Die Bundesregierung hat dem Bundestag einen Antrag vorgelegt, der die Beteiligung der Bundeswehr an der internationalen Militärmission „Resolute Support“ in Afghanistan vorsieht. „Resolute Support“ soll ab 2015 den US-geführten ISAF-Einsatz ersetzen, im Rahmen dessen Deutschland über zwölf Jahre mit Soldaten am Hindukusch präsent war. Die Bundesregierung erweckt den Eindruck, als werde der Kampfeinsatz nun durch eine Ausbildungsmission abgelöst. Das ist irreführend. Nur ein Zehntel der ausländischen Truppen werden Ausbilder sein. US-Truppen führen weiter Kampfoperationen durch. Und auch die Bundeswehr sollen afghanische Streitkräfte in Gefechten unterstützen. In meiner Rede habe ich begründet, warum DIE LINKE diesem Einsatz niemals zustimmen wird.

Christine Buchholz (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung bemüht sich, den Eindruck zu erwecken, der Kampfeinsatz in Afghanistan sei nun abgeschlossen, nun gehe es nur noch um die Ausbildung der afghanischen Streitkräfte. Aber das ist nicht wahr: In Afghanistan herrscht weiter Krieg. Allein in Kabul gab es in den vergangenen zwei Wochen ein Dutzend Anschläge, und laut UN ist die Zahl der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2014 um 17 Prozent gestiegen.
Die Bundeswehr wird im Bündnis mit den US-amerikanischen Truppen und der NATO weiter Teil dieses Krieges sein. Wie wird der Afghanistan-Einsatz ab 2015 aussehen? Von den 12 000 Soldaten, die die NATO in Afghanistan ab 2015 stationiert, werden nur etwa ein Zehntel Ausbilder sein – neun Zehntel des Kontingents werden von militärischer Logistik, Schutz- und Kampftruppen gestellt. Wenn neun Zehntel der stationierten Soldaten keine Ausbilder sind, dann ist es irreführend, von einer Ausbildungsmission zu sprechen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ja, der Einsatz wird sich verändern. Dass die neue Mission mit einer deutlich reduzierten Truppenstärke auskommt, zeigt vor allem eines: Kämpfen sollen in Zukunft vor allem die afghanischen Streitkräfte; die NATO-Staaten unterstützen sie dabei.
Der vorliegende Antrag der Bundesregierung lässt die Möglichkeit offen, dass Bundeswehrsoldaten den afghanischen Streitkräften auch im Gefecht zur Hilfe kommen. Angesichts der weiterhin extrem schlechten Sicherheitslage ist es nicht unwahrscheinlich, dass dieser Fall eintritt. Erinnern wir uns: 2014 wurden rund 3 500 afghanische Sicherheitskräfte getötet. Wenn im neuen Mandat nun davon die Rede ist, dass diese Kräfte im Gefechtsfall zu sichern, zu schützen und zu bergen sind, dann droht die Bundeswehr Teil ihres Krieges zu werden; das, meine Damen und Herren, sollten Sie sowohl der Bevölkerung als auch den Soldatinnen und Soldaten nicht verschweigen!
2015 wird es weiterhin offensive Aufstandsbekämpfung geben; das hat Barack Obama kürzlich noch einmal klargestellt. Dazu gehört auch ein Schattenkrieg der Spezialkräfte. Der neue afghanische Präsident, Ashraf Ghani, hat gerade erst das Verbot der Durchführung von Nachtrazzien aufgehoben. In diesen Nachtrazzien haben in der Vergangenheit insbesondere amerikanische Einheiten nachts Dörfer überfallen, Türen eingetreten, Bewohner aus dem Schlaf gerissen und Verdächtige verschleppt. Der vorherige Präsident, Hamid Karzai, hatte dieses Vorgehen 2013 verboten. Ab nächstem Jahr sollen afghanische Sondereinheiten diese Arbeit wiederaufnehmen; amerikanische Spezialkräfte werden sie dabei unterstützen.
Unterstützung gibt es auch durch die Ausbildung. Bereits jetzt werden 200 afghanische Spezialkräfte durch die US-Armee in Kandahar trainiert, solche Nachtrazzien durchzuführen, und auch in dem deutschen Mandat ist diese Möglichkeit enthalten.
In der Vergangenheit gab es auch Spezialoperationen, an denen deutsche Soldaten beteiligt waren. Das vorliegende Mandat lässt noch offen, ob Einheiten wie das Kommando Spezialkräfte weiter den Krieg im Geheimen fortführen werden. Wir lehnen diese Kriegsführung ab und fordern Klarheit von der Regierung,
(Beifall bei der LINKEN)
ob das auch in Zukunft der Fall sein wird.
Für eine Ausbildungsmission braucht man keine Drohnen; aber die Bundeswehr wird sich mit der Drohne Heron weiter an der Lagebilderstellung in Afghanistan beteiligen. Diese Lagebilderstellung ist eine Voraussetzung, um Aufstandsbekämpfung und andere kriegerische Handlungen weiterhin durchzuführen.
Darüber hinaus wird die US-Armee mit Kampfdrohnen in Afghanistan bleiben und ihren verbrecherischen Drohnenkrieg weiterführen. Die Linke lehnt den Einsatz von Spionage- und Kampfdrohnen auch in Afghanistan ab. Die Drohne Heron muss unverzüglich aus Afghanistan abgezogen werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Nach über zwölf Jahren NATO-Einsatz ist Afghanistan durch und durch militarisiert. Es gibt 350 000 afghanische Soldaten und Sicherheitskräfte. Es ist bezeichnend, dass die Ausgaben für Sicherheitskräfte deutlich höher als der Staatshaushalt sind.
Daneben können wir ein grassierendes Milizenwesen und Privatarmeen beobachten. Herr Steinmeier ist leider nicht mehr anwesend.
(Zurufe von der SPD und der CDU/CSU: Doch!)
– Er hat sich in die letzte Reihe verdrückt. Herr Steinmeier, schön, dass Sie noch da sind.
Sie haben neulich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt, dass das nicht die Schuld der intervenierenden NATO-Staaten sei. Die afghanische Frauenrechtlerin Wazhma Frogh ist deutlich anderer Meinung. Sie sagte gestern im Deutschlandfunk, ich zitiere:
Der Westen hat sehr bewusst mit Kriegsfürsten zusammengearbeitet. Mit korrupten Männern, die für einen grausamen Bürgerkrieg verantwortlich sind … Diese alten, konservativen Eliten sind heute Millionäre, Minister und Vizepräsidenten. Der Westen hat den Kriegsfürsten zu neuer Stärke verholfen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich finde, dass wir mit diesen Verbrechern keine gemeinsame Sache machen sollten.
(Beifall bei der LINKEN)
13 Jahre Krieg gegen den Terror offenbaren das Scheitern dieses Ansatzes. Gerade die Ausbreitung des IS ist ein weiteres Argument dafür. Weltweit und in Afghanistan wurde der Terror nicht gestoppt, sondern angefacht. Bitte nehmen Sie diese Realität endlich zur Kenntnis. Das neue Mandat macht eine weitere Beteiligung am Krieg in Afghanistan zum Normalzustand. Das Ende ist nicht absehbar. Die Linke wird einem solchen Mandat niemals zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN)