Am 16. Mai hat der Bundestag über die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes vor dem Horn von Afrika im Rahmen des EU-geführten Mandates „Atalanta“ beraten. Für die Bundesregierung ist der Einsatz ein „Erfolg“, weil die Piratenangriffe seit einem Jahr zurückgegangen sind. Tatsächlich hat das mit „Atalanta“ wenig zu tun. Hier kann man sich anschauen und nachlesen, wie ich das „Nein“ der Linksfraktion begründet habe.
Übrigens: Die meisten SPD-Abgeordneten haben ebenfalls mit Nein gestimmt – allerdings ausschließlich aufgrund der Ausweitung der Mandates auf einen zwei Kilometer breiten Küstensaum von Somalia. Nachdem die Bundeswehr im vergangenen Jahr aber fast keinen Gebrauch von den neuen Möglichkeiten machte, kam ihr Redner reichlich ins Schlingern. Denn an und für sich unterstützt die SPD, wie auch die Grünen, die Entsendung der deutschen Marine in den Indischen Ozean. Leider bilden SPD und Grüne zusammen mit den Regierungsparteien nach wie vor eine ganz große Koalition für die Beteiligung an internationalen Kriegseinsätzen – egal wo.
Rede im deutschen Bundestag aus Anlass des Antrags der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung deutscher Streitkräfte am EU-geführten Militäreinsatz vor dem Horn von Afrika (Atalanta)
Christine Buchholz (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linke lehnte die Beteiligung der Bundeswehr an der Antipiratenmission Atalanta von Anfang an ab;
(Beifall bei der LINKEN)
denn Atalanta reiht sich in eine immer länger werdende Kette von Auslandseinsätzen ein.
Herr de Maizière behauptete unlängst, es gebe keine Region auf der Welt mehr, wo die Bundeswehr nichts zu suchen habe. Ich sage Ihnen: Die Bundeswehr hat am Horn von Afrika nichts zu suchen, genauso wenig wie am Hindukusch oder in Westafrika.
(Beifall bei der LINKEN)
Der wahre Zweck von Atalanta ist es, die Marine in einer Art Dauermanöver unter Realbedingungen operieren zu lassen. Deshalb gibt es auch keine ehrliche Bilanz dieses Einsatzes. Jedes Jahr sagen Sie, dass der Einsatz weitergeführt werden muss, und Sie wiederholen das, ganz gleich, ob wie in den Jahren vor 2012 die Zahl der Piratenangriffe ansteigt oder ob sie wie jetzt zurückgeht. Es brauchte erst die Intervention des Kollegen Ströbele, um darauf hinzuweisen, dass es vor allen Dingen die Selbstbewaffnung der Reeder war, die seit 2012 die Piraterie vor Somalia zurückgedrängt hat. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Privatisierung der Sicherheit ist keine Lösung. Sie leistet keinerlei Beitrag zum nachhaltigen Kampf gegen die Ursachen der Piraterie.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Zulauf zu privaten Sicherheitsfirmen ist eine weitere Schattenseite der Neuausrichtung der Bundeswehr als Interventionsarmee; denn immer mehr deutsche Soldaten mit Erfahrung in Auslandseinsätzen heuern nun bei Söldnerfirmen an, viele davon illegal. Aber ich sage Ihnen: Die Angst vor deutschen Kriegsschiffen hat junge arbeitslose Somalis nicht davor geschützt, in die Hände von Piratenclans zu gelangen und Handelsschiffe zu attackieren, und sie wird sie auch in Zukunft nicht davon abhalten. Armut und Elend in Somalia sind die Wurzeln der Piraterie.
(Beifall bei der LINKEN)
Der eigentliche Skandal ist, dass europäische Firmen weiterhin vor Somalia die Fischgründe plündern und unbehelligt Giftmüll verklappen können und so die Lebensgrundlagen von Fischern zerstören.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein Märchen!)
Dagegen gehen Sie nicht vor. Das nenne ich Heuchelei.
(Beifall bei der LINKEN Markus Grübel (CDU/CSU): Das organisierte Verbrechen stärken wir, damit die Reichen reicher werden und die armen Fischer missbrauchen können?)
Atalanta soll noch eine weitere Militärmission absichern, nämlich die seeseitige Versorgung der in Somalia kämpfenden Truppen von AMISOM. AMISOM ist nichts anderes als der aus Europa bezahlte Einmarsch bewaffneter Truppen aus Somalias Nachbarländern Kenia, Burundi und Uganda. Händler in Mogadischu warfen den AMISOM-Soldaten vor so berichtet es der frühere ARD-Korrespondent Marc Engelhardt , den zentralen Markt in Mogadischu ohne Rücksicht auf zivile Verluste mit schwerer Artillerie beschossen zu haben. AMISOM ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Westen trägt eine Mitschuld an den schlimmen Zuständen in Somalia. 1993 heizte der Einmarsch von US-Truppen den Bürgerkrieg in Somalia an. 2006 beendete die von den USA und der EU unterstützte Invasion Äthiopiens eine zwischenzeitliche Stabilisierung in Somalia. Erst danach sind die Schabab-Milizen stark geworden, erst danach stieg die Zahl der Fälle von Piraterie massiv an.
Während die Zahl der Piraterieangriffe vor Somalia jetzt zurückgeht, nehmen Piratenangriffe in anderen Regionen der Welt, zum Beispiel vor der Westküste Afrikas, zu. Was ist Ihre Antwort darauf? Sollen die Bundeswehrsoldaten nun auch dorthin? Wir sagen: Piraterie lässt sich auf diese Art und Weise nicht bekämpfen. Die Ursachen müssen bekämpft werden. Die Militarisierung der Seewege ist und bleibt ein Irrweg.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielleicht noch eine kleine Bemerkung zur Position der SPD und der Grünen: Wir freuen uns natürlich immer, wenn unser Nein zu Bundeswehreinsätzen Unterstützung bekommt.
(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nicht von den Sozis! Das gibt es nicht!)
Ihre Begründung ist allerdings nicht konsistent.
(Beifall bei der LINKEN)