Hier mein Bericht aus Kairo vom 18. September
Wir treffen uns mit Amr Adly und Ahmed Mossallem von der Egyptian Initiative for Personal Rights. Diese NGO macht aktionsorientierte Forschung, einer ihrer Schwerpunkte ist die Politik von IWF und Europäischer Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung in Ägypten nehmen.
Diese wollen die ägyptische Wirtschaft mit neoliberalen Rezepten ummodeln. Die Bedingungen für Kredite sind Privatisierung, Preisliberalisierung und die Kürzung von Subventionen. Für die Mehrheit der Menschen, die bereits jetzt 80 Prozent der Gesundheitskosten und 50 Prozent der Bildungskosten aus eigener Tasche bezahlen, ist das eine absolute Katastrophe.
Die nächsten Wochen werden entscheidend dafür sein, ob IWF und EU ihr Wirtschaftsmodell diktieren können oder ob der Widerstand in Ägypten stark genug sein wird, um dagegen zu halten. Amr und Ahmed kämpfen dafür, dass nur die Subventionen gekürzt werden, die den Reichen nützen, dass Dividenden von Finanztransaktionen besteuert werden, es eine einmalige Reichenabgabe gibt und die Gas-Exportpreise neu verhandelt werden.

Kamal Abu Aita mit einer Gewerkschaftskollegin

Ordentlich Leben ist in der Zentrale des unabhängigen Gewerkschaftsverbandes EFITU. Kamal Abu Aita, der legendäre Anführer des Steuereintreiberstreikes, Gründer und Vorsitzender des EFITU, begrüßt uns. Stolz berichtet er, wie die Zahl der unabhängigen Gewerkschaften von 4 zum Zeitpunkt der Revolution auf ca. 1000 angewachsen sind. Viele Gewerkschaften wurden aus spontanen Kämpfen gegründet. Nicht alle gehören der EFITU an. 2,4 Millionen Mitglieder hat der unabhängige Gewerkschaftsdachverband. Es gibt zwar einen Mindestlohn von 1200 ägyptischen Pfund (150 €), in Wirklichkeit beträgt er aber gerade mal 230 Pfund (30 €). Kamal erinnert, dass kurz nach der Revolution ein Gesetzt erlassen wurde, das Streiks kriminalisiert hat. Die neue Verfassung, die gerade ausgearbeitet wird, wird voraussichtlich das Streikrecht einschränken. EFITU wird dagegen kämpfen. Kamal und seine Kollegen sind sich einig: Die Revolution kann nur mithilfe der Arbeiterbewegung erfolgreich sein.
Aktivisten der GUC

Im alten Cafe Riche treffen wir Mohamed, Hazem und Ahmed, drei Aktivisten der German University of Cairo (GUC). Sie studieren an der Privatuniversität, die zahlreiche Kooperationen mit deutschen Unis und Institutionen pflegt. Der Umgang der GUC mit den Rechten der Studierenden und die Repression gegen Aktivisten allerdings ist schockierend. Kampagnen für die Mitbestimmungsrechte der Studierenden, sowie Proteste im Zuge der Revolution werden unterdrückt. Es geht so weit, dass Studierende vom Sicherheitsdienst drangsaliert werden. Politische Aktivität ist so kaum möglich. Dies ist eine neue Entwicklung an den ägyptischen Universitäten. Andererseits ist die Solidarität zwischen Studierenden verschiedener Universitäten groß.
Die Methoden des alten Regimes sind immer noch allgegenwärtig. Die Studierenden bestätigen uns, was alle anderen erzählt haben. Die Revolution war im ersten Schritt erfolgreich, jetzt müssen wir darum kämpfen, die Revolution zu verändern.
Drei intensive Tage in Ägypten haben mir vor Augen geführt, dass viel auf dem Spiel steht, wenn die Revolution nicht erfolgreich sein wird. Das alte Regime ist verhasst, die Muslimbrüder, die den alten Staat übernommen haben, sind dabei, das Vertrauen ihrer Wähler zu verspielen. Die Linke ist noch zu schwach und zu zersplittert, um Millionen von Menschen eine Perspektive zu bieten. Keiner weiß, wohin die Reise geht.
Zugleich macht mir der Mut, das Engagement, der Stolz und die Leidenschaft der Aktivistinnen und Aktivisten Zuversicht, dass sie ihren Kampf erfolgreich weiterführen werden. Dafür verdienen sie alle unsere Unterstützung.
Kairo, der 18.9.