25.3.2016
Rede auf dem Ostermarsch in Wedel/Schleswig-Holstein 26.3.2016
– Es gilt das gesprochene Wort –
„Wir haben ein Flüchtlingsproblem“ – so hört man es aus den Mündern von Politikern, liest es in Zeitungen und hört es im Radio. Die Rassisten von der AfD brauchten selbst kaum den Wahlkampf zu organisieren: die mit rassistischen Untertönen durchsetzte Berichterstattung und die Politik der Bundesregierung und der EU erledigten das für sie.
Der bewegende Bericht der beiden Syrischen Schülerinnen hat deutlich gemacht:
Wir haben keine Flüchtlingskrise, wir haben eine Krise der sozialen Gerechtigkeit!
Wir brauchen soziale Gerechtigkeit für alle.
Mangel an Lehrerinnen und Lehrern und Mangel ist das Ergebnis langjähriger Kürzungsrunden. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist nicht neu, sondern Folge der Privatisierungspolitik auf dem Wohnungsmarkt
Hauptursache für die große Fluchtbewegung nach Europa des letzten Jahres sind Kriege – vor allem jene in Afghanistan, Irak und Syrien.
Hinzukommen jene Menschen, die wie schon seit Jahren vor dem Elend und der Perspektivlosigkeit in vielen afrikanischen Ländern fliehen.
Wer etwas gegen die Fluchtursachen tun will, der müsste zu allererst etwas gegen diese Kriege und dieses Elend tun.
Doch die deutsche Politik hat diese Kriege mit erzeugt oder mit verschärft.
Da sind die Waffenexporte.
Deutsche Firmen gehören zur Weltspitze.
Damit das so bleibt, erteilt die Bundesregierung großzügig Rüstungsexportgenehmigungen. Daran hat sich auch unter Sozialdemokrat Gabriel nichts wesentlich verändert.
Beispiele für die Rüstungsexportpraxis sind die Genehmigung einer Lieferung von 16 bewaffneten Patrouillenbooten nach Saudi-Arabien im letzten Jahr.
Obwohl eine saudisch geführte Kriegskoalition zu der Zeit den Jemen bombardierte und Häfen blockierte – was die Anlieferung von Hilfsgütern erschwert oder ganz unmöglich macht.
Auf meine Frage, ob die Boote an dieser Blockade mitwirken können, antwortete die Bundesregierung, dazu lägen keinerlei Erkenntnisse vor.
Aus den Augen aus dem Sinn.
Gegen soviel Ignoranz hilft nur ein klares Nein zu dem Geschäft mit dem Tod!
DIE LINKE fordert die Grenzen für Menschen zu öffnen und für Waffen zu schließen!
Rüstungsexporte folgen aber nicht nur einer ökonomischen Logik.
Kanzlerin Merkel hat wiederholt Saudi-Arabien als einen „Stabilitätsanker“ gekennzeichnet.
Saudi Arabien unterdrückt nicht nur brutal jegliche Opposition im eigenen Land.
Das saudische Königshaus unterstützte auch die Herrscher im benachbarten Bahrein bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung und das ägyptische Militärregime unter General al Sisi, dass Oppositionelle brutal unterdrückt.
Es ist auch diese Heuchelei des Westens, die es der Propaganda von Al Kaida und IS leicht macht, sich als Bollwerk gegen den Westen darzustellen.
Die Rüstungsexporte sind nur der greifbarste Ausdruck einer Politik, die dazu führt, dass Menschen aus dem Mittleren Osten fliehen. Mittlerweile beteiligt sich Deutschland selbst aktiv an diesem Krieg.
Begonnen hat es damit, dass erst Waffen und dann Militärausbilder an die Peschmerga im Nord-Irak geschickt worden sind.
Dies wurde 2014 mit den fürchterlichen Angriffen der IS gegen Jesiden in Sindschar (Irak) begründet.
Fakt ist: es waren nicht die Peschmerga, sondern PKK-Verbündete, die als einzige im August 2014 Jesiden aus dem Sindschar-Gebirge gerettet haben.
Die kurdische Regionalregierung im Irak hat die Jesiden selbst immer diskriminiert.
Die PKK wird demgegenüber in Deutschland immer noch als „Terrororganisation“ eingestuft. Ihre syrischen Verbündeten, die PYD, dürfen nicht an den Friedensverhandlungen in Genf teilnehmen.
Die deutschen Waffen und Ausbilder haben eine Aufgabe: Sie stützen die Herrschaft Präsident Barsanis. Der regiert mittlerweile ohne Parlament als Autokrat.
Die Bundesregierung instrumentalisiert sowohl das Leid der Jesiden für Waffenlieferungen als auch den Terror von Paris für eine Beteiligung am Luftkrieg
Im letzten Herbst peitschte die Bundesregierung die Beteiligung an den Luftangriffen der westlichen Allianz gegen Irak und Syrien durch das Parlament.
Sie stellen Aufklärungstornados, Satellitenspionage und Luftbetankung von Bombern.
Auch dafür brauchte es eines humanitären Vorwandes. Geliefert wurde er durch die schrecklichen Terrorangriffe in Paris im November, die viele Menschen tief bewegt haben.
Selbiges gilt für die Anschläge von Brüssel, deren Opfer wir heute genauso gedenken wie den Opfern des Krieges.
1) Die Entstehung des IS und die Ausbreitung des Terrorismus ist ein Produkt der Jahrzehntelangen Intervention des Westens und anderer Groß- und Mittelmächte in den Nahen und Mittleren Osten.
Der IS wäre ohne den US-Krieg im Irak, die Besatzung und die Unterdrückung der sunnitischen Bevölkerungsteile nicht vorstellbar gewesen.
Seine Ausweitung nach Syrien wäre ohne die blutige Niederschlagung des Aufstands gegen Assad und ohne die Intervention verschiedener regionaler Mächte nicht denkbar gewesen. Mächte, die – wie Saudi-Arabien und die Türkei – zum engen Partner der Bundesregierung gehören.
2) Der so genannte „Krieg gegen den Terror“, bringt Terror hervor.
15 Jahre nach Beginn des Kriegs gegen den Terror in Afghanistan ist die Welt – so das US Außenministerium unsicherer als je zuvor.
Was für ein Eingeständnis des Scheiterns – sollte man meinen!
Aber die Herrschenden auf der ganzen Welt ziehen nicht die falschen Schlussfolgerungen.
Es gibt keinen sauberen Krieg! Bomben und Drohnenangriffe bekämpfen Terrorismus nicht. Jeder extralegal getötete Kämpfer, jede getötete Zivilistin, führen dazu, dass Gruppen wie Al Kaida oder der IS weiter rekrutieren können.
3) Terrorismus ist kein Problem  „des Islam“. Er ist auch ein Problem unserer Gesellschaften.
Die Täter von Paris und Brüssel waren Teil „unserer“ Gesellschaften.
Rassismus, Ausgrenzung, Ungleiche Lebenschancen bedeuten nicht, dass betroffene automatisch zu Terroristen werden. Diese Lebensumstände kombiniert mit der Lage im Nahen und Mittleren Osten führen dazu, dass sich junge Menschen Gruppen wie dem IS anschließen.
Gleiche Lebenschancen, Verteilungsgerechtigkeit sowie ein entschlossener Kampf gegen Rassismus ist eine weitere wichtige Antwort auf die Rekrutierungserfolge des IS.
Mehr Krieg und die Verschärfung der so genannten Inneren Sicherheit sind der falsche Weg und werden den Kreislauf der Gewalt nicht durchbrechen. Im Gegenteil.
Zurück zu dem Anti-Terror-Krieg an dem sich Deutschland beteiligt:
Luftangriffe treffen unweigerlich Zivilisten.
Beispiel: Im Januar warf die amerikanische Luftwaffe Zwei 2000-PPfund Bomben über dem Stadtzentrum von Mosul ab. Diese haben jeweils einen Wirkradius von 800 Metern. Die Zerstörung muss grausam gewesen sein. Doch davon bekommen wir keine Bilder zu sehen.
Wenn die Bundeswehr sich mit Aufklärungstornados an der Zielauswahl beteiligt, und wenn sie die französischen Bomber in der Luft betankt, dann ist Deutschland Teil des Bombenkrieges in Syrien und Irak.
Die Bundeswehr hat im Januar und Februar 134 Einsätze über Syrien und Irak geflogen.
Wie auf Anfrage der Linksfraktion herauskam, liefert die Bundeswehr Bilder an mehrere verbündete Staaten.  Darunter die Türkei. Dabei verlässt sich die Bundeswehr auf die Zusage der Türkei, die Aufklärungserkenntnisse nicht im Kampf gegen die Kurden einzusetzen.
Ich traue da der Bundesregierung genauso wenig wie der türkischen Regierung.
Mit der Lieferung von Aufklärungsbildern an die Türkische Armee macht sich die Bundesregierung mitschuldig an den Krieg der türkischen Regierung gegen die Kurden.
Das ist unglaublich.
Die Bundesregierung wirft Russland vor, es verfolge in Syrien eine zynische Politik. Das ist auf der einen Seite richtig. Ihre eigene Bereitschaft, die Bombardierung von bewohnten Zielen zu unterstützen, zeigt: Die deutsche Politik ist nicht weniger zynisch.
Ein weiterer Umstand verdeutlicht die Heuchelei der Bundesregierung wie kein anderer: Ende letzten Jahres war BND-Chef Schindler erneut in Verhandlungen mit dem Regime Assad-Regime. Erklärtes Ziel: Wiedereinzug des deutschen Geheimdienst in das verlassene Gebäude der deutschen Botschaft in Damaskus.
Die Zusammenarbeit mit diesem Regime reiht sich in die übliche Praxis ein. So unterhalten deutsche Behörden wie BND und BKA auch eine seit 2015 intensivierte Arbeitsbeziehung zum ägyptischen Regime.
Die Beteiligung der Bundeswehr an dem Krieg in Syrien stellt einen weiteren qualitativen Sprung auf dem Weg zu einer Armee im weltweiten Einsatz dar.
Verteidigungsministerin von der Leyen eröffnete den Prozess zur Erstellung des neuen Weißbuchs der Bundeswehr im Februar mit den Worten: „Unsere Interessen haben keine unverrückbare Grenze, weder geografisch noch qualitativ.“ Die Bundesregierung will mit dem Einsatz im ölreichen Mittleren Osten beweisen, dass es ihr ernst ist mit dem Anspruch, die globalen wirtschaftlichen Interessen des deutschen Kapitals auch durch militärische Aktivitäten zu unterfüttern.
Zurück zu Syrien:
Nicht nur in Syrien, auch im Irak stehen die Zeichen auf Krieg unter vermeintlichen Verbündeten.
Beispiel ist die Rückeroberung des Orts Sindschars im Herbst 2015. Daran waren PKK-Einheiten beteiligt, sowie eine neu aufgebaute Jesidenmiliz, die an der Seite der PKK kämpft. Es bombte die US-amerikanische Luftwaffe, auch Peschmerga rückten vor. Nun steigen die Spannungen über die Frage, wer in Zukunft die strategisch wichtige Stadt kontrollieren soll. Die PKK und ihre jesidischen Verbündeten stehen den Peschmerga der kurdischen Regionalregierung bewaffnet gegenüber.
Auch nach der Befreiung anderer Orte wie Ramadi steigen solche Spannungen. Im Dezember kam es zu Vertreibungen von Kurden durch schiitische Milizen aus Bagdad.
Die schiitischen Milizen werfen mittlerweile den amerikanischen Truppen vor, sie würden sie bombardieren. Die Bundesregierung hat die Bundeswehr in ein chaotisches Szenario hineingeworfen, die nicht nur die Front zwischen IS und Anti-IS kennt. Sondern, wo ein Konflikt um die Kontrolle von Territorien zwischen vielen Konfliktparteien verläuft.
Von daher wirft der aktuelle Waffenstillstand für mich auch Fragen auf. So wichtig es ist, wenn Waffen schweigen. Sowohl ein möglicher Einmarsch der Türkei in den Norden Syriens, als auch die Ausstattung sunnitischer Rebellen mit Boden-Luft-Raketen durch Saudi-Arabien, können das labile militärische Gleichgewicht sehr schnell ins Wanken bringen. Zudem ist kaum davon auszugehen, dass das Regime Assad bereit ist, diejenigen, die es über 5 Jahre bekämpft hat, ernsthaft an der Macht zu beteiligen.
Last but not least bedeutet der Waffenstillstand der Groß und Mittelmächte auch kein Ende des Krieges, sondern eine verstärkte Kooperation im Anti-Terror-Krieg gegen den IS.
Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären.
Die US-Regierung hat im Herbst 2015, ein Jahr nach Beginn der US-geführten Luftangriffe gegen Irak und Syrien eingeräumt, dass der IS zwar zahlreiche Kämpfer durch die Angriffe verloren hat – ihre Gesamtzahl sei indessen nahezu unverändert geblieben. Mit anderen Worten: Bombardierungen aus der Luft stärken den IS politisch. Denn der IS konnte lange Zeit immer neue Anhänger dazu gewinnen, solange er sich als Verteidiger der sunnitischen Bevölkerung präsentieren kann.
Das hat auch Nicolas Hénin bestätigt, der über ein Jahr Gefangener des Islamischen Staats in Syrien war. Er argumentiert, dass der IS die Bomben des Westens für seine Propaganda braucht.
Der IS kann nur dann nachhaltig geschwächt werden, wenn sich politisch im Irak und Syrien etwas ändert.
Ungeachtet der Verheerungen durch Krieg und Unterdrückung gibt es in allen religiösen und nationalen Gemeinschaften in Syrien und Irak politische Kräfte, wie für einen demokratischen Wandel stehen. Jüngstes Beispiel waren die sozialen Proteste mehreren südirakischen Städten im Sommer, die sich – inmitten des Krieges – gegen die Korruption und Inkompetenz der „eigenen“, schiitisch dominierten Regierung richteten.
Aber auch in Deutschland selbst können wir etwas tun.
Bilder von Flüchtlingen aus muslimischen Ländern, die im Westen willkommen geheißen werden, die Unterstützung für den IS auch in Syrien schwächen.
Denn das passt einfach nicht in das Weltbild einer Terrororganisation, die vorgibt, allein für die Muslime gegen den Rest der Menschheit zu kämpfen.
Schluss mit der Kriegsbeteiligung durch die Bundeswehr.
Für ein Verbot von Rüstungsexporten.
Flüchtlinge willkommen. Nein zur Abschottungspolitik Europas.
Oder kurz: Flüchtenden helfen – Kriege beenden