OXI – Nein zur Erpressung, Nein zu Austerität!
Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
zum Antrag des Bundesfinanzministeriums für die Aufnahme von Verhandlungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik Griechenland
Wir stimmen heute gegen den Antrag der Bundesregierung und gegen die Auflagen, die an die ESM-Kredite gebunden sind.
Statt das eindrucksvolle und demokratische Votum des griechischen Referendums von über 61 Prozent vom 5. Juli zu akzeptieren, haben die europäischen Institutionen, angeführt von der deutschen Bundesregierung unter Merkel, Gabriel und Schäuble, unter Androhung des fortgesetzten Aussetzens der Liquidität der griechischen Banken die griechische Regierung unter Ministerpräsident Tsipras gnadenlos erpresst.
Stattdessen liegt nun ein „Verhandlungs“-Ergebnis auf dem Tisch, das weder als „Verhandlung“ oder „Einigung“, sondern als pure Nötigung und Erpressung zu bezeichnen ist.
Ein Paket, das nochmals in verschärfter Form all das beinhaltet, was bereits in den letzten fünf Jahren die griechische Wirtschaft in die Rezession und die griechische Gesellschaft in Erwerbslosigkeit, massenhafte Verarmung und in eine humanitäre Krise gestürzt hat. Ein Paket, zu dem die griechische Bevölkerung mit der Wahl von Syriza im Januar dieses Jahres und abermals im Referendum am 5. Juli „Nein“ gesagt hat, darunter:
- eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
- weitere Rentenkürzungen
- eine massive Deregulierung des Arbeitsmarktes
- weitere Privatisierungen, Ausverkauf des Staatseigentums durch die Schaffung eines unabhängigen Privatisierungsfonds, um Schuldendienst und Bankenrettung zu bedienen, unter Aufsicht europäischer Organe
- die Verweigerung eines Schuldenschnitts
- und die Rückkehr der alten Troika (Institutionen) in die griechische Politik, die bei jedem Gesetzentwurf in relevanten Bereichen konsultiert werden müssen, ohne dass die Öffentlichkeit informiert oder das griechische Parlament befasst wird.
- Anhebung der Unternehmenssteuern, wie von den Institutionen verlangt, nur auf 28 anstatt auf 29 Prozent, keine Sonderabgabe für Unternehmen mit über 500.000 € Jahresgewinn
- kein Investitionsprogramm in Höhe von 35 Milliarden €, stattdessen einen unverbindlichen Hinweis auf bestehende EU-Investitionstöpfe
Nicht nur, dass diese Maßnahmen die soziale und wirtschaftliche Krise in Griechenland weiter verschärfen. Jede Maßnahme, jedes Gesetz steht nun unter dem Vorbehalt der Institutionen.
Das rund 85 Milliarden € schwere Griechenland-III-Kreditpaket wird im Wesentlichen nur dazu dienen, alte Schulden mit neuen Schulden zu bezahlen. „Gerettet“ wird wieder einmal nicht die Bevölkerung, sondern vor allem Banken.
Statt neuer Verschuldungs- und Austeritätsprogramme braucht Griechenland die Klärung der Schuldenfrage, z.B. durch einen Schuldenschnitt, wie ihn Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten hat. Statt einer weiteren Verschleuderung öffentlichen Vermögens durch Privatisierungen braucht es eine Umverteilung des Reichtums und eine Vermögensabgabe zu Lasten der Oligarchen.
Die harten und erpresserischen Verhandlungen der letzten Wochen haben eines deutlich werden lassen: Ein Europa der „gemeinsamen Werte“, der Solidarität und der Demokratie, das sich die Menschen wünschen, gibt es nicht. Die „Werte“ des gegenwärtigen EU-Europa heißen Aushöhlung der Demokratie, Neoliberalismus und Wettbewerbsfähigkeit unter deutscher Vorherrschaft.
Wir nehmen zur Kenntnis, dass in Griechenland innerhalb von Syriza, in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen darüber diskutiert wird, dass es einen Bruch mit dem Prinzip der von der EU exekutierten Politik der Alternativlosigkeit geben muss.
Mit unserem NEIN zur Erpressung durch die EU-Institutionen sagen wir „Nein“ zu einem Europa der Mächtigen und der Eliten und stehen an der Seite des Widerstands gegen das Kürzungsdiktat in Griechenland.
Berlin, 17. Juli 2015
OXI – No to blackmail, no to austerity!
Personal statement under Rule 31 of the Rules of Procedure of the German Bundestag
on the motion tabled by the Federal Ministry of Finance regarding the opening of negotiations by the Federal Government on the provision of financial assistance to the Hellenic Republic (Greece)
Today, we are voting against the Federal Government’s motion and against the conditions attached to the ESM loans.
Rather than accepting the impressive and democratic outcome of the Greek referendum on 5 July, in which more than 61 per cent voted no, the European institutions, led by the German government under Merkel, Gabriel and Schäuble, have mercilessly blackmailed the Greek government under Prime Minister Tsipras with the threat of the continued suspension of liquidity to the Greek banks.
Instead, the outcome of the “negotiations” now on the table is one to which the words “negotiation” or “agreement” cannot be applied; it can only be described as pure coercion and blackmail.
A package which yet again contains an even tougher version of everything which has already, over the past five years, plunged the Greek economy into recession and left Greek society facing unemployment, mass impoverishment and a humanitarian crisis. A package to which the Greek population said “No” by electing Syriza in January and once again in the referendum on 5 July, and which includes:
- an increase in VAT
- further pension cuts
- massive deregulation of the labour market
- further privatisations, a sell-off of state property via the creation of an independent privatisation fund, for the purpose of servicing debt and bailing out the banks, under the supervision of European institutions
- rejection of a debt haircut
- the return of the old troika (institutions) to Greek politics, which have to be consulted on all draft legislation in relevant areas, without the public being informed or the Greek parliament involved
- an increase in corporate taxes to just 28 per cent, as demanded by the institutions, rather than 29 per cent, and no special levy on companies with an annual profit above 500,000 euros
- no investment programme worth 35 billion euros; instead, a non-binding reference to existing EU investment funds
Not only will these measures further exacerbate the social and economic crisis in Greece. Every measure, every law, is now subject to the institutions’ approval.
The third Greek bailout, worth around 85 billion euros, will essentially only be used to repay old debt using new debt. Yet again, it is primarily the banks which are being “bailed out”, not the population.
Instead of a new debt and austerity programme, Greece needs the debt issue to be resolved, e.g. via a debt haircut, similar to that received by Germany following the Second World War. Instead of a further sell-off of public assets via privatisations, what is needed is a redistribution of wealth and a wealth levy on the oligarchs.
The harsh and blackmail-driven negotiations in recent weeks have made one thing clear: a Europe of “common values”, of solidarity and democracy, of the kind that people want, does not exist. The “values” of the current EU are the undermining of democracy, neoliberalism and competitiveness under German domination.
We take note of the fact that a discussion is taking place in Greece, within Syriza, in the trade unions and social movements, about the need to break with the principle of the EU-executed policy of “no alternative”.
With our NO to blackmail by the EU institutions, we are saying “No” to a Europe of the powerful and the elites, and we are standing shoulder-to-shoulder with the resistance to the imposition of austerity in Greece.
Berlin, 17 July 2015
Griechische Version der Erklärung