Ein Jahr nach der Unabhängigkeit des Südsudans ist im April ein offener Krieg zwischen Nord und Süd ausgebrochen. Es geht um die Kontrolle der Ölfelder an der umstrittenen Grenzlinie. In der zu Protokoll gegebenen ersten Lesung über einen umfangreichen Antrag von CDU/CSU und FDP unter dem Titel „Die Republiken Sudan und Südsudan stabilisieren“ fordern die Regierungsparteien nun ihre eigene Regierung auf, Sudan zu einem Schwerpunkt der deutschen Außenpolitik zu machen. Deutschland solle sich weiterhin innerhalb der UNO für bewaffnete Interventionen einzusetzen. Doch die seit Jahren laufenden UN-Mandate, die auch durch die Bundesrepublik Deutschland unterstützt werden, haben sich als völlig untaugliches Mittel zur Wahrung des Friedens erwiesen.
Meine Damen und Herren,
Herr Präsident,
ein Jahr nach der Sezession des Südsudan vom Sudan hat sich die Lage dramatisch zugespitzt. Während im Norden der Zentralstaat gegen eine Koalition aus verschiedenen vom Süden unterstützten Guerillabewegungen kämpft, hat der Süden im April mit Heglig das größte Ölfeld auf der anderen Seite der Grenze besetzt – bevor es Khartums Truppen unter Einsatz von Luftbombardements zurückgewonnen haben.
Ein Waffenstillstand hat den Konflikt für den Moment beendet. Doch er kann jederzeit wieder in einen offenen Krieg ausbrechen. Niemand braucht diesen Krieg. Doch er liegt in der Logik einer vom Westen unterstützten Sezession, die keines der sozialen Probleme gelöst hat – aber einen zweiten, durch und durch militarisierten Staat geschaffen hat.
Die Sezession fand statt, obgleich die Grenzziehung ungeklärt war. Obgleich sich die Ölfelder unter der ungeklärten Grenze befinden. Sie fand statt, ohne dass Fragen der Staatsbürgerschaft geklärt waren.
Nun werden wir Zeuge, wie Hunderttausende von Nord nach Süd, und von Süd nach Nord fliehen. Nach wie vor werden die Konflikte um Weideland ethnisch aufgeladen und vermengen sich gefährlich mit dem Konflikt zwischen Nord und Süd.
Der Sudan zeigt: Alle Versuche, Konflikte durch die Einwirkung der Großmächte von außen zu lösen, funktionieren nicht. Im Sudan sind beiderseits der heutigen Grenze seit Jahren mehrere UN-Missionen aktiv. Sie haben nicht dazu beigetragen, den Konflikt zu verhindern.
Nun fordert der Antrag der Regierungsparteien die eigene Regierung auf, sich „im VN-Sicherheitsrat weiterhin für robuste Mandate stark zu machen“.
Sie umschreiben hier diplomatisch die Fortsetzung einer Politik, die vor allem auf Entsendung von Militär setzt. Das verbrennt Unmengen an Geld. Allein die im Darfur tätige UNAMID kostet jährlich 1,8 Milliarden Dollar. Doch genau da eskaliert nun ebenfalls der Konflikt. UNAMID ist, so äußerte sich mir gegenüber ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation vor Ort, „eine große Geldfressmaschine ohne Auswirkung“.
Die Bilanz von UNMISS ist genauso erbärmlich. Die Bundeswehr hat unter diesem Mandat einige Offiziere im Südsudan, zwei davon sogar in der im April bombardierten Stadt Bentiu. Doch deren Anwesenheit trägt nicht nur Nichts zur Dämpfung des Konflikts bei. Sie half noch nicht einmal, die Berichterstattung gegenüber dem Bundestag zu verbessern. Als der Konflikt zwischen Nord und Süd eskalierte lasen wir im März und April wochenlang in den regelmäßigen „Unterrichtungen“ durch das Bundesverteidigungsministerium zum Sudan und Südsudan: „Keine berichtenswerten Ereignisse“. Während der heißen Phase des Konflikts wurde noch nicht einmal die offizielle Risikoeinschätzung verändert!
Militär ist keine Lösung für die Probleme im sudanesischen Konflikt. DIE LINKE fordert deshalb den sofortigen Abzug aller deutschen Soldaten aus dem Sudan und aus Südsudan.
Es gibt noch einen Punkt, der mich an dem Antrag wundert. Die Antragsteller tun so, als sei es die Politik der Bundesregierung, gegenüber beiden Staaten eine gleichgewichtige Politik zu betreiben. Dem ist nicht so. Während es im Süden neben der unseligen Unterstützung beim Aufbau eines inneren Repressionsapparates auch sinnvolle Entwicklungsprojekte gibt – ich nenne hier die Projekte im Bereich Trinkwasser, Abwasser und Abfallentsorgung – findet mit dem Norden keine entwicklungspolitische technische Zusammenarbeit mehr statt.
Mein Kollege Paul Schäfer war erst jüngst im Sudan und in Südsudan und musste ebenfalls feststellen, dass die einseitige Unterstützung des Westens für den Südsudan kontraproduktiv ist.
Nicht nur, weil dies– wie die Antragsteller selber einräumen – eine durch und durch militarisierte und korrupte Führung im Süden unterstützt. Sondern auch, weil das nordsudanesische Bashir-Regime den zivilen Widerstand im eigenen Land um so leichter als von außen gesteuert denunzieren kann.
Denn was wir nicht übersehen dürfen: bei all dem Leid, dass der Elendskapitalismus an der Nahtstelle zwischen Nord- und Südsudan nach sich zieht, haben wir im Norden, insbesondere in der Metropole Khartum, einen lebendigen Widerstand gegen das Regime. Der arabische Frühling hat auch hier neuen Hoffnungen Auftrieb gegeben.
Es ist dieser Widerstand allein, der Ansatzpunkt für eine Verbesserung der politischen Lage bietet. Frieden wird es erst geben, wenn die Grenzen zwischen den Ethnien und zwischen Nord und Süd überwunden werden. Die Mächtigen im Sudan forcieren diese Grenzen, um für sich selbst einen möglichst großen Teil vom Ölreichtum abzugreifen. Wahrer Frieden kann nur von unten wachsen – im Widerstand gegen die Regierungen in Nord und Süd.