Hier kann man meine Rede vom 10.5. zur Ausweitung des Atalanta-Einsatzes anschauen und nachlesen.

(Es gilt das gesprochene Wort)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung sagt, Atalanta sei erfolgreich.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP Henning Otte (CDU/CSU): Frühe Einsicht!)
Ich frage: Wenn Atalanta so erfolgreich ist, warum dann die Ausweitung? Nein, die Ausweitung ist Ergebnis des Misserfolgs. An Land soll nun das erreicht werden, wozu der Marineeinsatz auf See nicht fähig ist; aber das ist ein fataler Trugschluss.
Die Regierung sagt, es gehe nur darum, Boote, die unbewacht am Strand lägen, und Piratenlogistik zu zerstören. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Piraten immer ihre Taktik an neue Bedingungen angepasst haben. Nichts ist einfacher für die Piraten, als beispielsweise Geiseln in ihren Camps zu platzieren. Und was dann?

(Volker Kauder (CDU/CSU): Tja! Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Geben Sie doch noch ein bisschen mehr Bedienungsanleitung zur Begehung!)
Herr de Maizière ging so weit, zu sagen ich zitiere :
Ob man ein Schiff auf dem Wasser, am Ufer oder am Strand bekämpft, ist qualitativ das Gleiche …
Herr de Maizière, Sie verwischen hier bewusst die Grenzen. Sie wissen genau, dass sich das Risiko erhöht, in einen Krieg an Land hineingezogen zu werden, wenn man anfängt, Ziele an der Küste zu beschießen.
(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Sehr richtig!)
Was ist, wenn die 2 Kilometer nicht mehr ausreichen? Stimmen wir dann das nächste Mal über 20 oder 200 Kilometer ab? Wo ist das Ende?
Herr de Maizière hat in der ersten Lesung die Ausweitung der Atalanta-Mission folgendermaßen begründet:
Es gibt auch ein hohes Risiko von Kollateralschäden beim Wirken auf See.
Entschuldigen Sie, was ist denn das für ein Argument? Herr de Maizière, was Sie „Kollateralschäden“ nennen, das nennen wir und das nennt die Bevölkerung den Tod von Menschen. Zu Recht war „Kollateralschaden“ das Unwort des Jahres 1999.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Piratenjagd trifft immer wieder jene, die Sie angeblich schützen wollen. Der jüngste uns bekannte Vorfall ist dieser: Am 25. März legt ein jemenitisches Fischerboot mit zwei toten Fischern an Bord an der Küste Puntlands im Norden Somalias an. Ein nicht identifiziertes Kriegsschiff im Golf von Aden hatte die Fischer für Piraten gehalten, zwei von ihnen wurden erschossen, und die übrigen Männer wurden festgesetzt. Der tragische Tod dieser Fischer ist kein Kollateralschaden, Herr de Maizière; er ist ein Verbrechen.
(Beifall bei der LINKEN)
Er ist kein Einzelfall. Neben Atalanta finden noch andere Militäroperationen vor dem Horn von Afrika und in Somalia statt.
Ein Beispiel. Gumbah ist ein kleines Fischerdorf an der Küste Puntlands. Die Bewohner von Gumbah mussten am Abend des 16. Aprils entsetzt beobachten, wie ein Kampfhubschrauber unbekannter Herkunft sieben Raketen auf die Boote lokaler Fischer abschoss, die direkt vor der Küste ihre Netze ausgeworfen hatten. Zwei Boote wurden getroffen. Der Bürgermeister von Gumbah hat auf Nachfrage von Reportern bestätigt, dass dies nicht der erste derartige Angriff war. Allein im letzten Monat kam es zu drei weiteren Hubschrauberangriffen dieser Art. Solche Vorgänge können von der Mission Atalanta in Zukunft nicht mehr getrennt werden. Wir bleiben dabei: Die Ausweitung des Atalanta-Mandats ist eine Kriegserklärung gegen die Zivilbevölkerung in Somalia.
(Beifall bei der LINKEN)
An dieser Stelle ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen. Wir begrüßen es sehr, dass Sie Ihre Haltung zu der Ausweitung dieses Mandats geändert haben. Wir denken, dass das Argument, die bisherige Mission sei vorbehaltlos zu unterstützen, nicht logisch ist. Wenn, wie Herr Arnold gesagt hat, die Ausweitung eine Scheinlösung ist, muss man doch sehen, dass die Eskalation des Einsatzes schon viel früher begann. Die Piraten haben ihre Taktik angepasst. Das Operationsgebiet wurde ausgeweitet. Der Einsatz wurde robuster gemacht. Wir sagen: Das ganze Atalanta-Mandat ist von Anfang an nur eine Scheinlösung gewesen.
(Beifall bei der LINKEN)
Piraterie fällt nicht vom Himmel; sie hat soziale Wurzeln. Kriminelle Strukturen wie die der Piraten können nur funktionieren, wenn mafiöse Geschäftemacher junge Leute ohne Perspektive rekrutieren können. Wenn Sie dies der Linken nicht glauben wollen, dann glauben Sie es vielleicht Abdulkadir Afweyne, dem Sohn eines der bekanntesten somalischen Piraten. Er sagte in einem Interview vor drei Monaten: Bevor wir uns an der Piraterie beteiligten, waren wir Fischer. Unsere Boote wurden von Schiffen zerstört, die illegal zum Fischfang in unseren Gewässern waren, und Piraterie war unsere Antwort. Afweyne antwortete auf die Frage, wie Piraterie beendet werden kann: Zunächst einmal müssen wir wieder fischen können, ohne von Anti-Piraten-Kräften oder ausländischen illegalen Fischereischiffen eingeschüchtert zu werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Außerdem sagte er: Wir können helfen, Piraterieaktivitäten zu stoppen, wenn es die Welt interessiert. Wir sind nun bereit, uns an einen runden Tisch zu setzen, und wir werden die Piraterie in unserer Region stoppen.
Das Problem ist, dass die Bundesregierung gar nicht zum Gespräch fähig ist. Auf Anfrage der Linken nach dem Kenntnisstand zu den lokalen Strukturen in der Küstenregion antwortete die Bundesregierung jüngst:
Die derzeitigen Zustände in Somalia … lassen die Erarbeitung detaillierter Kenntnisse … nicht zu.
Sie handeln also frei nach dem Motto: Erst schießen, dann fragen.
Die Bundesregierung wie der Rest der beteiligten europäischen Staaten bekämpft die Piraterie völlig blind. Einzig die Zustimmung der korrupten Übergangsregierung können Sie als Legitimation für einen Einsatz über somalischem Gebiet angeben.
Wir sagen: Atalanta ist ungeeignet, die Piraterie zu stoppen. Aber darum geht es nicht; das hat Herr Müller-Sönksen noch einmal deutlich gesagt. Es geht darum, der Bundesmarine einen Dauereinsatz zu verschaffen, in dem für 100 Millionen Euro im Jahr geübt wird.
(Torsten Staffeldt (FDP): So ein Quatsch! Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Das ist doch lächerlich!)
Atalanta ist nur ein Baustein einer deutschen Außenpolitik, die seit Ende der 90er-Jahre nahezu ununterbrochen an irgendeinem Krieg in der Welt beteiligt ist.
(Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Bitte mal ernsthaft!)
Deshalb haben wir zu diesem Mandat immer Nein gesagt, und dabei bleiben wir.
(Beifall bei der LINKEN)