Hier dokumentiere ich meinen Vortrag auf der Konferenz von Bundestagsfraktion und Thüringer Landtagsfraktion „Konversion als Chance“ am 31.3.2012 in Mühlhausen
Weltweit werden jährlich 1,5 Billionen Euro für die Vorbereitung von Kriegen ausgegeben. In Deutschland sind es offiziell 32 Milliarden Euro.
Die Bundeswehrreform wird damit gerechtfertigt, sie würde Kosten sparen. Die Sparvorgabe für den Verteidigungshaushalt lag bei 8,5 Milliarden. In Wirklichkeit sind die Verteidigungsausgaben im letzten Jahr sogar gestiegen, wenn man alle Kosten mit einrechnet, die auch in anderen Haushaltsposten versteckt sind.
Warum ist das so?
Vom Einsatz her denken.“ Diese Formel ist der methodische Leitfaden für die große Reform der Bundeswehr, die Bundesverteidigungsminister de Maizière in seine neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) übernommen hat.
Die Bundeswehr wurde in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich zur, wie es beschönigend heißt, »Einsatzarmee«, umgebaut. Mit der aktuellen Neuausrichtung der Bundeswehr wird diese Entwicklung nun vollendet.
„Sicherheitspolitik“ wird zur ersten Staatsaufgabe erklärt. Deutschland sei endgültig angekommen in der vermeintlichen Normalität der internationalen Politik, so die Botschaft.
Deutschland als souveräner Staat „nimmt als gestaltendes Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft seine Interessen wahr. (…) Streitkräfte sind [hierbei] unentbehrliches Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes. (…) Deutschland ist bereit, als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität zur Wahrung seiner Sicherheit das gesamte Spektrum nationaler Handlungsinstrumente einzusetzen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Streitkräften.“
 
Zwar sind solche Aussagen nicht neu. Neu hingegen ist die demonstrative Offenheit und eine Deutlichkeit der Sprache gegenüber der Öffentlichkeit. Die Menschen sollen sich an eine militarisierte Außenpolitik gewöhnen.
Die neuen VPR räumen zwar ein, „eine unmittelbare territoriale Bedrohung Deutschlands mit konventionellen militärischen Mitteln [ist] unverändert unwahrscheinlich“ – um dann zu erklären, dass „Sicherheit (..) nicht ausschließlich geographisch definiert“ sei.
Betont wird in den VPR die Bedrohung freier Handelswege und der gesicherten Rohstoffversorgung“ – Aussagen, für die Ex- Bundespräsident Köhler 2010 zurücktreten musste.
Daneben wird eine Reihe diffuser asymmetrischer „Risiken und Bedrohungen“ in einer „Welt voller Unsicherheiten“ beschworen, so der „Cyber War“ oder der „Aufstieg neuer Regionalmächte“. Auch „Machtverschiebungen zwischen Staaten und Staatengruppen“ finden Eingang in den Katalog der Gefahren, welche angeblich die „Sicherheit und den Wohlstand“ Deutschlands bedrohen.
All diesen „Risiken und Bedrohungen“ ist gemein, dass sie „jederzeit kurzfristig und unvorhergesehen auftreten [können] und ein schnelles Handeln auch über große Distanzen erforderlich machten. Daraus leite sich ein umfassendes und einsatzorientiertes „Fähigkeitsprofil“ der Bundeswehr ab.
 
Während in unter SPD-Minister Peter Struck erarbeiteten Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2003 noch vornehmlich von „internationalen Verpflichtungen“ die Rede war, erachtet Verteidigungsminister de Maizère heute „Deutschlands Verantwortung in der Welt“ als neues Diktum im Sinne eines allgemeinen Trends hin zur „globalen Schutzverantwortung“. Dabei geht es nicht um Verantwortung für soziale, wirtschafts- oder entwicklungspolitische Belange. Dieses gestärkte Verantwortungsbewusstsein ist vielmehr als Blankoscheck für interessengeleitete Interventionen weltweit und hierzulande als Legitimation für den Ausbau der Bundeswehr zur kriegsführenden Armee zu sehen.
Die „Befähigung zum Kampf“, so de Maizière, sei der höchste Anspruch im gemeinsamen Kräftedispositiv der Streitkräfte und „Maßstab für den Einsatz“.
Auch verliert die traditionelle und wichtige Trennung von äußerer und innerer Sicherheit laut den VPR von 2011, „ihre Trennschärfe“. Die Bunderegierung öffnet so Tür und Tor einer militarisierten, bürgerrechtsfeindlichen und freiheitsbeschränkenden Politik.
 
Vielseitig einsetzbar, flexibel und schnell verlegbar – dies sind die strukturbestimmenden Fähigkeiten der neuen Einsatzarmee. Ihre inneren Strukturen folgen einem in den 1990er Jahren begonnenen Trend der sukzessiven Transformation der Bundeswehr hin zur globalen Interventionsarmee. Für diese sollen nun zeitgleich 10.000 Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung stehen, die in bis zu zwei größere internationale Einsätze wie dem Afghanistankrieg geschickt werden können, in denen die Bundesrepublik zudem das Führungskommando übernehmen könnte.
 
Hieran sollen sich auch die Beschaffungsmaßnahmen orientiere. Denn „beschafft wird, was erforderlich ist“. „Sicherheit ist prioritär“, so de Maizière, in seiner Rede. Von Einsparungen durch Streichung von Rüstungskäufen redet de Maizière nicht. Dabei sollen alte Verträge nicht 1:1 ausgeführt werden, um die frei werdenden Gelder für neue Rüstungsgüter nutzen zu können.
„Das Ziel dieser Maßnahmen besteht nicht darin, Ausgaben zu kürzen, sondern das Ziel besteht darin, wieder Aufträge auslösen zu können“, so de Maizière im Oktober 2011 nach einem Treffen mit hochrangigen Rüstungsvertretern.
 
Die Truppe soll von 250.000 auf 170.000 (Berufs- und Zeitsoldaten) plus 5.000 freiwillige Wehrdienstleistende plus gegebenenfalls bis zu 10.000 weitere freiwillige Wehrdienstleistende reduziert werden. Die Zahl der zivilen Mitarbeiter wird auf 55.000 reduziert, die Zahl der Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministerium auf 2000.
 
Durch die Aussetzung der Wehrpflicht fällt der wichtigste Rekrutierungspool für die Bundeswehr weg. Eine massive Werbekampagne ist bereits angelaufen, um die dadurch entstandenen Defizite bei der Nachwuchsgewinnung zu beheben.
 
Im Zuge der Bundeswehrreform wird die Zahl der Standorte durch Schließung und Umbenennung von 394 auf 264 reduziert. Weitere Standorte werden verkleinert und zum Teil umstrukturiert. So soll der Truppenübungsplatz Ohrdruf beispielsweise nur noch ein „Standortübungsplatz“ sein. Dort sollen Drohnen erprobt werden, wie sie für den Krieg in Afghanistan gebraucht werden, aber auch für die zukünftig auf das Festland von Somalia ausgeweitete Antipiraterie-Mission ATALANTA.
 
Funktionalität, Attraktivität und die Präsenz in der Fläche“ sollen laut de Maizière, wichtige Auswahlkriterien sein. Mit Blick auf die sozialen und wirtschaftspolitischen Folgen gab er zu verstehen: Die Bundeswehrreform ist „keine Schön-Wetter-Veranstaltung“. Das Standortkonzept soll kein Strukturprogramm für Länder und Kommunen sein.  Dementsprechend finden Chancen, die sich durch Konversion ergeben könnten, keine Erwähnung.
 
Die Neuausrichtung der Bundeswehr wird begleitet von patriotischem Pathos und nationalem Unterton. Durch die Aussetzung der Wehrpflicht können Jugendliche nicht mehr in die Bundeswehr gezwungen werden. Gebraucht werden neben professionellen Werbekampagnen eine neue gesellschaftliche Akzeptanz nicht nur für die Institution Bundeswehr, sondern für ihr Wirken in aller Welt.
„Finanzielle Anreize sind wichtig, ebenso attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen“, weiß der Minister. Weiter: „Aber selbst das alles reicht nicht aus: Einer guten Sache zu dienen, Verantwortung zu übernehmen, im Team Erfolg zu haben, vielleicht auch den Reiz des Besonderen zu erfahren, selbst einen Dienst zu tun, sich selbst einen Dienst zu erweisen und unserem Land zu dienen – das muss als Motivation hinzukommen, um ein guter Soldat werden zu wollen und ein guter Soldat zu sein.“
 
Wissend, dass es vor allem junge Menschen aus strukturschwachen Regionen trifft, kritisiert die LINKE, dass die Bundeswehr die soziale Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen ausnutzt. Ein freiwilliger Dienst bei den Streitkräften bedeutet früher oder später einen Kriegseinsatz im Ausland. Jugendliche werden so zu Kanonenfutter gemacht – zum Zweck der Sicherung deutscher Wirtschaftsinteressen.
 
Die LINKE ist gegen die verstärkte Militarisierung der Gesellschaft. Wir fordern, die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden, die Bundeswehr auf die Landesverteidigung zu begrenzen und auch mit einseitigen Schritten Abrüstung voranzubringen.
 
Ich komme zum Fazit:
Triebkräfte hinter der Bundeswehrreform und damit auch hinter der Schließung und Umstrukturierung von Bundeswehreinsätzen ist die Umgestaltung der Bundeswehr zur weltweit operierenden Einsatzarmee.
 
Wenn Abrüstung und Konversion im Zuge der Bundeswehrreform eine Chance bekommen sollen ist es wichtig, Druck von unten zu entfalten. Nur so können wir verhindern, dass nicht die Kommunen und die Menschen in den Kommunen für diese Politik zahlen.
 
Und es ist wichtig, konkrete Beispiele erfolgreicher Konversion von Kasernen, Übungsplätzen und anderen Militärgeländen zu zivilen Einrichtungen bekannt zu machen und zu verallgemeinern. Das ist wichtig, um Ideen für die Konversion der jetzt betroffenen Standorte weiter zu verbreiten. Und darüber hinaus eine Vision zu entwickeln, wie eine Bundesrepublik und eine Welt ohne Militär aussehen kann.
 
Diese Konferenz kann zu beidem einen wichtigen Leisten. Ich wünsche viel Erfolg!