In der aktuellen Stunde im Bundestag wurde über die Lage in Syrien beraten. Die Abgeordneten der Großen Koalition zogen es vor, über die Auswirkungen des nun ein Jahr währenden Luftbombardements der US-geführten Kriegskoalition zu schweigen. Auch über deutsche Waffenlieferungen verloren sie kein Wort. Alle Erfahrungen zeigen: Man kann Terror nicht mit Bomben bekämpfen. Hier meine Rede:
Christine Buchholz (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Leid der Bevölkerung in Syrien, die unter den Fassbomben von Assad, dem Terror des IS und einer immer unerträglicheren wirtschaftlichen und sozialen Lage lebt, muss ein Ende haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang sagen: Den Eindruck zu erwecken, Herr Wadephul, die Linke sei gegen die Vernichtung des syrischen Giftgases, ist blinde Demagogie.
(Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Sie haben dagegen gestimmt! – Dr. Rolf Mützenich (SPD): Na, na! Vorsicht!)
Wir haben immer unterstützt, dass das Giftgas auch in Deutschland vernichtet wird. Wir waren allerdings dagegen, dass die Bundeswehr diese Vernichtung im Mittelmeer begleitet.
(Ulli Nissen (SPD): Das wäre aber sinnvoll gewesen! – Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Da muss man aber schon besonders dialektisch veranlagt sein, wenn man das noch versteht!)
Wir haben darauf hingewiesen, dass es die Bundesregierungen bis 2011 waren, die zugelassen haben, dass Giftgasbestandteile nach Syrien, an das Regime Assad, geliefert wurden. Ihre Argumente sind pure Heuchelei.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Rolf Mützenich (SPD): Sie machen sich einen schlanken Fuß! – Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Das ist unterste Schublade!)
Die Vorredner haben über diplomatische Lösungen der Syrien-Krise gesprochen. Keiner redet über die eigentlichen Ursachen dieses Krieges: die jahrzehntelange Intervention der USA, aber auch anderer Großmächte, in der Region. Es fällt auch auf, dass die Groß- und Regionalmächte, die jetzt über diplomatische Lösungen reden, eigene Interessen in der Region haben und bereits direkter oder indirekter Teil des Krieges sind.
Seit nunmehr einem Jahr bombardiert eine US-geführte Kriegsallianz Ziele im Irak und in Syrien. Wir hören fast nichts über diese Angriffe, auch kaum etwas über den Drohnenkrieg, der geführt wird. Doch das Bombardement ist massiv. In einem Jahr haben die US-Streitkräfte und ihre Verbündeten mehr Bomben abgeworfen als in den letzten fünf Jahren des Krieges in Afghanistan zusammen. Diese Bomben treffen natürlich nicht nur Terroristen. Gleich in der ersten Woche der US-Angriffe auf syrisches Gebiet wurde ein Getreidespeicher in Manbidsch getroffen. Nach einem Angriff am 30. April 2015 auf das Dorf Bir Mahli räumte das Pentagon offiziell ein, zwei Zivilisten getötet zu haben. Eine Menschenrechtsgruppe zählte 64 Opfer, darunter 31 Kinder. Darüber spricht keiner. Warum? Ich glaube, weil man zugeben müsste, dass der sogenannte Antiterrorkrieg selbst Terror ist. Bomben bringen keinen Frieden.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bundesregierung unterstützt diesen Antiterrorkrieg politisch, aber auch durch die Entsendung von Waffen und militärischen Ausbildern in den Irak. Nun werden auch noch Stimmen in der Großen Koalition laut, wie die von Herrn Kiesewetter -, die die Entsendung von Bundeswehrtornados zur Unterstützung des US-Luftkrieges fordern. Das, meine Damen und Herren, ist der absolut falsche Weg.
(Beifall bei der LINKEN)
Ein Blick nach Afghanistan zeigt, wohin ein solcher Krieg führt. Nach zehn Jahren NATO-Krieg ist die Sicherheitslage dort angespannter, und die Taliban sind stärker als je zuvor. Die soziale Misere ist dieselbe geblieben oder hat sich verschlimmert. Glauben Sie denn wirklich, dass sich durch das ständige Wiederholen derselben Fehler nun in Syrien und im Irak irgendetwas verbessern würde?
Nein, zur Wahrheit gehört: Der sogenannte Islamische Staat wäre ohne die US-Intervention im Irak ab 2003 gar nicht entstanden.
(Elisabeth Motschmann (CDU/CSU): Das ist wirklich Unfug! Das stimmt doch gar nicht!)
Die USA und ihre Verbündeten haben im Irak Menschen verschleppt und gefoltert. Sie haben ein politisches System etabliert, das Schiiten gegen Sunniten ausspielt – bis heute. In diesem Klima konnte der IS, der einen barbarischen Krieg gegen Andersdenkende und Andersgläubige führt, entstehen. Wer diesen Terror stoppen will, muss das Klima des Hasses zwischen Bevölkerungsgruppen und Religionsgemeinschaften beseitigen. Aber der sogenannte Antiterrorkrieg selbst schürt dieses Klima. Deshalb scheitert er auch.
(Beifall bei der LINKEN)
Alle Erfahrungen zeigen: Die militärische Einmischung äußerer Mächte in die Bürgerkriege in Syrien und im Irak hat den Krieg nur noch schlimmer gemacht. Ob Iran, Türkei, Saudi-Arabien, die USA oder Russland – sie alle heizen diesen Krieg mit immer mehr Waffen, mit Ausbildern, mit eigenen Soldaten oder Söldnern an. Das muss ein Ende haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Und die Bundesregierung mischt auch mit. Ich sage Ihnen: Sie will im Kielwasser der USA Schritt für Schritt zu einer Macht werden, die auch im Kriegsgebiet „Mittlerer Osten“ an Gewicht gewinnt und militärisch mithalten kann. Die Linke sagt: Ziehen Sie die Bundeswehr aus der Krisenregion ab, und hören Sie endlich mit den Waffenlieferungen an die Türkei, an Saudi-Arabien und an den Irak auf; denn diese Staaten heizen den Krieg mit an.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, es ist schlimm genug, dass erst die Fluchtbewegung nach Europa den Blick auf die Lebensbedingungen von Millionen Menschen im Nahen und Mittleren Osten geöffnet hat. Beenden Sie endlich die Ignoranz gegenüber der Situation der Menschen in Flüchtlingslagern im Irak, in der Türkei, in Jordanien und im Libanon.
Wenn Sie nicht endlich verstehen, dass diese Menschen eine zivile Perspektive brauchen, dann überlassen Sie sie den Rekrutierern der Armeen und Milizen vor Ort, und das kann doch wirklich nicht Ihr Ziel sein.
(Beifall bei der LINKEN)