Muslimische Frauen mit Kopftuch werden auf dem Arbeitsmarkt besonders stark diskriminiert. Sie werden bei der Arbeitssuche um ein Vielfaches häufiger abgelehnt als Frauen ohne sichtbares muslimisches Symbol (1). Dennoch hat die Bundesregierung im Frühjahr ein Gesetz beschlossen, das es ermöglicht, Bundesbeamtinnen das Tragen eines muslimischen Kopftuchs zu untersagen.

Union und SPD verabschiedeten am 22. April im Bundestag mit den Stimmen der AfD ein Gesetz, dass das Erscheinungsbild von Beamtinnen und Beamten regelt. Es verbietet das offene Tragen von Nazi-Symbolen oder Tattoos. Gleichzeitig ermöglicht es, religiöse oder weltanschauliche Symbole zu verbieten (2). In dem Entwurf des Gesetzes heißt es: „Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die weltanschauliche und religiöse Neutralität des Staates kann beeinträchtigt werden, wenn eine Beamtin oder ein Beamter bei der Vornahme von Amtshandlungen in ihrem Erscheinungsbild eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung zum Ausdruck bringt.“

Die Bundesregierung stellt damit religiöse Symbole auf die gleiche Ebene wie Nazi-Symbole. Sie macht sich Vorurteile anderer zu Eigen. Leider haben sich FDP und Grüne nicht gegen das Gesetz gestellt, sondern sich enthalten. DIE LINKE hat das Gesetz abgelehnt.

Diskriminierung bekämpfen, Religionsfreiheit verteidigen

Die Bundesregierung stellt mit dem Gesetz ohne Not die individuelle Religionsfreiheit in Frage, obwohl das Bundesverfassungsgericht 2015 pauschale Kopftuchverbote für Lehrerinnen kassierte und obwohl das Bundesarbeitsgericht 2020 einer muslimischen Klägerin Recht gab, die gegen das Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Berlin geklagt hat. Offenbar gibt die Bundesregierung der AfD nach.

Für DIE LINKE widerspricht die Religionsfreiheit von individuellen Beschäftigten nicht der Neutralität des Staates – anders als das Kreuz an der Wand in bayrischen Behörden. Der öffentliche Dienst muss die Vielfalt der Bevölkerung widerspiegeln. Es ist nicht neutral, religiöse Minderheiten aus dem öffentlichen Dienst auszuschließen.

In der Realität trifft das Gesetz vor allem muslimische Frauen mit Kopftuch. Die Bundesregierung nährt mit dem Gesetz das Vorurteil, erkennbar muslimische Frauen wären nicht in der Lage, die staatliche Neutralität auszuüben. Damit leistet sie Rassismus und Diskriminierung Vorschub (3). Denn Kopftuchverbote stigmatisieren muslimische Frauen. Sie werden aus akademischen, besser bezahlten Berufen des öffentlichen Dienstes ausgegrenzt. Die unterschwellige Botschaft ist: Ihr gehört nicht zu Deutschland.

Die Jura-Studentin Rabia Küçükşahin aus Frankfurt hat eine Petition gegen das Gesetz gestartet, um das Gesetz im Bundesrat am 7. Mai zu stoppen (4). Sie argumentiert: „Das Gesetz würde ermöglichen, Anwärter:innen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft und der Ausdruck dessen durch Bart oder Kopfbedeckung den Zugang zum Beamtenstatus zu verbieten. Eine solche Diskriminierung ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die seit Jahren eine ausgrenzende Politik betreiben.“ (5).

Der Thüringer Minister Benjamin Immanuel Hoff hat im Bundesrat die Bedenken der Linken vorgetragen, dass das Gesetz die Grundlage schaffe, Kopftücher, Kippa und andere religiöse oder weltanschaulicher Symbole für Beamtinnen und Beamte zu verbieten (6). Die Passage mit den Verboten religiöser Symbole hätte im Bundesrat aus dem Gesetz rausgenommen werden können, wenn die Länder mit Regierungsbeteiligung der Grünen den Vermittlungsausschuss angerufen hätten. Die Petition läuft jetzt weiter und richtet sich an die Spitzenkandidat*innen zur Bundestagswahl. Innerhalb von zwei Monaten haben bereits mehr als 200.000 Menschen unterschrieben.

Gegen Rassismus und für Selbstbestimmung

Rassismus und Unterdrückung dienen immer der Spaltung und Ablenkung der lohnabhängigen Menschen. Wenn wir gemeinsam für niedrige Mieten oder höhere Löhne kämpfen, brauchen wir die größtmögliche Einheit.

DIE LINKE kämpft gegen jede Form von Rassismus und Unterdrückung, auch gegen Unterdrückung religiöser Minderheiten: „Das Menschenrecht auf freie Religionsausübung schließt das Recht auf öffentliches Bekenntnis zu einer Religion ein. DIE LINKE spricht sich gegen Verbote von religiös motivierter Bekleidung aus und lehnt eine Einschränkung von Beschäftigtenrechten auf dieser Grundlage ab.“ (7).

DIE LINKE stellt die Selbstbestimmung der Frauen in den Mittelpunkt: „Frauen müssen Zugang zu gesellschaftlichen Positionen haben, ohne dass ihnen Lebensformen aufgedrängt werden. Sowohl das Verbot von Kopftüchern wie der Zwang dazu wären eine Einschränkung der Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen. Es gilt, Frauen in ihrer persönlichen Entscheidung, wie sich kleiden, nicht zu bevormunden und keinen Druck auf sie auszuüben (8) – weder in die eine noch die andere Richtung.“ Wir fordern, die Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen aktiv zu bekämpfen. Der Staat als öffentlicher Arbeitgeber sollte hier mit positivem Beispiel vorangehen.

 

(1) Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Linksfraktion „Antimuslimischer Rassismus und Diskriminierung von Muslimen“, BT-Drs.19/17069, S. 21. Die Bundesregierung bezieht sich u. a. auf den Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2017.
(2) Eine gute Stellungnahme und Zusammenfassung zum Gesetz findet sich beim Aktionsbündnis muslimischer Frauen: https://muslimische-frauen.de/ 2021/04/23/ bundesgesetz-erscheinungsbilds-von-beamt-innen/
(3) https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen /detail/kopftuchverbot-im-gesetz-zumerscheinungsbild-von-beamtinnen-und-beamten-ist-einfatales-signal/
(4) https://www.hessenschau.de/gesellschaft/frankfurterstudentin-gegen-kopftuchverbot-religioese-symbolewerden-verfassungsfeindlichen-abzeichengleichgestellt,petition-kopftuchverbot-100.html
(5) https://www.change.org/p/bundesweiteskopftuchverbot-stoppen
(6) Die Rede des Thüringer linken Ministers Benjamin Immanuel Hoff im Bundesrat am 7.5.21:
https://www.bundesrat.de/DE/service/mediathek/mediath ek-node.html?cms_id=2015039
(7) Siehe Bundestagswahlprogramm DIE LINKE 2021
(8) Ebenfalls Bundestagswahlprogramm DIE LINKE 2021