Zusammen mit Inge Höger, MdB und Sprecherin für Abrüstungspolitik habe ich eine Stellungnahme zur Bundestagsdebatte  Bundeswehrreform-Begleitgesetz geschrieben. DIE LINKE wird den Grünen-Antrag ablehnen, die zur Beseitigung der Personalprobleme bei der Bundeswehr ein Konzept zur Nachwuchsgewinnung vorgelegt haben und  dabei verstärkt auf die Rekrutierung von Frauen setzen.
Doch der Vorstoß der Grünen läuft unter dem Deckmantel des gesellschaftlichen Fortschritts auf die weitere Militarisierung der Gesellschaft hinaus. Im Kern geht es darum, die Rekrutierungsprobleme der Bundeswehr zu beheben, indem auch Frauen verstärkt für Militäreinsätze wie in Afghanistan gewonnen werden. Frauenrechte werden instrumentalisiert, um das Führen von Krieg zu erleichtern.

14. Juni 2012
Stellungnahme von Christine Buchholz und Inge Höger, Bundestagsfraktion DIE LINKE.
 
10 Jahre Frauen in der Bundeswehr – kein Grund zum Feiern!
 
Am heutigen Donnerstag wird im Bundestag das Bundeswehrreform-Begleitgesetz abschließend beraten. Die Fraktion der Grünen hat das zum Anlass genommen, um von der Bundesregierung in einem Entschließungsantrag die Beseitigung der Personalprobleme bei der Bundeswehr durch ein „umfassendes und solides Konzept zur Nachwuchsgewinnung vorzulegen“ und „verstärkt auf die Rekrutierung von Frauen“ zu setzen. Die Grünen wiederholen die Forderungen aus einem Antrag, den sie 2011 unter dem Titel „10 Jahre Frauen bei der Bundeswehr“ vorgelegt haben. Darin wird gefordert, dass „Werbemaßnahmen der Bundeswehr Frauen und Männer gleichermaßen ansprechen“ und die Streitkräfte „sich auch für Frauen als attraktiver Arbeitgeber präsentieren.“
DIE LINKE wird, wie bereits 2011, auch heute den Grünen-Antrag ablehnen. Selbstverständlich müssen alle Institutionen des Staates gleiche Chancen für Männer und Frauen bieten. Doch der Vorstoß der Grünen läuft unter dem Deckmantel des gesellschaftlichen Fortschritts auf die weitere Militarisierung der Gesellschaft hinaus. Im Kern geht es darum, die Rekrutierungsprobleme der Bundeswehr zu beheben, indem auch Frauen verstärkt für Militäreinsätze wie in Afghanistan gewonnen werden. Frauenrechte werden instrumentalisiert, um das Führen von Krieg zu erleichtern.
Dies erklärt, warum sich die Grünen hier im Einklang nicht nur mit Verteidigungsminister de Maizière befinden, sondern auch mit NATO-Generalsekretär Rasmussen. Dieser erklärte bereits 2010: „Unsere operationellen Erfahrungen in Afghanistan verdeutlichen den enormen Wert gut ausgebildeter weiblicher Militärs und Gender-Experten. Aber derzeit verfügen wir über nicht annähernd genug dieser Schlüsselfähigkeiten in unseren NATO-Reihen.“
Rasmussen geht es darum, dass Operationen wie die nächtlichen Razzien in afghanischen Haushalten effizienter durchgeführt werden. Eine im September 2011 veröffentlichte Studie zeigte auf, dass die ISAF-Truppen der NATO durchschnittlich 19 solcher Kommandoaktionen pro Tag durchführen. Laut Studie hat die Ausdehnung der Razzien „das Schlachtfeld direkt in die Häuser der Afghanen gebracht“. Unter der Bevölkerung habe sich die Ansicht verstärkt, dass „das internationale Militär die nächtlichen Razzien nutzt, um straflos Zivilisten zu töten, zu bedrohen und zu drangsalieren“. Die Zahl der Todesopfer hierbei stieg im Jahr 2010 um 84 Prozent.
Für die NATO geht es darum, Frauen in den eigenen Reihen einzusetzen, um Widerstände gegen diese Art der Aufstandsbekämpfung zu beseitigen. Das Kalkül ist es, dass der Einsatz von Frauen innerhalb der Besatzungsarmeen es erleichtert, Verhöre afghanischer Frauen durchzuführen. Sie sollen einen Krieg unterstützten, der Zehntausende von Frauen zu Witwen macht. Wir lehnen es ab, dass nun in Deutschland verstärkt  Frauen rekrutiert werden sollen, um diese Art des NATO-Terrors zu begleiten.
Darüber hinaus sollen Frauen die Lücken füllen, die das Defizit an männlichen Bewerbern hinterlässt. Gerade der Einsatz in Afghanistan ist in der deutschen Bevölkerung seit je her sehr unpopulär und erschwert es der Bundeswehr, ausreichend Nachwuchs zu rekrutieren. Deshalb werden manche ihrer Einheiten immer einfallsreicher, um Jungen und Mädchen frühzeitig für den Krieg zu begeistern.
So nutzte die Gebirgsjägerbrigade 23 der Bundeswehr in Reichenhall den diesjährigen „Girls‘ day“, um 21 Mädchen und einen Jungen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren in der Kaserne das Kriegshandwerk näher zu bringen. Bereits im letzten Jahr luden die Gebirgsjäger im Rahmen eines Tages der offenen Tür Kinder ein, Schusswaffen in die Hand zu nehmen und durch ein bereit gestelltes militärisches Ausbildungsgerät ein als „Klein Mitrovica“ bezeichnetes Modelldorf ins Visier zu nehmen.
Diese Art der Aktivitäten reihen sich in ein Gesamtkonzept der Nachwuchswerbung ein, die Jugendoffiziere in zahllosen Veranstaltungen an deutschen Schulen durchführen. Mädchen wie Jungen sollen für vermeintlich sichere Arbeitsplätze gewonnen werden. Pleiten wie jene der Einzelhandelskette Schlecker, die Zehntausende von Frauenarbeitsplätzen vernichten, verstärken das Gewicht dieser Argumente unter Schülerinnen.
Doch die Bundeswehr ist kein Arbeitgeber wie jeder anderer. Der Dienst in der Truppe bietet keinen „sicheren“ Arbeitsplatz. Er beruht auf der Bereitschaft zum Töten und Sterben. Es kann nicht angehen, dass der Klassenraum als Plattform für die Bewerbung eines solchen Dienstes missbraucht wird.
Dass die Grünen heute den Zugang zum Dienst an der Waffe nun als einen wichtigen Hebel zur Erlangung voller Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau propagieren zeigt lediglich, wie weit sie sich von ihren Wurzeln als einer Partei der Friedensbewegung entfernt haben. Die Linke steht für eine wirkliche Gleichberechtigung in allen Bereichen. Emanzipatorische Politik muss nach menschlichen, nach menschenwürdigen Entwicklungsperspektiven suchen –  für Frauen und Männer. Kampf und Krieg sind immer unmenschlich, deswegen verbietet sich jegliche Werbung dafür. Wir stehen für den gemeinsamen Widerstand von Männern und Frauen gegen den Militarismus und unterstützten deshalb die Aktionswoche vom 24. bis 29. September 2012, mit der Aktionsgruppen der Friedensbewegung, der Schülervertretungen und Gewerkschaften bundesweit gegen die Werbung von Bundeswehr an Schulen und Hochschulen protestieren wollen.
 
    Christine Buchholz                                                                                                         Inge Höger
Friedenspolitische Sprecherin                                                                                             Sprecherin für Abrüstungspolitik
Fraktion DIE LINKE.                                                                                                             Fraktion DIE LINKE.