Der Parteitag der LINKEN am 2./3.6. in Göttingen hat mit der Wahl eines neuen Vorstands die Grundlage für einen neuen Aufbruch als Bewegungspartei geschaffen.
Die beiden neuen Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger stehen für eine tiefe Verbindung der Partei mit außerparlamentarischen Bewegungen. Kipping hat DIE LINKE unter anderem in den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, gegen den Naziaufmarsch in Dresden und bei Blockupy Frankfurt verankert. Riexinger steht als Chef des kampfstarken ver.di-Bezirks Stuttgart für eine mobilisierende Gewerkschaftstradition und den Widerstand gegen Stuttgart 21. Beide sind zudem lange in den Protesten gegen Sozialabbau aktiv. Beide gehörten schon zum Vorbereitungskreis der Demonstration von 100.000 am 1. November 2003 in Berlin, als Widerstand gegen die Agenda 2010 seinen Anfang nahm, der in der Gründung zunächst der WASG und später der LINKEN mündete.
Von einem »Linksruck in der LINKEN« zu sprechen, wie Die Welt oder von einem »Sieg des Lafontaine-Lagers im Machtkampf«, wie der Stern, ist dennoch völlig verfehlt. Zwar erteilten die Delegierten dem Kandidaten Dietmar Bartsch eine Absage. Doch die guten Wahlergebnisse der beiden Reformer Matthias Höhn als Bundesgeschäftsführer und Raju Sharma als Bundesschatzmeister zeigen deutlich ihre Unterstützung in Ost und West. Zudem haben die Delegierten Vertreter aller Parteiflügel von Sahra Wagenknecht bis hin zum Berliner Landesvorsitzenden Klaus Lederer in den neuen Vorstand gewählt.
Der Parteitag hat vielmehr gezeigt, wie groß der Wille in der Partei ist, auf der Basis des Erfurter Programms endlich praktisch zusammenzuarbeiten. Fraktionschef Gregor Gysi hat in seiner umstrittenen Rede das Gespenst der Spaltung der Partei an die Wand gemalt. Dass der Parteitag trotz Gysis Auftritt eine breit zusammengesetzte und auf Kooperation orientierte Führung gewählt hat, beweist, dass DIE LINKE eine Substanz hat, die weit über die Galionsfiguren Lafontaine und Gysi hinaus besteht.
Die Wurzeln der neuen LINKEN im Widerstand kommen im neuen Vorstand also gut zum Ausdruck. Die politischen Probleme, die die Partei hat, sind damit zwar noch keineswegs beseitigt. DIE LINKE steckt nicht der Krise, weil sie streitet, sondern sie streitet, weil sie in der Krise steckt. Doch der neue Vorstand bietet die Voraussetzungen dafür, diese zu überwinden.
Die Verankerung von Kipping und Riexinger in außerparlamentarischen Bewegungen bietet der Partei eine Orientierung, wie sie ihre Milieus wieder erreichen kann. Derzeit wird die Partei zu sehr als Teil des politischen System wahrgenommen. Wenn sie wieder Teil des Widerstands wird, gibt das zum einen Millionen möglicher Wähler eine Hoffnung auf Veränderung und zum anderen die Chance, neue Mitglieder zu gewinnen.
Verschiedene Vorstandsmitglieder haben bereits Ansatzpunkte für Kampagnen genannt, mit denen DIE LINKE vor Ort im Vorfeld des Bundestageswahlkampfes 2013 unmittelbar an die politischen Auseinandersetzungen anknüpfen kann. Unter anderem Klaus Lederer sprach in seiner Vorstellungsrede davon, die Auswirkungen des EU-Fiskalpakts und der Schuldenbremse auf die Finanzen der Kommunen und die damit verbundenen Privatisierungen zum Thema zu machen. Da diese in fast jeder Kommune spürbar sind, bietet diese Orientierung der LINKEN überall die Möglichkeit aktiv zu werden. Zudem bietet der Fiskalpakt, der im Interesse der Banken und Konzerne ist, die Chance, über die grundsätzliche Ablehnung des kapitalistischen Systems zu sprechen.
Es kommt jetzt darauf an, diese Chance zu ergreifen und dafür zu sorgen, dass DIE LINKE ihre Möglichkeiten ausschöpft und ihre alte Stärke wieder erreicht. Ein Blick nach Frankreich oder Griechenland zeigt, dass das geht.