Von Christine Buchholz und Nicole Gohlke
Wir haben uns für den Gesetzentwurf für eine begrenzte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) ausgesprochen. Damit bekommen Frauen in wenigen Ausnahmefällen das Recht, eine künstlich befruchtete Eizelle vor der Einpflanzung in ihre Gebärmutter untersuchen zu lassen. Spezialisierte Ärztinnen und Ärzte dürfen untersuchen, ob schwerwiegende Erbkrankheiten vorliegen oder Schädigungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tod- oder Fehlgeburt führen werden.
Es entspricht dem Stand des heutigen Wissens, solche Erbkrankheiten bei einer künstlich befruchteten Eizelle festzustellen. Wir sind der Meinung, dass den betroffenen Frauen das Recht auf diese Untersuchung zusteht. Sie entscheiden selbst, ob sie die Untersuchung vornehmen lassen oder nicht. Sie entscheiden auf der Grundlage des Ergebnisses auch selbst, ob die untersuchte Eizelle in ihre Gebärmutter eingepflanzt wird oder nicht. Es geht darum, dass Frauen sowie Ärztinnen und Ärzte nicht bestraft werden, wenn sie die Untersuchung freiwillig durchführen. Wir könnten uns auch eine weitergehende Zulassung der PID vorstellen, der vorliegende Antrag von Ulrike Flach, Peter Hintze, Dr. Carola Reimann, Dr. Petra Sitte und Jerzy Montag kommt unserer Vorstellung am nächsten.
Für uns steht das Selbstbestimmungsrecht der Frau an erster Stelle. Wir gehen davon aus, dass Frauen die Entscheidung über eine Schwangerschaft oder ihren Abbruch gewissenhaft fällen. Deswegen sind wir auch gegen den Paragraphen 218, der Abtreibungen kriminalisiert und für das Recht auf Abtreibung. Aber selbst unter dem Paragraphen 218 ist Abtreibung heute unter bestimmten Bedingungen straffrei, z.B. wenn aufgrund einer Schädigung des Fötus eine schwerwiegende Belastung für Körper oder Seele der Schwangeren besteht.
Ein pauschales Verbot der Präimplantationsdiagnostik hätte zur Folge, dass die Untersuchung der Eizelle in der Petrischale verboten wäre, während die pränatale Untersuchung im Mutterleib erlaubt ist. Das Recht auf die bewusste Entscheidung darüber, ob eine schwerwiegend geschädigte Eizelle eingepflanzt wird oder nicht, würde den Frauen jedoch genommen.
Dies ist ein Widerspruch, es sei den man stellt selbst das eingeschränkte geltende Abtreibungsrecht infrage.
Frauen zu unterstellen, dass sie die Entscheidung für oder gegen ein Kind nicht verantwortungsvoll treffen würden, ist im Falle einer künstlichen Befruchtung besonders fraglich. Paare, die versuchen mit Hilfe der Fortpflanzungsmedizin ein Kind zu bekommen, unterziehen sich einer langwierigen Behandlung, die nicht ohne Risiko und Schmerzen für die Frau erfolgt.
Wie in der Diskussion um das Abtreibungsrecht wird auch in der Debatte um PID das Recht auf Leben der befruchteten Eizellen angeführt. Der Embryo besteht zum Zeitpunkt der PID-Untersuchung aus ca. 120 Zellen und befindet sich außerhalb des Körpers der Frau. Er muss bis zum sechsten Tag nach der Befruchtung in die Gebärmutter eingepflanzt werden. Die befruchtete Eizelle ist unabhängig vom Körper der Frau nicht lebensfähig. Wir gehen von den körperlichen und seelischen Belangen der Frau aus, nicht von denen der befruchteten Eizelle, die alleine nicht lebensfähig ist.
Mit der Präimplantationsdiagnostik wird keine Auswahl zwischen Menschen getroffen. Die befruchtete Eizelle besteht im Wesentlichen aus dem Genom. Insofern steht zwar die genetische Identität des potenziellen menschlichen Wesens bereits fest. Die genetische Identität ist jedoch nicht mit der persönlichen Identität gleichzusetzen. Die körperliche Entwicklung des Embryos wird nicht einseitig vom Genom bestimmt. Sie ist Ergebnis der Wechselwirkung zwischen Genom und seiner Umgebung im Mutterleib.
Eine persönlichen Identität, entwickelt sich nicht im Reagenzglas. Sie entwickelt sich aus der Interaktion zwischen heranwachsendem Kind, Mutter und dem weiteren Umfeld. Von daher ist es eine falsche Vorstellung, mit der Entscheidung für die Einpflanzung der einen oder der anderen künstlich befruchteten Eizelle würde eine Entscheidung getroffen, welche Persönlichkeit leben darf und welche nicht.
Wenn eine Frau sich möglicherweise dagegen entscheidet, sich eine schwer geschädigte, künstlich befruchtete Eizelle einpflanzen zu lassen, so bedeutet dies keineswegs, dass sie ein Kind, das mit Behinderung auf die Welt kommt, nicht lieben würde oder sein Leben als nicht lebenswert begreift.
Es ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, Menschen mit Behinderung zu achten und zu unterstützen. Es steht außer Frage, dass es einen großen Handlungsbedarf gibt, um Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen zu unterstützen.
Die strikten Gegnerinnen und Gegner der Präimplantationsdiagnostik fürchten, dass eine begrenzte Zulassung der PID dazu führt, dass Designerbabys geschaffen werden und der Druck auf Frauen zunimmt, die keine „perfekten“ Babys zur Welt bringen.
Diese Bedenken nehmen wir ernst. In unserer Gesellschaft besteht ein enormer Druck auf Eltern, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder sich in der Konkurrenz behaupten können. Dieser Druck wird angesichts der finanziellen Not, in die die sozialen Sicherungssysteme in den letzten Jahren gebracht wurden, und angesichts der Tendenz zur Privatisierung im Kranken- und Pflegebereich zunehmen. Und es ist davon auszugehen, dass Unternehmen bereitstehen, nach Diagnoseverfahren zu suchen, die sich gewinnbringend vermarkten lassen.
Deswegen ist der Wunsch, Schranken zu setzen, verständlich. Mit einem Verbot der PID setzt man sich jedoch über die legitimen Interessen von Menschen hinweg, die sich ein Kind wünschen, aber keine schwerwiegende Erbkrankheit weitergeben wollen.