Liebe Freundinnen und Freunde,
ein herzliches Willkommen auch von mir.
- als am letzten Sonntag durch Chemnitz‘ Straßen der Mob Menschen, die sie für Migranten, für Geflüchtete, für Muslime gehalten haben, gejagt haben …
- als AfD-Politiker das verharmlost haben und Markus Frohnmaier twitterte: „Heute ist es Bürgerpflicht, die todbringende Messermigration zu stoppen“…
- als dann auch noch der Fraktionsvorsitzende Gauland Verständnis zeigte, dass man nach solchen Tötungsdelikten wie in Chemnitz geschehen, nun mal ausrasten würde…
- als sich dann die AfD-Führung halbherzig davon distanzierte und gleichzeitig zahlreiche Funktionsträgerinnen und –träger der AfD auf Social Media stolz ihre Teilnahme an diesen rassistischen Mobilisierungen zeigten…
- und als dann auch noch Politik und Medienmacher Verständnis für die Wut und den Frust der besorgten Bürger zeigten…
Ich glaube, allerspätestens da ist vielen von uns klar geworden: Es gibt ein massives Problem mit Nazis, es gibt ein massives Problem mit der AfD, und es gibt ein massives Problem mit Rassismus in Deutschland.
Die AfD spielt nicht die einzige Rolle, aber sie spielt eine Schlüsselrolle. Denn sie ist zu einem Sammelpunkt geworden, weil sie mit ihrer parlamentarischen und ihrer medialen Präsens Legitimation und Öffentlichkeit schafft für diese Positionen, die es ja vorher auch schon gab. Und die Mobilisierung, davon müssen wir ausgehen, wird weiter gehen.
Die Hetzjagd, ja die Übermacht, die die Rechten demonstriert haben, hat sie gewissermaßen in einen Rausch versetzt. Ich glaube, wir müssen davon ausgehen, dass es die nächsten Tage und Wochen weiter gehen wird.
Ich habe ein Zitat gefunden von Götz Kubitschek. Er ist Mitbegründer des Instituts für Staatspolitik und Geschäftsführer des neurechten Antaios-Verlages. Er zitiert Martin Kohlmann von der rassistischen Partei Pro Chemnitz: „Die Demo war die größte in Chemnitz seit 1989. Wir hoffen, dass jetzt genau die Stunde schlägt, die historische Umbruchstimmung einsetzt. Diese kann nur von Sachsen ausgehen. Wir wollen, dass das Thema der Asylbewerberkriminalität wahr- und ernstgenommen wird. Wir wollen, dass die Bürger ihr Recht auf Mitsprache einfordern. Alle merken, dass das Schlaraffenland dem Ende zugeht. Jetzt geht es um die Töpfe. Es geht um das Fremde und das Eigene. Wir wollen die Deutschen dazu ermuntern, das Eigene zu verteidigen, solange es noch möglich ist.“
Das zeigt zuerst, dass die Nazis und auch die AfD die Tötung von Daniel H. in Chemnitz ausnutzen. Sie instrumentalisieren den Fall für einen Plan, den sie schon längst in der Tasche hatten, für eine Praxis, die sie schon längst betreiben. Es zeigt sich, dass die AfD und die extreme Rechte vorsätzlich zuspitzen auf die Fragen um Migration, Asyl und Islam. Sie schwören ihre Anhängerschaft ein auf einen rassistischen, völkischen Überlebenskampf. Auch Björn Höcke hat das ausgedrückt. Er sagte: „Die AfD ist die letzte friedliche Chance für unser Vaterland“. So sind seine Worte. Das ist eine implizite Drohung mit Gewalt.
Die Rechten greifen zurück auf rassistische Muster und Stereotypen, die in dieser Gesellschaft schon seit Langem verbreitet werden. Die Debatte hat sich verschoben. Schauen wir uns die Thesen an, die ein Thilo Sarrazin verbreitet, der gerade aktuell ein Buch herausgebracht hat. Sarrazin spricht von „feindlicher Übernahme“; davon, dass der Islam die Ursache allen Übels sei. Schauen wir uns an, was ein Seehofer verbreitet. Kurz nach seiner Ernennung zum Innenminister sagte er in die Kameras: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Der eine Politik der Flüchtlingsabwehr betreibt, die geradezu suggeriert, dass das Hauptproblem für die Bevölkerung in Deutschland Geflüchtete seien.
Das ist die Politik aus der so genannten „Mitte“ der Gesellschaft, die zu einer Diskursverschiebung geführt hat. Diese Diskursverschiebung hat zu einer Veränderung der Stimmung in der Bevölkerung geführt. Es gibt viele, viele Zahlen. Ich will nur ein paar nennen. Inzwischen sind 57 % der Menschen in Deutschland der Meinung, dass der Islam sehr bedrohlich sei. Weitere 40 % wollen muslimische Zuwanderung untersagen.
Diese Stimmung hat auch sehr praktische Konsequenzen. Beispielsweise, dass wir 2017 in Deutschland pro Tag fünf gewaltsame Übergriffe auf Geflüchtete hatten. Ein Tag nach den pogromartigen Hetzjagden in Chemnitz gab es auch gleich einen Übergriff auf einen jungen Syrer in Wismar.
Diese Stimmen aus der vermeintlichen „Mitte“ verstärken den Rassismus in der Gesellschaft und führen letztendlich dazu, dass Einzelne den Worten Taten folgen lassen.
Und deswegen sagen wir: Wir kämpfen gegen Rassismus. Wir stehen ohne Wenn und Aber an der Seite von Opfern rassistischer Gewalt.
Wir sind überzeugt: Wer der AfD und der rechten Szene den Boden entziehen möchte, der darf zu dem alltäglichen Rassismus nicht schweigen. Das gilt in Chemnitz, aber nicht nur dort. Das gilt überall.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir überall, wo wir sind, Strukturen und Bündnisse aufbauen und stärken. Es hängt immer vom Widerstand in der Gesellschaft ab, ob sich die Rechten breitmachen können, ob sie Unterstützung in der breiteren Bevölkerung bekommen. Es hat sich immer wieder in der Geschichte gezeigt: In dem Moment, da es breite und entschlossene Bewegung gab, gegen Rassismus, gegen Nazis, konnten sie auch zurückgedrängt werden. Und wo das unterblieben ist, da wurden sie nicht zurückgedrängt. Der Weg des Protestes, des Widerstands ist der richtige Weg – und nicht jener der Anpassung oder des Wegschweigens von Rassismus.
Wir brauchen einen langen Atem. Wir müssen den Widerstand geduldig aufbauen. Ich finde es wichtig, dass wir uns nicht entmutigen lassen – auch nicht von den Ereignissen und diesen Kräfteverhältnissen, wie wir sie in Chemnitz gesehen haben. Uns muss klar sein, dass das, was in Chemnitz passiert ist, kein spontaner Ausbruch war. Es ist das Produkt einer jahrelangen Arbeit des gesamten rechtsextremen Spektrums, der NPD, der Neonazis, der AfD.
Aber es gibt auf der Gegenseite viele, viele Menschen, so wie „Aufstehen gegen Rassismus“. Heute werden in Chemnitz hoffentlich viele Menschen gegen die rechte Gewalt demonstrieren. Auch unsere Freundinnen und Freunde von „Aufstehen gegen Rassismus“ in Chemnitz werden da an vorderster Front mit dabei sein. Am Montag wird es ein großes Konzert mit den Toten Hosen und anderen geben unter dem Motto #wirsindmehr. Das ist so wichtig. Es macht deutlich, dass die Mehrheit weiterhin diese rechte Gewalt und diesen Rassismus ächtet.
Hunderttausende sind im Sommer auf die Straße gegangen, um gegen die AfD zu demonstrieren. Ob das jetzt in Berlin, in Augsburg oder in Kandel war, gegen die jeweilige rechte Mobilisierung. Hundertausende sind gegen Seehofer, für eine „Seebrücke“ und eine humane Flüchtlingspolitik auf die Straße gegangen. Und wir werden jetzt auch im Herbst, sowohl die antirassistische Parade „We’ll come united“ in Hamburg haben, als auch die große Demonstration unter dem Motto #unteilbar in Berlin.
Hier knüpfen wir an. Wir wollen Aufstehen gegen Rassismus weiter aufbauen, weiter stärken, weiter verbreitern. Das versuchen wir über diese Konferenz. Wir versuchen, in jedem Ort, den wir erreichen können, sichtbar zu werden. Wir sind sehr stolz, dass wir es geschafft haben, in diesen zweieinhalb Jahren, wo es uns gibt, tatsächlich eine Präsenz zu bekommen und Ansprechpartner geworden zu sein. Es gibt, glaube ich, keine Großmobilisierung mehr gegen die AfD, wo Aufstehen gegen Rassismus nicht beteiligt, anwesend und sichtbar ist. Diese Konferenz soll dazu beitragen, dass wir uns zusammensetzen, Erfahrungen mitbringen und uns über die vielen Aktivitäten, über die Stammtischkämpferinnen-Ausbildungen, über die vielen Mobilisierungen austauschen. Um wieder herauszugehen, unsere Gruppen weiter aufzubauen, die nächste Herausforderungen anzunehmen.
In diesem Sinne: Ganz, ganz herzlich willkommen! Ich freue mich auf ein spannendes, ein produktives Wochenende mit euch allen.
No pasarán! Wir werden sie nicht durchlassen!
Wir werden nicht zulassen, dass der Mob, der sich da in Chemnitz gezeigt hat und Geflüchtete durch die Straßen hetzt, dass der das gesellschaftliche Klima bestimmt. Wir stehen gemeinsam auf gegen Rassismus.