Heute wurde der Wehrbeauftragten-Bericht 2019 im Bundestag debattiert. Eine zentrale Aufgabe der oder des Wehrbeauftragten ist es, eine Anlaufstelle für Soldatinnen und Soldaten bei Problemen zu sein.
Der alte Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels hat immer wieder die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr in Zentrum gestellt, einen höheren Rüstungshaushalt und zuletzt sogar die Beschaffung von Kampfdrohnen gefordert. In meiner Rede habe ich meine Erwartungen an die neue Wehrbeauftragte Eva Högl formuliert: Es sind die sozialen Probleme, die Wahrung der Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten sowie der Kampf gegen rechte Netzwerke, die in den Mittelpunkt des nächsten Berichtes gerückt werden müssen.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Frau Wehrbeauftragte! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wehrbeauftragten! Meine Damen und Herren!

Ich finde, es ist schon peinlich, dass die FDP hier die Debatte um den Jahresbericht des Wehrbeauftragten nutzt, um eine große Rede sowohl für die Aufrüstung als auch für die nukleare Teilhabe zu halten.

Bitte lassen Sie solche Wahlkampfreden hier sein!

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Wir reden von Ausrüstung, nicht von Aufrüstung!)

Die Belastung der Bundeswehr wächst weiter; so heißt es im Jahresbericht 2019, den der alte Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels verantwortet. Das ist kein Wunder. In diesem Jahr hat die Mehrheit der Abgeordneten bereits mehrere Auslandseinsätze der Bundeswehr verlängert – zwei allein diese Woche –, andere wurden ausgeweitet, beispielsweise der in Mali und der Sahelzone.

Es sind die Soldatinnen und Soldaten und ihre Familien, auf deren Rücken die Ausweitung der Auslandseinsätze ausgetragen wird. Die Stehzeit im Einsatz wurde von vier auf sechs Monate verlängert, und das, obwohl das die Belastung der Familien massiv verschärft und obwohl der Zusammenhang zwischen längerer Stehzeit und Alkoholabhängigkeit sowie psychischen Erkrankungen erwiesen ist.

Die Gesamtzahl der psychisch erkrankten Soldatinnen und Soldaten steigt kontinuierlich. 2019 sind laut Bericht schon 982 Soldatinnen und Soldaten betroffen. Die Dunkelziffer liegt sehr viel höher. Die Linke fordert die Bundesregierung auf: Ziehen Sie endlich die notwendige Konsequenz! Beenden Sie die Auslandseinsätze!

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die meldepflichtigen Ereignisse im Zusammenhang mit Rechtsextremismus befinden sich erneut auf einem Höchststand, darunter das Zeigen des Hitlergrußes, Sieg-Heil-Rufe, rassistische und antisemitische Äußerungen und Schmierereien, Nazidevotionalien. Ein Unteroffizier sagte: „Alle Juden müssten vergast werden.“

Er fragte einen Kameraden, ob man in der Neustadt noch „Schwarze jage“. Ein Gefreiter bewahrt in einem Spind unter anderem eine Fotografie einer Person in SS-Uniform und einen Nachbau der Wehrmachtsmaschinenpistole MP 40 auf.

Meine Damen und Herren, weltweit stellen sich derzeit Millionen Menschen gegen Rassismus in den Sicherheitsdiensten und gegen rassistisches und faschistisches Gedankengut.

(Enrico Komning [AfD]: Und plündern Geschäfte!)

In der Bundeswehr wie in der Gesellschaft müssen Rassismus und Faschismus klar benannt und bekämpft werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn wie gefährlich die Lage ist, hat nicht erst der Waffenfund beim KSK-Soldaten Philipp S. gezeigt. Fahnder fanden neben nationalsozialistischen Devotionalien unter anderem ein Sturmgewehr, mehrere Tausend Schuss Pistolen- und Gewehrmunition, Sprengstoff und Zünder. Wie groß muss der Druck im Kessel sein, wenn der KSK-Kommandeur im Mai einen Brandbrief an seine eigene Truppe schreibt und alle KSKler, die mit dem rechten Spektrum sympathisieren, auffordert, das KSK und die Bundeswehr zu verlassen? Er warnt – Zitat –: „Tun Sie es nicht,“ – also das KSK zu verlassen – „werden Sie feststellen, dass wir Sie finden und entfernen werden!“

Wie groß muss der Druck sein, wenn ein KSKHauptmann Anfang Juni an die Ministerin über „Kadavergehorsam“ im KSK schreibt und über langgeübte Toleranz gegenüber rechten Umtrieben aus Angst vor Repressalien?

(Abg. Dr. Marcus Faber [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Buchholz, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der FDP-Fraktion?

Christine Buchholz (DIE LINKE): Ja.

Dr. Marcus Faber (FDP): Frau Kollegin Buchholz, erst mal vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich habe Ihnen jetzt aufmerksam zugehört, und ich habe auch nach zwei, drei Minuten den Eindruck, wenn Sie über die Bundeswehr und die Soldatinnen und Soldaten sprechen, dass Sie eigentlich ausschließlich über Menschen sprechen, die Sie für Rechtsextreme mit einem Alkoholproblem halten.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Da haben Sie nicht zugehört! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Zuhören muss man schon können!)

Möchten Sie diesen Eindruck von den 180 000 Soldatinnen und Soldaten vielleicht korrigieren, (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ist gar nicht entstanden! Da gibt es nichts zu korrigieren!) oder möchten Sie den aufrechterhalten? Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Christine Buchholz (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Kollege Faber, Sie haben sich genau den richtigen Zeitpunkt in der Rede ausgesucht. Ich wollte nämlich gerade deutlich machen: Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Soldatinnen und Soldaten jetzt das Wort ergreifen und tatsächlich die Missstände ans Tageslicht bringen, und das sage ich aus voller Überzeugung.

(Beifall bei der LINKEN)

Dennoch: Der Wehrbeauftragtenbericht erweckt hingegen den Eindruck, als hätte man das Problem KSK im Griff, und das muss sich der alte Wehrbeauftragte, denke ich, auch sagen lassen. Er verweist vor allen Dingen auf den MAD. Und heute lesen wir nun in der Zeitung über ein skandalöses Leck im MAD. Denn ein Mitarbeiter soll Dienstgeheimnisse gerade in diesem Fall an einen KSK-Soldaten weitergegeben haben. Wir erwarten von der neuen Wehrbeauftragten, dass sie das Problem anpackt und nicht weiter beschwichtigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Die Linke sagt aber auch ganz klar: Eine Geheimtruppe wie das KSK steht im Widerspruch zu Transparenz und parlamentarischer Kontrolle, und sie bietet auch einen Nährboden für rechtes Gedankengut. Wir fordern als Konsequenz aus den Vorfällen: Lösen Sie das KSK auf, und zwar ersatzlos!

(Beifall bei der LINKEN – Thomas Ehrhorn [AfD]: Darauf habe ich gewartet! Die Polizei dann am besten gleich mit!)

Ich möchte gerne weitere wichtige Punkte ansprechen. Die Zahl der gemeldeten Fälle sexueller Belästigung und Übergriffe stieg 2019 auf 345.

(Thomas Ehrhorn [AfD]: Unfassbar!)

Das ist inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Und schon wieder müssen wir über Fälle von überzogener Härte in der Ausbildung lesen. Erinnern wir uns an die jungen Soldaten, die vor fast drei Jahren beim Übungsmarsch in sengender Hitze in Munster kollabierten. Einer von ihnen starb, weitere sind für ihr Leben gezeichnet. Im letzten Jahr mussten 81 Rekrutinnen und Rekruten bei hochsommerlichen Temperaturen in voller Wintermontur eine Strecke mit Liegestützen und Laufanteilen absolvieren. 16 von ihnen meldeten sich wegen Dehydrierung beim Arzt, zwei mussten ins Krankenhaus.

Wir finden das unerträglich. Mit solchen Ausbildungspraktiken muss aufgehört werden!

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Eine zentrale Aufgabe der oder des Wehrbeauftragten ist es, eine Ombudsinstitution für Soldatinnen und Soldaten zu sein. Der alte Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels hat immer wieder die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ins Zentrum gestellt, einen höheren Rüstungshaushalt gefordert – was ja die FDP ganz besonders gut findet; aber da ist sie nicht allein – und zuletzt sogar noch die Beschaffung von Kampfdrohnen gefordert.

Frau Högl, ich bitte Sie: Rücken Sie die sozialen Probleme, die Wahrung der Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten und den Kampf gegen rechte Netzwerke in den Mittelpunkt des nächsten Berichtes! Es ist eine Menge zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)