von links nach rechts: Christine Buchholz, Katrin Kunert, Heike Hänsel,  Mohammed Alarabi, Nabil Rachid, Annette Groth, Rajab Sindawi; vorne: Ilja Seifert, Sawsan Alkhalili, Awni Matar. Nicht im Bild: Wolfgang Gehrcke, Inge Höger
Eine Delegation des einzigen Behindertensportvereins  aus Gaza hat sich heute mit Abgeordneten der Linksfraktion getroffen. Ich fand es sehr beeindruckend, wie die Anwesenden unter den Bedingungen von Besatzung und Blockade Behindertensport selbst organisieren. Aufgrund ihres Engagements können an den Paralympics in London sechs Sportler aus Gaza teilnehmen.
Zur Delegation gehörten: Sawsan Alkhalili, Leichtathletin, Dichterin und Generalsekretärin des Palästinensischen Behindertenverbandes; Rajab Sindawi, Mitglied der palästinensischen Volleyball-Nationalmannschaft; Awni Matar, Vorsitzender des Behindertenverbands sowie Mohammed Alarabi vom Sportverein „Friedensclub für Menschen mit Behinderungen“. Ihr Ziel ist die Selbständigkeit von Behinderten. Durch Besatzung und Krieg sind in Gaza sieben Prozent der Bevölkerung körperlich behindert, die höchste Rate im gesamten Nahen Osten. Es gibt Familien mit bis zu sechs behinderten Familienmitgliedern. Besatzung und Blockade führen zu Armut und fehlender Infrastruktur. 79 Prozent der Bevölkerung in Gaza sind arm. Durch den Krieg haben mehr als hunderttausend Menschen ihre Arbeit verloren. Den Behinderten fehlt es an fast allem, an Sportstätten, Rollstühlen, Sportrollstühlen, behindertengerechten Computern und Medikamenten, die wegen der israelischen Blockade nicht nach Gaza gelangen. Nur manchmal kommen von Ägypten Lieferungen durch.

Die Infrastruktur von Gaza wurde durch den israelischen Angriff 2008/2009 weitgehend zerstört. Die Hälfte der Haushalte verfügt über keine zuverlässige Strom- und Wasserversorgung. Die häufigen Stromausfälle von manchmal mehr als 12 Stunden treffen alle Menschen, aber Behinderte besonders: Aufzüge – sofern vorhanden –  fallen aus, Batterien für Rollstühle können nicht aufgeladen werden. Viele behinderte Kinder können die Schule nicht mehr besuchen, weil sie aufgrund des Mangels an Rollstühlen und wegen der zerstörten  Straßen das Haus nicht verlassen können. Für einige dieser Kinder ist der Sport beim Behindertensportverein ein willkommene Abwechslung. Er gibt ihnen Kraft und Selbstbewusstsein.
Ein zentrales Problem ist die Ausreise aus Gaza für Behinderte. Mittlerweile ist zwar der Grenzübergang zu Ägypten für ein paar Stunden am Tag offen, aber für Behinderte ist es unmöglich, Wartezeiten von Stunden oder manchmal Tagen an Grenzübergängen auszuhalten, um ausreisen zu können. Trotzdem hat der Verein es geschafft, an arabischen und internationalen Behindertensport-Veranstaltungen teilzunehmen und Medaillen zu gewinnen.
Auf dem Treffen heute wurde diskutiert, was wir in Deutschland tun können, um die Situation zu verbessern – auf der politischen und auf der praktischen Ebene. Die palästinensischen Gäste baten uns, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, die Besatzung durch Israel nicht weiter zu unterstützen. Sie wollen in einem eigenen palästinensischen Staat in Frieden leben. Gleichzeitig suchen sie den Kontakt mit Behindertenvereinen in der ganzen Welt, um Erfahrungen auszutauschen und Unterstützung zu finden. Sie würden sich über Spenden von Sportrollstühlen, blindengerechten Computern und ähnlichem freuen.
Für alle Teilnehmer war klar: Das war erst der Beginn eines wichtigen Kontakts, der ausgebaut werden muss.