Neonazis werden immer selbstbewusster. Christine Buchholz macht Vorschläge, wie die Linke mit dieser Gefahr umgehen kann.
Wie stark sind die Nazis im Spätsommer 2009? Das Bild ist widersprüchlich: Das Flaggschiff der rechtsradikalen Bewegung, die NPD, befindet sich in einer Finanzkrise. Im April 2009 verhängte die Bundestagsverwaltung eine Geldstrafe gegen die Partei in Höhe von 1,7 Millionen Euro. Der Grund waren gravierende Mängel im Rechenschaftsbericht für das Jahr 2007. Udo Pastörs, NPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, sprach daraufhin schon von einer „Existenzkrise“ seiner Partei.
Dies nährte die Hoffnung, dass der Spuk von alleine aufhört. Die Berliner Zeitung frohlockte: „Die mangelnde Kompetenz vieler Verantwortlichen im Kampf gegen den Rechtsextremismus wird noch übertroffen von der Inkompetenz der NPD selbst. Die NPD ist drauf und dran, sich selbst zu erledigen.“
Doch diese Hoffnung erwies sich als trügerisch. Vielmehr gingen die Nazis in der ersten Jahreshälfte in die Offensive. Am 14. Februar organisierten sie in Dresden einen erfolgreichen Aufmarsch mit 6000 Teilnehmern – doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Am 1. Mai griffen sie in verschiedenen Städten gezielt Gewerkschaftsdemos an. In Dortmund gingen rund 300 Neonazis mit Stangen und Steinen auf Gewerkschafter los. In Rotenburg an der Wümme attackierten rund hundert Nazis die DGB-Kundgebung. Zwei Monate später, am 11. Juli, versammelten sich in Gera über 4000 Rechte zum „Rock für Deutschland“-Konzert. Zusammen mit Dresden war dies die größte Nazi-Mobilisierung dieses Jahres in ganz Europa.
Offensichtlich hat die NPD-Krise die Nazi-Szene nicht entscheidend geschwächt – sie ist mobilisierungsfähiger und aggressiver denn je. Dort wo die NPD strukturell geschwächt ist, sind nicht parteigebundene, aber straff organisierte Freie Kameradschaften in die Bresche gesprungen. Die Nazis verschwinden also nicht von selbst. Das heißt, ihre Bekämpfung ist in Ost wie West eine wichtige Aufgabe der Linken.
Bei Drucklegung dieser Ausgabe war noch nicht klar, ob die NPD in die Landtage von Sachsen und Thüringen einziehen würde. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte – der Erfolg von Nazi-Parteien lässt sich nicht nur an ihren Wahlergebnissen messen. Denn sie sind etwas qualitativ anderes als „normale“ Parteien.
Die NPD verfolgt eine „Drei-Säulen-Strategie“: Kampf um die Straße, Kampf um die Parlamente und Kampf um die Köpfe. Ihr eigentliches Ziel ist es, eine eigenständige außerparlamentarische Macht aufzubauen, die Demokratie abzuschaffen und Terror gegen Schwule, Lesben, Migranten und vor allem gegen Gewerkschafter und Linke zu verbreiten. Hitlers Basis vor der Machtübernahme war die paramilitärische SA, die NPD greift heute auf rechte Skins und generell auf die rechte Subkultur zurück.
Zeit-Redakteur Toralf Staud schreibt in seinem Buch „Moderne Nazis. Der Aufstieg der NPD“ zutreffend: „Gefährlich ist die Partei nicht, weil sie in naher Zukunft in den Bundestag oder irgendwann ins Kanzleramt einziehen könnte. Auch in den Landtagen werden Holger Apfel, Udo Pastörs und Kameraden ‚das System‘ kaum stürzen können. Gefährlich ist die NPD, weil sie an einer Faschisierung der ostdeutschen Provinz arbeitet.“ Das heißt: Ihr Ziel ist es, gesellschaftliche Basisverankerung vor Ort und Macht auf der Straße aufzubauen, und davon ausgehend politische Gegner einzuschüchtern.
Wie das aussieht, hat die SPD in Bad Saarow im Oder-Spree-Kreis Mitte August erfahren müssen. Nach Angaben des brandenburgischen SPD-Generalsekretärs Klaus Ness ist eine etwa zehnköpfige Gruppe um den NPD-Landeschef Klaus Beier bei einer Diskussionsrunde der Sozialdemokraten aufgetaucht. Beier habe ihn wiederholt als Irren beschimpft, erklärte Ness. Das martialische Auftreten der „muskelbepackten Typen mit Tattoos“ habe die etwa 20 zumeist älteren Teilnehmer und auch ihn selbst verängstigt.
Ähnliches berichtete ein Aktivist aus Thüringen gegenüber marx21: „Gestern war Bodo Ramelow zum Wahlkampf in Pößneck. Die ganze Zeit stand der LKW der NPD daneben und hat unsere Veranstaltung gestört. Die Nazis standen mit uns unter dem Sonnenschirm der LNKEN. Katastrophal!“
Auch wenn die NPD im Osten am stärksten verankert ist – die Partei stellt keineswegs ein reines Ostproblem dar. In Hamburg wurde Ende August ein dunkelhäutiger Brite von Teilnehmern eines NPD-Wahlkampfstands geschlagen und mit Pfefferspray besprüht. Wenige Tage später wurde ebenfalls in Hamburg eine Passantin an einem NPD-Infostand angegriffen.
Wenn die Neonazis solche Präsenz zeigen, sich dazu vor Ort in Basisinitiativen engagieren und Kinderfeste organisieren, dann kann man dies nicht ignorieren. Doch leider meinen gerade in Ostdeutschland Politiker verschiedener Parteien, der beste Umgang mit Nazis sei, sie nicht zu beachten. Exemplarisch steht hierfür ein Rundschreiben des CDU-Kreisverbands Werder an der Havel von 2007: „Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger auf, zeigen Sie der NPD die ‚Kalte Schulter‘ und ignorieren Sie sie. Alle anderen Aktivitäten würden die NPD nur aufwerten und das müssen wir gemeinsam verhindern.“
Toralf Staud hat bereits 2006 die Folgen dieser Strategie anhand eines Vergleich der Anti-Nazi-Arbeit im mittelhessischen Ehringshausen und im sächsischen Königsstein aufgezeigt: „In Hessen ist die Gesellschaft weitgehend einig in der Stigmatisierung der NPD. Als sich vor ein paar Jahren in Ehringshausen – nach langer Gleichgültigkeit – Widerstand gegen die Partei regte, schlossen sich große Teile der Bevölkerung an. Ganz anders in Sachsen, wo häufig nicht die Rechtsextremisten die Außenseiter sind, sondern jene, die sich gegen sie engagieren, wo Polizei, Behörden und Politiker der demokratischen Parteien oft unsicher oder ignorant sind.“
DIE LINKE sollte sich nicht in die Front derer einreihen, die die Nazis erfolglos „weg ignorieren“ wollen. Tätig werden ist das Gebot der Stunde. Dazu ist es hilfreich, sich mit der politischen Aufbaustrategie der Rechten auseinander zu setzen.
Naziparteien müssen damit umgehen, dass ihre Strategie auf einem Widerspruch basiert. Einerseits wollen sie innerhalb der Partei, teilweise auch in der Öffentlichkeit, ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus ablegen, um aus Symphatisanten Nazi-Kader zu machen. Andeutungen in Reden, Trommelmärsche, „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“-Plakate und öffentlich geäußerte Sympathie für Gewalt gegen Andersdenkende sind ihnen wichtig, um junge Leute an sich zu binden. So hat zum Beispiel die NPD im vergangenen Jahr mit ihrer Kandidatenaufstellung für die brandenburgische Kommunalwahl ein deutliches Signal gesetzt: Sie nominierte Alexander Bode für den Landkreis Spree-Neiße. Bode war 2000 als Haupttäter der „Hetzjagd von Guben“ verurteilt worden. Damals hatten er und andere Nazis den algerischen Asylbewerber Farid Guendoul so lange durch die Stadt gejagt, bis dieser in Todesangst durch eine Glastür sprang und daraufhin verblutete.
Anderseits darf dieses Profil in der Öffentlichkeit nicht dominieren, um potentielle neue Anhänger aus dem Lager der Protestwähler nicht abzuschrecken. Auschwitz, Dachau, Holocaust, Zweiter Weltkrieg – kurz, die historische Erfahrung der faschistischen Barbarei ist in Deutschland weiterhin in Millionen Köpfen lebendig. Nur eine winzige Minderheit lässt sich mit der Perspektive einer Wiederholung des Nationalsozialismus gewinnen. Bei der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung ruft die Erinnerung an Hitler Entsetzen und Empörung hervor. Hier müssen die Nazis versuchen, an vorhandene Ängste anzuknüpfen.
Die gegenwärtigen Wahlkämpfe der NPD spiegeln dieses Zweigleisigkeit. Die rassistischen Angriffe gegen den in Angola geborenen thüringischen CDU-Kandidaten Zeca Schall lässt die NPD nicht weit in die Mitte der Gesellschaft ausgreifen – ebenso wenig wie ihre Kampagne während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Damals brachte die Partei einen Planer heraus, auf dessen Vorderseite ein Trikot des dunkelhäutigen Nationalspielers Partick Owomoyela zu sehen war. Darunter fand sich der Slogan „Weiß – nicht nur eine Trikotfarbe? Für ein echtes Nationalteam“. Doch gesellschaftliche Mehrheiten zu gewinnen ist auch nicht die Funktion solcher Aktionen – sie sollen vielmehr dem harten Kern der Partei signalisieren, dass die NPD trotz parlamentarischer Arbeit nicht „weich“ geworden ist und am Ziel eines „rassereinen“ Deutschlands festhält.
In der Breite arbeitet die NPD anders. Die Wahlplakate knüpfen an soziale Abstiegsängste an – in Sachsen plakatierte die Partei unter anderem „Arbeit statt Armut – Lohndrücker stoppen“, „Arbeitsplätze statt Kriegseinsätze“, „Zukunft statt Arbeitsamt“. Damit versuchen die Nazis das Feld zu bestellen, das die „Etablierten“ ihnen mit Hartz IV, Rente mit 67 und anderem Sozialabbau bereitet haben. Da abzusehen ist, dass nach der Bundestagswahl die Kosten für die Krise auf die Bevölkerung abgewälzt werden, sind die Nazis in einer starken Position.
Die NPD bietet eine einfache Lösung für alle Probleme an: Rassismus. Ihr wichtigster bundesweiter Slogan lautet »Arbeit für Deutsche«. Bei allem plakativen „Antikapitalismus“ – die Krisenlösung soll im wesentlichen auf Kosten der Migranten stattfinden. Mit diesem Rezept hat schon Hitlers NSDAP ihre Wahlkämpfe bestritten – kräftig gegen das Kapital und die „Systemparteien“ wettern, aber dann die Juden zum Sündenbock machen.
Gemeinsamer Klassenkampf statt rassistischer Spaltung – so sollte DIE LINKE dagegen halten. Sie ist eigentlich in einer guten Position, die Nazis auszukontern und Protestwähler auf ihre Seite zu ziehen. Zum Teil geschieht dies schon: Eine Infratest-dimap-Analyse der Hamburger Landtagswahl vom Februar 2008 ergab, dass DIE LINKE rund 17.000 ihrer insgesamt 50.000 Stimmen von der Gruppe der „Sonstigen“ geholt hatte – das Gros dieser Wähler hatte 2004 für die rechte Pro DM/Schill-Partei beziehungsweise für die Partei Rechtsstaatlicher Offensive votiert. „Die Linkspartei hat sich hier als Staubsauger betätigt“, urteilte Infratest-Chef Richard Hilmer.
Dies behindert den parlamentarischen Vormarsch der Nazis, ist aber nur die halbe Miete. Eine Stimmabgabe für DIE LINKE macht einen vormaligen Schill- oder NPD-Wähler natürlich noch nicht zum Linken. Sollte die Partei die in sie gesetzten Hoffnungen enttäuschen, verliert sie diese Wechselwähler auch wieder. Deshalb ist zentral, dass sie nicht nur soziale Forderungen erhebt, sondern auch als Motor in gesellschaftlichen Abwehrkämpfen agiert.
In solch eine Praxis lassen sich neben den Mitgliedern der LINKEN auch ihre Wähler einbinden – die beste Impfung gegen den Rassismus der Nazis. Wer mit seinen ausländischen Kollegen für einen gesetzlichen Mindestlohn auf der Straße stand, der wird von dem Plakat „Arbeit für Deutsche“ nicht mehr so sehr angesprochen werden.
Rassismus ist die wesentliche Antwort der Nazis auf soziale Abstiegsängste. Im Spektrum der rassistischen Propaganda hat ein Element in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen: die Islamfeindlichkeit. „Heimreise statt Einreise“ schreibt die NPD bundesweit auf Plakate und Flyer und zeigt dazu zwei Frauen mit Kopftuch.
Die Partei will damit an den Erfolg ihrer europäischen Gesinnungsgenossen anknüpfen. In den Niederlanden erzielte Geert Wilders Partei für die Freiheit bei der Europawahl mit 17 Prozent das zweitbeste Wahlergebnis, noch vor den Sozialdemokraten. Ihr Wahlkampf basierte auf der Forderung, jene Muslime abzuschieben, die „nicht genügend Integrationsbereitschaft zeigen.“ Zudem hetzte die Partei gegen den Bau von neuen Moscheen. Gleich nach Wilders Wahlsieg ist die thüringische NPD auf den Zug aufgesprungen und hat angekündigt „Mahnwachen“ vor Moscheen und islamischen Gebetshäusern abzuhalten.
Die Nazis fühlen sich mit solchen Kampagnen auf der sicheren Seite, weil die Feindschaft gegen Muslime mittlerweile zum Massenphänomen geworden ist. Jahrelange negative Typisierung – vor allem seit dem 11. September 2001 – durch Politik und Medien haben tiefe Spuren hinterlassen. Dem Allensbacher Institut für Demoskopie zufolge bejahten 2006 mehr als die Hälfte der Deutschen Aussagen, nach denen „der Islam uns bedrohe“ (56 Prozent) oder nach denen es „zu Spannungen mit der muslimischen Bevölkerung in Deutschland“ (58 Prozent) kommen werde. Ähnliches stellt die jährliche Heitmeyer-Studie des Bielefelder Instituts für Sozialforschung fest. Eine Studie im Auftrag der EU ergab 2005, dass rund 40 Prozent der Bundesbürger ihren Kindern dringend abraten würden, eine Muslima oder einen Muslim zu heiraten.
Diese Vorurteile werden sich noch verstärken, wenn DIE LINKE ihnen nicht entgegentritt. Daher ist es gut, dass Bodo Ramelow, Spitzenkandidat der Partei in Thüringen, die „Moschee-Mahnwachen“ der NPD sofort scharf angegriffen hat. Er erklärte, so etwas dürfte es in einem Land, in dem Synagogen gebrannt haben, nicht geben. Ramelow hat recht: Rassismus ist Rassismus, ob er nun im Gewand der Juden- oder Islamfeindlichkeit daherkommt.
Den politischen Kampf mit den Nazis aufzunehmen bedeutet auch, ihnen dort entgegenzutreten, wo sie ihre Politik offensiv in die Öffentlichkeit tragen – auf der Straße. Die Nazis zeigen Präsenz und veranstalten Aufmärsche um Stärke zu demonstrieren. Sie können Anziehungskraft auf ihr Umfeld ausüben, wenn sie den Eindruck erwecken, als seien sie mächtig genug, ihre Scheinlösungen durchsetzen. Deshalb ist es nötig, Naziaufmärsche zu verhindern.
Diese Arbeit nimmt uns der bürgerliche Rechtsstaat nicht ab. Am Ende der Weimarer Republik hatte die SPD jahrelang vergeblich darauf gewartet, dass die Nazis von Polizei und Gerichten zur Räson gebracht würden. Im sozialdemokratisch dominierten paramilitärischen Verband „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ waren wesentlich mehr Menschen organisiert als in der SA. Dennoch verzichtete dieser darauf, die Nazis außerparlamentarisch zu stoppen. Das Argument der SPD war, wenn sie die Legalität verletzten, dann würden sie das gleiche Spiel wie die Nazis spielen und diese dadurch stärken. Diese Ansicht rächte sich bitter – die Nazis pfiffen nach der Machtübernahme auf die Legalität und zerschlugen die SPD.
Auch heute sind Staat und Polizei keine verlässlichen Verbündeten im Kampf gegen die Nazis und ihre Aufmärsche. Das Bundesverfassungsgerichts hat den Nazis in mehreren Grundsatzurteilen das Recht auf freie Meinungsäußerung zugesprochen und lässt dieses in der Regel auch durch Polizei-Hundertschaften durchsetzen.
Trotzdem gab es in letzter Zeit ermutigende Erfolge, an denen wir anknüpfen können. Anfang August verhinderten die Blockaden hunderter Nazigegner in den hessischen Städten Nidda und Friedberg gleich zwei Aufmärsche an einem Tag. Die Polizei hatte nicht zuletzt wegen der politischen Breite des Anti-Nazi-Bündnisses darauf verzichtet, den Rechten mit Hilfe von Wasserwerfern und Knüppeleinsatz den Weg frei zu räumen. In Nidda waren unter den zwei- bis dreihundert Blockierern ein hoher Anteil Muslime, darunter viele junge Mädchen und Frauen mit Kopftüchern Die muslimische Gemeinde hatte weiße Luftballons verteilt, große Transparente angefertigt und sich an die Spitze der Straßenblockade gestellt. Unter den Blockierern war auch die CDU-Bürgermeisterin von Nidda, die mehrmals persönlich durch die Reihen ging und die Menschen aufforderte, zu bleiben.
Der Erfolg von Friedberg war möglich, weil die Aktion beides war: Politisch breit aufgestellt, von Autonomen über DIE LINKE bis hin zur muslimischen Gemeinde und der CDU. Sie war aber auch entschlossen – die Nazis wurden blockiert, sie konnten nicht marschieren. Beides zusammen hat den politischen Druck auf die Polizei so weit erhöht, das sie letztendlich gezwungen war, die Demo der Rechten aufzulösen.
Um die Nazis zu stoppen, müssen Masse und Entschlossenheit zusammenkommen. Erst die Mischung macht es. Dies hat sich in der Vergangenheit mehrfach bestätigt, so in München 1997 oder in Köln im vergangenen Jahr. Ein schönes Beispiel liefern die Ereignisse des 8. Mai 2005 in Berlin. Auch damals gab es ein Bündnis, das fernab eines Naziaufmarsches demonstrierte, und radikalere Gruppen, die sich den Faschisten in den Weg stellen wollten. Schon im Vorfeld gab es politische Kräfte, die offen, klar und deutlich zum Ausdruck gebracht hatten, dass es nötig ist, die Nazis massenhaft und entschlossen zu stoppen und in beiden Lagern dafür geworben hatten. Damit war jedem klar, dass es nicht um einen symbolischen Protest ging, sondern darum, die Faschisten wirklich an ihrem Aufmarsch zu hindern. So hatten sie den Grundstein dafür gelegt, dass im entscheidenden Moment genügend Menschen – von Rentnern bis hin zu Müttern mit Kinderwagen – bereit waren, sich gemeinsam mit den organisierten Antifaschisten den Nazis in den Weg zu stellen und die Polizeisperren beiseite zu schieben.
Ein Negativbeispiel lieferte hingegen der diesjährige Aufmarsch von 6000 Nazis in Dresden. Zwar waren doppelt so viele Gegendemonstranten anwesend – doch die Nazis konnten dennoch marschieren. Das Bündnis „Geh denken!“ von Parteien und Gewerkschaften zog harmlos an der Elbe entlang, während die Nazis die Altstadt eroberten. Das radikalere antifaschistische Bündnis „No Pasarán!“ versuchte währenddessen, sich den Rechten entgegenzustellen, kam aber mangels Masse und politischer Breite am Großaufgebot der Polizei nicht vorbei.
Welches Selbstbewusstsein die Faschisten aus ihrem Erfolg gezogen haben, lässt sich daran messen, dass einige von ihnen noch am selben Abend einen vom DGB organisierten Bus überfielen und fünf Antifaschisten verletzten, einen davon schwer.
2010 wollen die Nazis in Dresden versuchen, ihren Erfolg zu wiederholen. Die Aufgabe der LINKEN ist es, jetzt die Debatte zu führen, damit spätestens dann Masse und Entschlossenheit wieder zusammen kommen können.
Hintergrund: NPD und Freie Kameradschaften
Die NPD ist mit rund 7200 Mitgliedern die derzeit stärkste Nazi-Partei in Deutschland. Ihre größten Wahlerfolge in den letzten Jahren waren 2004 der Einzug in den Sächsischen Landtag mit 9,2 Prozent. In bestimmten Regionen von Ostsachsen, insbesondere in der Sächsischen Schweiz, erreichte die Partei bis zu 20 Prozent der abgegebenen Stimmen. 2006 zog die NPD mit 7,3 Prozent in den Landtag in Mecklenburg-Vorpommern ein.
Als Freie Kameradschaften bezeichnen sich rechtsradikale Gruppen, die keine gesetzlich definierte Organisationsform wie eine Partei oder einen eingetragenen Verein haben. Sie sind hinsichtlich ihrer Struktur und der Mitglieder nur schwer greifbar. Die Gruppen sind autonom, aber stark miteinander vernetzt. Sie sehen sich als Teil des „nationalen Widerstandes“ an, einer Art rechter Einheitsfront. In Deutschland gibt es nach unterschiedlichen Einschätzungen des Verfassungsschutzes zwischen 150 bis 200 regional und überregional agierende Kameradschaften. Nach Aussage der Dresdner Staatsanwaltschaft existieren allein in Sachsen etwa 40 freie Kameradschaften mit insgesamt 1800 Mitgliedern.
Erschienen in der September-Ausgabe von marx21