DIE LINKE hat sich als pluralistische Partei aus verschiedenen linken Strömungen 2007 konstituiert. Ein wesentliches Element der neuen LINKEN war und ist eine Position gegen Krieg und Militarismus. Konkret wird dies z.B. in der Ablehnung von öffentlichen Gelöbnissen, internationalen Einsätzen und Aufrüstung. Damit wurde eine kritische Positionierung zur Bundeswehr an sich entwickelt, die wir verteidigen möchten.
Denn es gibt den Versuch, diese Positionierung zu verändern. Benjamin Hoff, Minister in der thüringischen Landesregierung, hat im letzten November am öffentlichen Gelöbnis in Oberhof teilgenommen und dabei laut eigener Darstellung „gemeinsam mit Brigadegeneral Gunnar Brügner die Front abgeschritten“. In der darauffolgenden Rede zitierte Genosse Hoff zustimmend die frühere Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen – unter anderem deren Auffassung, wonach die Bundeswehr heute den Auftrag habe, „zur Abschreckung und Bündnisverteidigung ebenso wie zum internationalen Krisenmanagement gleichermaßen wirkungsvoll beizutragen“.
Ergänzend dazu kritisiert Benjamin Hoff in seinem Beitrag zur Strategiedebatte der LINKEN, sie würde „hinsichtlich neuerer hybrider Bedrohungen oder der NATO“ über keine „hinreichend klare Analyse“ verfügen, sondern lediglich „Beschlussformeln vorgetragen“. Er fordert neue Schlussfolgerungen, die geeignet sind, „eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen zu Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik für den Fall einer potenziellen Koalition im Bund zu ermöglichen statt zu ihrem Sargnagel zu werden.“
Wir denken, die Teilnahme an militaristischen Spektakeln wie öffentlichen Gelöbnissen mag der Linken in den Augen einiger führender Militärs sowie bei möglichen Koalitionspartnern „Respektabilität“ verschaffen. Dies kann jedoch nicht das Ziel linker Politik sein.
Vielmehr sollten wir in Zeiten des internationalen Rüstungswettlaufes dem Anpassungsdruck widerstehen, der sowohl die Friedensbewegung als auch DIE LINKE schwächen würde.
Dazu gehören drei wesentliche Punkte.
1. Wir richten uns weiterhin prinzipiell gegen alle Auslandseinsätze der Bundeswehr, ganz gleich unter welchem Mandat.
Seit 1990 wird die Bundeswehr zu einer sogenannten Armee im Einsatz umgebaut. Hintergrund war der Versuch der herrschenden Klasse, nach der Wiedervereinigung die politische Macht Deutschlands auf Höhe der wirtschaftlichen Macht bringen. „Politische Macht“ ist in dieser Logik immer verbunden mit der Fähigkeit, die eigenen Streitkräfte international einsetzen zu können.
Schnell wurde deutlich, dass die inneren Widerstände gegen diese Ausrichtung erheblich waren. Deshalb gingen die Herrschenden zu einer Salamitaktik über. „Schritt für Schritt“ so formulierte es der damalige Verteidigungsminister Rühe, sollte die Bevölkerung an den Einsatz im Ausland gewöhnt werden. Es folgten niederschwellige Einsätze in Somalia oder im Balkan, um durch einen vermeintlich „humanitären“ Charakter die Öffentlichkeit über die eigentliche Motivation hinwegzutäuschen.
Mit Erfolg: Die Grünen und die SPD haben nur allzu bereitwillig die Lügen geglaubt und sind seitdem an der Spitze derjenigen zu finden, die bei jeder internationalen Krise die Entsendung von Militär als vermeintlichen Wohltäter befürworten. Und so war es schließlich auch die erste rot-grüne Bundesregierung unter dem ehemaligen Sponti Fischer und dem ehemaligen Jungsozialisten Schröder, um die Bundeswehr in die ersten Kampfeinsätze zu verwickeln (Jugoslawien 1999, Afghanistan seit 2001).
DIE LINKE ist auch im Widerspruch zu dieser Kapitulation vor dem Militarismus entstanden. Wir befürworten die internationale Solidarität mit dem Widerstand von unten in den Krisenländern. Es waren Massenbewegungen, die in Jugoslawien Milosevic und im Sudan den Diktator Bashir gestürzt haben. Die von außen hineingetragenen Militärinterventionen führen demgegenüber zu nichts als Bombardierungen aus der Luft mit ungezählten Toten (Jugoslawien, Afghanistan, Syrien, Irak), der Einsetzung neuer korrupter Regime (Afghanistan, Irak) oder der indirekten Unterstützung einst als Verbrecher gegeißelten Milizen wie der Dschandschawid im Sudan (heute „Rapid Support Forces“).
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Einsätze unter der Fahne der UN wie in Mali und Sudan, unter der Fahne der Nato wie in Afghanistan oder der Fahne einer „Koalition der Willigen“ wie im Irak / Syrien laufen.
Die aktuelle Eskalation zwischen den USA und dem Iran ist nicht nur brandgefährlich. Die Drohung mit militärischer Intervention drängt zivile Protest- und Oppositionsbewegungen im Iran und Irak in die Defensive und stärkt die Machthaber vor Ort.
Wenn Benjamin Hoff meint, dass die Bundeswehr heute den Auftrag habe, „zum internationalen Krisenmanagement wirkungsvoll beizutragen“, dann vergisst er hinzuzufügen: Dies ist die Terminologie, mit der Politikerinnen wie Von der Leyen oder Kramp-Karrenbauer die eigenen, imperialistischen Motivationen verschleiern.
2. Wir richten uns prinzipiell gegen die Aufrüstung der Bundeswehr.
Seit 2014 befindet sich die Nato, und damit auch Deutschland, wieder in einem Konflikt mit Russland. Seitdem wurde die „Bündnisverteidigung“, die wie selbstverständlich mit der Landesverteidigung gleichgesetzt wird, neben Auslandseinsätzen als zweite Priorität gesetzt. Folge ist eine schier maßlose Rüstungsspirale, an der sich Deutschland beteiligt. Zu den jüngsten Aufrüstungsvorhaben gehören die Beteiligung am Raketenschirm in Osteuropa, der Aufbau einer superschnellen Eingreiftruppe der Nato, die Aufkündigung des INF-Vertrages, sowie die Entwicklung eines „Mehrzweckkampfschiffes“, einer neuen europäischen Kampfdrohne, eines europäischen Luftverteidigungssystems, eines Tornado-Nachfolgers, einer neuen Generation von Kampfpanzern.
In den Medien wird die Bundesregierung dafür kritisiert, dass sie nicht ernsthaft das „2-Prozent-Ziel“ verfolge, zu dem sie sich 2014 verpflichtet habe. „2 Prozent vom Bruttosozialprodukt (BSP)“ klingt harmlos. Tatsächlich verfügt der Staat aber nicht über das BSP, sondern über den Staatshaushalt. 2 % vom BSP läuft grob gesagt auf eine Verdopplung des Militärhaushalts von 2014 hinaus – insofern handelt es sich um ein „200-Prozent-Ziel“.
Doch die Ideologen des Militarismus, aber leider auch SPD und Grüne, verschleiern dies. Die Bundeswehr sei „systematisch kaputtgespart“ worden. Das Gegenteil ist der Fall: kein anderer Haushalt ist so rasant gestiegen wie der des Verteidigungsministeriums – in den letzten fünf Jahren allein um deutlich über 10 Milliarden Euro. Doch die irrwitzige Ausdehnung der imperialen Ambitionen der deutschen herrschenden Klasse ist ein Fass ohne Boden.
DIE LINKE muss sich diesem Ansinnen ohne Wenn und Aber in den Weg stellen. Dabei unterscheiden wir nicht zwischen lethalen und nicht-lethalen Gütern. Kein Schwert ist wirksam ohne Schild, keine Rakete wirksam ohne Computer, keine Artillerie wirksam ohne Transporter. Hier gilt es, gegen den Strom die Stellung zu halten, auch wenn uns deshalb die Medien Mangel an „Realpolitik“ vorwerfen.
3.Wir richten uns prinzipiell gegen die Militarisierung der Gesellschaft.
Von der Leyen, Kramp-Karrenbauer und andere hatten und haben seit je her ein Problem: die tiefsitzende Ablehnung alles Militärischen in der Bevölkerung seit der Niederlage im zweiten Weltkrieg. Folge: Der Bundeswehr fehlen die Leute. Die Bundeswehr reagiert mit Werbekampagnen (Plakate, Webserien) und stellt dafür jährlich über 30 Millionen Euro Steuergelder zur Verfügung.
Junge Menschen sollen ihre Scheu überwinden und sich bei der Bundeswehr bewerben. Dies bringt nicht nur mehr Personal, es geht es auch um ideologische Momente. Seit Jahren gibt eine Verschiebung dessen, was gesagt wird. Mittlerweile hält es die Bundeswehr für angemessen, mit der im Dunkeln agierenden und von rechtsextremen Vorfällen bekanntgewordenen Geheimtruppe KSK auf Werbung zu gehen. Seit einigen Jahren lockt der „Tag der Bundeswehr“ Familien mitsamt Kindern an Waffen und Militärgeräte. Schließlich schwören Soldatinnen und Soldaten mit Fackeln und Stahlhelm Deutschland die Treue.
Diese Entwicklung ist gefährlich. Die Militarisierung einer Gesellschaft nützt einzig und allein all jenen politischen Kräften, die rechts stehen. Linke marschieren keine Gelöbnisfront ab, sondern unterstützen den Protest dagegen.
Das heißt nicht, dass wir den einzelnen Soldaten oder die einzelne Soldatin für den Militarismus verantwortlich machen. Die Bundeswehr ist eine Klassenarmee. Je mehr die politische Führung Auslandseinsätze verlangt, desto mehr müssen die Einzelnen leiden. Soldatinnen und Soldaten und ihre Angehörigen selbst sind Opfer des Systems Bundeswehr. Wir setzen uns für die sozialen Belange derjenigen ein, die weiter unten in der Hierarchie stehen.
Unsere Erfahrungen zeigen: Wenn diese Widersprüche zu unerträglich für die oder den einzelnen werden, können Soldatinnen und Soldaten durchaus ansprechbar für DIE LINKE sein.
Diese drei Grundprinzipien – das Nein zu Auslandseinsätzen jeder Art, das Nein zur Aufrüstung jeder Art und das Nein zur Militarisierung jeder Art sind die Voraussetzung für das Erreichen unserer Ziele. Deshalb müssen diese Positionen Haltelinien bleiben. Ein Abrücken von friedenspolitischen Positionen mag Koalitionsregierungen im Bund ermöglichen, für DIE LINKE als Friedenspartei wäre dies – um in Benjamin Hoffs Bild zu bleiben – der Sargnagel.
Beitrag von Christine Buchholz und Tobias Pflüger zur Strategiedebatte der LINKEN