Ob es an der späten Stunde lag? Als ich gestern Nacht im Bundestag um zehn nach elf den Bundeswehreinsatz in Südsudan im Rahmen des UNMISS-Mandates kritisierte, musste ich mir folgendes im hohen Haus anhören:
„Sie sind eine Schande für dieses Parlament!“ „Sie macht sich zur Mittäterin!“ „Ohne Hirn!“
Offenbar hatte ich einen Nerv getroffen. Regierungsparteien, Grüne, SPD können nicht ertragen, wenn DIE LINKE sie mit der Realität konfrontiert. Denn ganz gleich, ob die südsudanesische Regierungstruppen einen Angriffskrieg gegen Nordsudan führen wie im vergangenen April; ganz gleich, ob sie Menschenrechtsverletzungen gegen ethnischen Minderheiten wie in der Provinz Jonglei begehen: der Einsatz zur Unterstützung der südsudanesischen Armee muss weitergehen. Meine Rede könnt ihr hier anschauen – die Zwischenrufe findet ihr unten im offiziellen Plenarprotokoll.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Die Bundesregierung behauptet, der Bundeswehreinsatz im Südsudan schütze die Bevölkerung. Er zeige  – ich zitiere Ihre Antragsbegründung – eine „glaubhafte Perspektive zur Verbesserung der Lebensbedingungen“ auf.
(Michael Brand (CDU/CSU): Das ist ja die gleiche Rede wie eben! Redewechsel!)
Ich halte beides für falsch.
Herr Westerwelle, Sie sagen, UNMISS habe die Ausweitung des zwischenstaatlichen Konfliktes zwischen Nord und Süd verhindert. Sie sollten lesen, was UNMISS selbst sagt: Wir haben kein Mandat, um Zivilisten im Grenzkonflikt zwischen Nord- und Südsudan zu schützen. Wer im Bundestag etwas anders suggeriert, täuscht die Bevölkerung.
(Beifall bei der LINKEN  Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Sie täuschen!)
In Wirklichkeit geht es bei dem Bundeswehreinsatz im Rahmen von UNMISS ausschließlich um die einseitige Unterstützung des Südsudans, und das haben wir von Anfang an kritisiert.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!)
Mit dieser einseitigen Unterstützung haben Sie letztendlich die südsudanesische Regierung zu dem Angriff und zur Besetzung der Ölfelder des Nordens im April dieses Jahres ermutigt. Und ich frage: Was muss die südsudanesische Regierung noch tun, damit Sie die Politik der einseitigen Unterstützung endlich aufgeben?
(Joachim Spatz (FDP): Die Sudanesen selber haben das Mandat gewollt!)
Sie sagen, im Bundesstaat Jonglei sei es der südsudanesischen Regierung mit Unterstützung von UNMISS gelungen, „ein Versöhnungsabkommen zwischen den ethnischen Gruppen … zu verhandeln“. Ich sage Ihnen: Uns alle beunruhigen die Nachrichten über ethnisch aufgeladene Konflikte im Südsudan. Aber das Versöhnungsabkommen, von dem Sie sprechen, wurde nie nachhaltig umgesetzt. Ende September ist in Jonglei eine neue bewaffnete Revolte der Murle ausgebrochen. Sie ist die Reaktion auf das Vorgehen der Regierungstruppen der SPLA gegen diese ethnische Minderheit. Die SPLA – ich zitiere Human Rights Watch – tötet, vergewaltigt, schlägt und foltert.
(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Sie sind eine Schande für dieses Parlament!)
Die Situation in Jonglei zeigt nur eines: dass UNMISS keinen Frieden im Südsudan implementieren kann.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie sprechen davon, dass die Einrichtung eines Frühwarnsystems wichtig ist, damit die Bevölkerung rechtzeitig vor Angriffen fliehen kann. Ja, ein Frühwarnsystem ist wichtig; aber meines Erachtens braucht es dazu keine bewaffneten Soldaten und keine Kapitel-VII-Mission. Ein Frühwarnsystem ist auch mit zivilen Mitteln zu leisten. Hören Sie endlich auf, Ressourcen einseitig in militärische Kapazitäten zu stecken.
(Beifall bei der LINKEN)
Was ist das überhaupt für ein Staat, den Sie mit Hilfe von UNMISS aufbauen? Jüngst kam heraus: 75 hohe Funktionsträger des neuen Staates Südsudan haben Gelder in Höhe von 4 Milliarden US-Dollar veruntreut – 4 Milliarden US-Dollar! Gleichzeitig ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung unterernährt. Und nun begrüßt UNMISS in ihrem Jahresbericht ein Austeritätsprogramm der neuen Regierung, das massive Einsparungen vorsieht. Das ist ein Armutszeugnis.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Inflation beträgt bei einigen Grundnahrungsmitteln 300 Prozent. Aufgrund der massiven Präsenz der UNO kosten einfache Wohnhäuser in Juba inzwischen um die 2 000 US-Dollar Monatsmiete. Das, meine Damen und Herren, schafft nicht die „glaubhafte Perspektive zur Verbesserung der Lebensbedingungen“, von der die Bundesregierung in ihrem Antrag spricht.
(Ingo Gädechens (CDU/CSU): Wieder keine Antwort! Nur Genöle!)
Der Sudan braucht eine wirkliche wirtschaftliche und soziale Perspektive. Lesen Sie unseren Entschließungsantrag aus dem letzten Jahr.
(Ingo Gädechens (CDU/CSU): Um Gottes willen! – Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Herr Präsident, so hören sich Täter an!)
Darin sind wichtige Antworten genannt. Ich sage Ihnen: Die Bundeswehr hat im Südsudan nichts zu suchen, nichts im Norden, nichts in Somalia, nichts in Mali und auch sonst nirgendwo.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN – Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Sie wird Täterin! Sie macht sich zur Mittäterin! – Karin Strenz (CDU/CSU): Ist sie schon längst! Ohne Hirn)