr eine „zeitgemäße Personalpolitik“ bedeuten würde. Demografische Probleme hat Frau von der Leyen dabei angeführt. Herr Otte wurde eben deutlicher. Human Resource, junge Männer und Frauen sind gefragt. Im Klartext heißt das: Die Bundeswehr braucht im Jahr 60 000 neue Bewerberinnen und Bewerber, um ihr Soll zu erfüllen. Es geht um Rekrutierung, also darum, den Dienst bei der Bundeswehr jungen Männern und Frauen schmackhaft zu machen. Wir sind der Auffassung, dass neben demografischen Faktoren gerade die Auslandseinsätze der Bundeswehr der eigentliche Grund für die Rekrutierungsprobleme sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sagen an dieser Stelle ganz deutlich: Wir wollen nicht, dass junge Männer und Frauen für eine Armee im Einsatz rekrutiert werden. Das heißt, wir teilen das übergeordnete Ziel von Frau von der Leyens Attraktivitätsoffensive nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Uns liegt nun ein Gesetz vor, das einige Aspekte aus Frau von der Leyens Attraktivitätsprogramm regeln soll. Dabei geht es um Arbeitsbedingungen, Vergütung und soziale Absicherung von Soldatinnen und Soldaten. Es wird Sie vielleicht überraschen, aber es gibt einige Aspekte in diesem sogenannten Artikelgesetz, denen wir durchaus zustimmen können; denn sie betreffen eine Angleichung an allgemeine Standards bzw. überfällige soziale Verbesserungen für Soldatinnen und Soldaten. Zu begrüßen sind unserer Meinung nach zum Beispiel Teile des Artikels 2, der das Bundesbesoldungsgesetz ändert. So stellt die Mehrarbeitsvergütung für Soldaten eine überfällige Angleichung an Standards dar, die für alle Beschäftigten gelten.
(Beifall bei der LINKEN)
Ebenso zu begrüßen sind Teile des Artikels 5, der die Änderung des Soldatengesetzes vorsieht. Darin ist unter anderem geregelt, dass die regelmäßige Arbeitszeit der Soldaten im Grundbetrieb auf wöchentlich 41 Stunden reduziert wird. Auch das begrüßen wir selbstverständlich. Wir bedauern aber, dass das nicht für alle Bereiche der Bundeswehr gelten soll.
(Beifall bei der LINKEN)
Würde über die betreffenden Artikel und ihre Bestandteile einzeln abgestimmt werden, würden wir uns dem nicht in den Weg stellen und an dieser Stelle durchaus zustimmen.
Aber über das Artikelgesetz wird als Ganzes abgestimmt. Es gibt andere Aspekte, die wir für falsch halten und die Grund für unsere Ablehnung sind. So drückt sich die Einsatzorientierung unter anderem in den Zulagen aus. Wir sehen nicht ein, dass es Lockprämien und Zulagen für Sondereinsatzsoldaten wie Soldaten des KSK in Höhe von 900 Euro monatlich gibt. Das lehnen wir ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Ja, wir sind für eine gute Rente für alle, aber gegen die Besserbehandlung von gut verdienenden Zeitsoldaten in der Nachversicherung; denn das widerspricht dem Prinzip einer solidarischen Rentenversicherung und ist ungerecht.
(Ingo Gädechens (CDU/CSU): Jetzt reden Sie aber völligen Quatsch!)
Die Nachversicherung führt in bestimmten Fällen dazu, dass die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durchbrochen wird. Ungerecht ist das, weil diese Ausnahme zum Beispiel beim Zusammentreffen der Mütterrente mit der Erwerbstätigkeit künftig nicht gemacht wird. Hier wird also der Anspruch auf die Mütterrente gnadenlos an der Beitragsbemessungsgrenze gekappt. Wir sagen: Die Beitragsbemessungsgrenze soll für alle angehoben werden. Das wäre gut für die Soldatinnen und Soldaten und für alle anderen Beschäftigten auch.
(Beifall bei der LINKEN)
Dieses Artikelgesetz betrifft vor allem die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und nur zu 2 Prozent die Beamten der Bundeswehr und überhaupt nicht die angestellten zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sind 72 000 Menschen, die nicht erfasst werden, trotz teilweise gleicher oder ähnlicher Belastungen.
Unter dem Strich sind wir für die soziale Verbesserung für Soldatinnen und Soldaten und auch andere Beschäftigte der Bundeswehr. Aber wir sind dagegen, dass die Bundeswehr als Einsatzarmee zu einem attraktiven Arbeitgeber gemacht wird, wie es sich letztendlich in diesem Artikelgesetz ausdrückt. Deswegen werden wir heute hier mit Nein stimmen.
(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens (CDU/CSU): Das ist eine Überraschung!)