Am 15. Juni 2012 lud die Linksfraktion die Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Bündnisse, Organisationen und Initiativen der Friedensbewegung zum runden Tisch in den Bundestag ein. Dieser „Runde Tisch“ findet jährlich statt und ist bereits so etwas wie eine kleine Institution geworden. Dieses Jahr kamen 50 Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet, um einige der brennenden Fragen der Bewegung zu diskutieren.
Den Auftakt machten Monty Schädel (DFG-VK) und Claudia Haydt (IMI), die aus unterschiedlicher Perspektive der Frage nachgingen, in welchem Verhältnis Friedensbewegung und Linke zu den Soldaten stehen, die sich aufgrund des Umbaus der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee im Auslandseinsatz befinden. Dieses Thema rief im vergangenen April eine Kontroverse hervor, nach dem sich die Linke in einem Antrag im Bundestag für den freien und kostenlosen Zugang zu Internetdiensten für Soldaten im Einsatz gefordert hat.
Die Zugänge sind unterschiedlich, doch es kristallisierten sich einige wichtige Gemeinsamkeiten heraus. Der beste Schutz für die Soldaten ist es, sie gar nicht erst in internationale Einsätze zu schicken. Alle Beteiligten des Runden Tischs waren sich einig, dass die Bundeswehr aus Afghanistan und allen anderen Einsatzgebieten sofort und vollständig abgezogen werden muss.
Viele Soldaten kommen aus dem Einsatz in Afghanistan traumatisiert wieder. Auch das ist ein Ansatzpunkt für Aktivitäten der Friedensbewegung. Denn die Gewalterfahrungen im Krieg werden zunehmend auch ein Problem für die Familien und die Gesellschaft in Deutschland. Verschiedene Diskussionsteilnehmer verwiesen darauf, dass in den Kampagnen gegen die Werbung von Minderjährigen durch die Bundeswehr, etwa durch Jugendoffiziere im Schulunterricht, der Hinweis auf die Verletzungen und Traumatisierungen von Veteranen eine wichtige Rolle spielen sollte.
Bislang gibt es in Deutschland noch zu wenig Kontakt zwischen Friedensbewegung und betroffenen Ex-Soldaten, die davon berichten könnten. Anders in den USA. Zum NATO-Gipfel im Mai dieses Jahres in Chicago organisierten Kriegsveteranen einen Protest, um gemeinsam und öffentlichkeitswirksam ihre „Tapferkeitsmedaillen“ zurück zu geben.
Im Anschluss an diese Debatte führte Peter Strutynski (Bundesausschuss Friedensratschlag) in den aktuellen Stand des NATO-Krieges in Afghanistan ein. Er unterstrich, dass nach dem geplanten Abzugstermin im Jahr 2014 immer noch rund 30.000 ausländische Soldaten im Land stationiert bleiben sollen. Dabei wird es sich keineswegs nur um „Ausbilder“ handeln, sondern um kampffähige Einheiten.
Er führte vier wesentliche Gründe für das hartnäckige Festhalten an der Besatzung an:
–          in Afghanistan werden seltene Bodenschätze in großer Menge vermutet; die Bundesregierung geht einer Schätzung zufolge von Rohstofflagerstätten im Wert von 3 Billionen Euro aus;
–          Afghanistan ist potenzielles Transitland für den Transport von Erdgas und Erdöl aus Zentralasien an den Indischen Ozean; amerikanische Ölmultis verfolgten bereits in den 90er Jahren ein entsprechendes Pipelineprojekt, das sowohl Russland als auch Iran umgeht;
–          Afghanistan hat eine herausragende geostrategische Position zwischen verschiedenen Einflusszonen – insbesondere angesichts der Nähe zu Russland und China;
–          schließlich hat der Konflikt eine Eigendynamik erhalten: nachdem so viele Milliarden für einen zehnjährigen Krieg verausgabt worden sind, können nun die Regierungen der Besatzungsstaaten nicht einfach sagen: Tut uns leid, das war alles ein riesiger Fehler!
Aus dieser Analyse heraus ergeben sich die wichtigsten Leitlinien für die Politik der Linken und der Friedensbewegung. Der Krieg bleibt von hoher Bedeutung. Dies ungeachtet der Darstellung in den Medien, die den Eindruck vermitteln, in Kürze wäre der Bundeswehreinsatz vorbei. Die Forderung lautet: sofortiger, bedingungsloser und vollständiger Abzug! Gerade letzteres, so betonten Diskussionsteilnehmer, stellt eine enorme Herausforderung dar. Selbst im Zuge des geplanten Teilabzug droht eine unübersehbare Zahl von Waffen und viel Kriegsgerät in Afghanistan liegen zu bleiben. Und davon, da waren sich alle einig, gibt es in Afghanistan schon viel zu viel.
Der runde Tisch wurde schließlich abgeschlossen mit einem Bericht vom Runden Tisch Iran, zu dem die Linksfraktion im April nach Berlin einlud, aus Sorge über einen drohenden Angriff. Weitere Beiträge berührten die besorgniserregende humanitäre Lage in Syrien und die einhergehende verdeckte Intervention von Staaten wie Saudi-Arabien und Qatar. Die Sorge, dass die Konflikte um beide Staaten – so unterschiedlich sie sich gestalten – zu einem großen neuen Brand im Nahen und Mittleren Osten führen könnte, teilten alle Diskussionsteilnehmer.