Hier meine Rede zum Verteidigungshaushalt. Er wurde nicht wie versprochen gekürzt, sondern Kosten wurden ausgelagert. Der Krieg in Afghanistan ist wesentlich teurer als behauptet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst müssen wir feststellen, dass die Bundesregierung offensichtlich beschlossen hat, das Verteidigungsministerium von den Sparbemühungen des Bundes auszunehmen. Sie hatten uns versprochen, dass auch beim Militär gespart werden muss; das war eine zentrale Begründung für die Bundeswehrreform. Aber jetzt stellen wir fest: Der Etat des Verteidigungsministeriums ist nicht verkleinert worden. Aber nicht nur das: Wenn wir die NATO-Kriterien dafür, was Verteidigungsausgaben sind, anlegen, dann müssen noch weitere 3,7 Milliarden Euro aus anderen Haushaltstöpfen dazugezählt werden.
Das sind 1 Milliarde Euro mehr als noch im laufenden Jahr. Auf diese Weise versteckt, wächst das Verteidigungsbudget 2012 im Vergleich zu 2011 um 1,2 Milliarden Euro auf 35,4 Milliarden Euro an. Seien Sie so ehrlich, das den Steuerzahlern zu sagen!
(Beifall bei der LINKEN)
Aber auch diese Rechnung ist noch lange nicht vollständig. Ich möchte das einmal anhand der Kosten für den Krieg in Afghanistan deutlich machen: Die reinen einsatzbedingten Kosten für ISAF im Verteidigungsetat belaufen sich auf rund 800 Millionen Euro. In Wirklichkeit ist es aber mehr als das Vierfache.
Die erste Mogelpackung. Die Regierung rechnet sogar innerhalb des Verteidigungsetats die Kosten für den Einsatz runter. Beispielsweise wird der Grundsold für die eingesetzten Soldaten nicht dem Einsatz zugeschrieben. Dabei könnte die Zahl der Soldaten drastisch reduziert werden, wenn die Regierung endlich damit aufhören würde, Soldaten ins Ausland zu schicken.
(Beifall bei der LINKEN)
Dasselbe gilt auch für die Transportflugzeuge, Schützenpanzer, Tornados, AWACS und andere Sachen. Sie wollen in Zukunft ja zwei dieser Einsätze durchführen können. Das können wir uns sparen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die zweite Mogelpackung. Die Kosten für den Einsatz werden in andere Ressorts ausgelagert, seien es die Kosten für die Nachversorgung der Verwundeten und Hinterbliebenen, die Kosten für die Entschädigung der zivilen afghanischen Opfer ? wenn sie denn überhaupt bezahlt wird und nicht, wie im Fall des Kunduz-Massakers, nicht bezahlt wird ? und auch die Kosten für den Polizeieinsatz, der eng mit dem Militäreinsatz verwoben ist.
Die dritte Mogelpackung. Die gesellschaftlichen Folgekosten, zum Beispiel durch die Schäden, die die beteiligten Soldatinnen und Soldaten an Körper und Seele erlitten haben, werden im Haushalt überhaupt nicht berücksichtigt.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kommt nach Einrechnung all dieser Kosten zu folgendem Ergebnis ? ich zitiere?:
… kostet jedes weitere Jahr, in dem Deutschland am Einsatz in Afghanistan teilnimmt, zusätzliche 2,5 bis 3 Milliarden Euro.
Und das alles für einen Krieg, der den Menschen in Afghanistan Tod und Leid bringt, das alles zur Stabilisierung einer Regierung, die korrupt, unbeliebt und vollständig abhängig von der internationalen Schutztruppe ist.
Schauen wir uns den Präsidenten Karzai an, mit dem der Außenminister im Dezember gemeinsam eine Konferenz in Bonn veranstalten wird. Citha Maaß von der Stiftung Wissenschaft und Politik sagte kürzlich:
Die Drogenindustrie durchdringt Politik und Wirtschaft in Afghanistan wie ein Krebsgeschwür.
Der Halbbruder des Präsidenten galt bis zu seiner Ermordung im August als der Pate von Kandahar. Ein anderer Bruder Karzais ist in die dubiosen Geschäfte der Kabul Bank verstrickt, durch die er und seine Geschäftsfreunde sich auf Kosten der Geberländer um Hunderte Millionen Dollar bereichert haben. Derweil ist laut der Hilfsorganisation Oxfam jedes dritte Kind in Afghanistan unterernährt. Dieser Winter könnte sich zu einer Katastrophe entwickeln.
Wie dramatisch die Lage der Bevölkerung ist, zeigt auch das Beispiel der Millionenstadt Kabul. Es gibt dort kein Abwassersystem, und laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau wäre es dort nötig, Investitionen in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar zu tätigen. Dafür ist aber kein Geld da. Es gäbe viel zu tun, aber die Bundesregierung bevorzugt es, beim Aufbau und bei der Entwicklung zu kleckern. Geklotzt wird nur beim Militär, und das machen wir nicht mit.
(Beifall bei der LINKEN)
So ist es auch kein Wunder, dass laut einer im Oktober veröffentlichten Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung 56 Prozent der afghanischen Bevölkerung die NATO-Truppen als Besatzungsmacht empfinden. Auch in Deutschland hat die Mehrheit das falsche Spiel der Bundesregierung mit Afghanistan durchschaut. Weil Töten und Sterben für einen sinnlosen Krieg nicht attraktiv sind, gibt die Bundesregierung dann auch noch 200 Millionen Euro für ein Attraktivitätsprogramm der Bundeswehr aus, um die Rekrutierungsziele der Bundeswehr erreichen zu können.
Wir sagen: Beenden Sie die Auslandseinsätze der Bundeswehr, allen voran die Beteiligung am Krieg in Afghanistan!
(Beifall bei der LINKEN)
Nutzen Sie die freiwerdenden Mittel für friedliche und soziale Maßnahmen, die den Menschen in Afghanistan und in Deutschland zugutekommen!
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)