Gestern hat der Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition und der Grünen der Beteiligung der Bundeswehr an einem Militäreinsatz der europäischen Union in Zentralafrika beschlossen. Nur DIE LINKE stimmte dagegen. Denn der französisch geführte Militäreinsatz der Europäischen Union verfolgt wirtschaftliche Interessen. Er läuft darüber hinaus Gefahr, sich in einen inner-afrikanischen Stellvertreterkrieg zu verstricken. Besser wäre es, die jährlich eingeplanten 12 Millionen Euro für den Bundeswehreinsatz umzuwidmen und in dringende Nothilfemaßnahmen zu stecken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Ich habe hier nicht den Ruf nach Soldaten gehört, sondern den Schrei nach Hilfe.“ So kommentierte Entwicklungshilfeminister Müller seinen Besuch bei Flüchtlingen in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Ich wünschte, Frau von der Leyen, Herr Steinmeier, Herr Strässer, Sie würden Ihren Kollegen Müller ernster nehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie wollen, dass die Bundeswehr eine Militäroperation der EU in Zentralafrika unterstützt. Ich meine, dass dies kein Beitrag zur Beseitigung des Elends leisten wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Die EU-Mission wird unter Führung der französischen Armee laufen. Diese führt bereits seit vier Monaten die Operation Sangaris in Zentralafrika durch. Ziel war die Entwaffnung muslimischer Séléka-Rebellen, die 2013 die Macht ergriffen hatten und Terror verbreiteten. Was hat das französische Eingreifen gebracht? Das Morden geht weiter, nur die Kräfteverhältnisse haben sich umgekehrt. Christliche Anti-Balaka-Milizen gewannen mit dem französischen Eingreifen die Oberhand. Sie machen ihrerseits Jagd auf Muslime. Heute sind fast alle Muslime auf der Flucht; viele wurden umgebracht. Die französische Armee konnte oder wollte das nicht stoppen. Darüber sollten Sie hier reden.
(Beifall bei der LINKEN)
Stattdessen tun Sie so, als könne sich die EU-Mission neutral zwischen alle Fronten stellen und so das Land befrieden.
(Christoph Strässer (SPD): Das tun wir nicht!)
Ich halte das für falsch; denn die Situation ist sehr viel komplizierter:
(Beifall bei der LINKEN)
Zum einen ist die ehemalige Kolonialmacht Frankreich nicht neutral. Sie verfolgt auch dort wirtschaftliche Interessen. Denn so arm die Menschen in Zentralafrika sind, so reich ist das Land an Bodenschätzen: Diamanten, Gold, Uranerz und Holz.
Zum anderen sind auch die in Zentralafrika stationierten Truppen der AU, der Afrikanischen Union, die die europäischen und deutschen Soldaten nach Ihrem Willen unterstützen sollen, nicht neutral. Ein Beispiel: Die Armeen Kongos und Ruandas standen bis vor kurzem selbst noch im Krieg miteinander. Sie kontrollieren unterschiedliche Zonen in Zentralafrika und beäugen sich misstrauisch. Die geplante EU-Mission in Zentralafrika läuft Gefahr, sich in einen innerafrikanischen Stellvertreterkonflikt zu verstricken. Dieses Problem wird auch die geplante UN-Mission im Herbst haben. Warum ignorieren Sie das?
(Beifall bei der LINKEN)
Es wird noch komplizierter. Kamerun führt die AU-Friedensmission an. Doch die Journalistin Simone Schlindwein berichtete im März, dass AU-Soldaten aus Kamerun in Bangui ? Zitat – „Tisch an Tisch Bier mit Anti-Balaka-Führern trinken“. Die Anti-Balaka sind aber genau diejenigen, die die Pogrome gegen Muslime durchführen. Wie wollen Sie Anti-Balaka-Milizen entwaffnen, wenn Teile der verbündeten afrikanischen Truppen mit ihnen gemeinsame Sache machen?
(Christoph Strässer (SPD): Kommen Sie doch mal zu den Menschen in der Zentralafrikanischen Republik, die nichts zu essen kriegen! Mann!)
Kommen wir zu den AU-Friedenstruppen des Tschad. Vor zwei Wochen haben tschadische Truppen von einem Laster aus mit Maschinenpistolen in einen Markt geschossen. Das sagt die UNO. 30 Tote und 300 Verletzte gehen auf das Konto der tschadischen Truppen. Nun zieht sich der Tschad mit seinen 850 Soldaten aus der AU-Mission zurück. Die Bundesregierung und die EU haben aber mit dem Tschad ihre eigene Mission geplant. Was tun Sie jetzt?
Bislang widerspricht sich die Bundesregierung auch, wenn es um das Verhältnis zu den offiziellen Streitkräften der Zentralafrikanischen Republik geht. Das Auswärtige Amt hat auf unsere Anfrage geantwortet, es halte diese für einen „Bestandteil einer möglichen Kooperation“. Die UNO hat Ende März gesagt, diese Streitkräfte seien zu 80 Prozent mit Milizen der Anti-Balaka durchsetzt. Sie handeln nach dem Motto: Wir wissen zwar nicht, mit wem oder gegen wen wir eigentlich diese EU-Mission aufstellen; Hauptsache, die Bundeswehr ist dabei. Ich sage Ihnen: Das hat mit humanitärer Hilfe nichts zu tun.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Lage in Zentralafrika ist nicht erst seit gestern katastrophal. Bereits 2013 baten Hilfsorganisationen in Zentralafrika um Unterstützung. Damals hat die Bundesregierung nicht reagiert.
(Christoph Strässer (SPD): Was hätte sie denn machen sollen? Wie hätte sie denn helfen sollen?)
Nun wollen Sie endlich 10 Millionen Euro an Nothilfe nach Zentralafrika geben. Das ist auch gut. Doch gemessen am geschätzten Bedarf von rund 400 Millionen Euro ist es viel zu wenig.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sagen Ihnen: Verzichten Sie auf den Bundeswehreinsatz, der 12 Millionen Euro kostet. Nehmen Sie dieses Geld besser für die Nothilfe.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN ? Christoph Strässer (SPD): Wer bringt die dahin, Frau Kollegin? Wer macht das denn?)