Persönliche Erklärung von Christine Buchholz Fraktion DIE LINKE nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu dem von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion:
„Ich habe am 29. Juni 2012 gegen den von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Fiskalpakt gestimmt, weil er soziale und demokratische Errungenschaft in ganz Europa und in Deutschland bedroht. Der Fiskalpakt ist ein autoritärer Vertrag, der Demokratie aushebelt und Parlamente zugunsten von nicht gewählten EU-Technokraten entmachtet. Millionen von Arbeitnehmern in Europa werden mit dem Fiskalpakt Verarmungsprogramme wie in Griechenland aufgezwungen. Dort hat die Troika aus IWF, EZB und EU- Kommission extrem unsoziale Kürzungsprogramme angeordnet. Löhne und Renten wurden drastisch gekürzt, öffentliches Eigentum privatisiert und Beschäftige im Öffentlichen Dienst entlassen. Das Gesundheitssystem kollabiert.
Nicht die griechische Bevölkerung ist Schuld an der desolaten Situa­tion. Die Bundesregierung musste einräumen, dass das Bild von den „faulen Griechen“ falsch ist. Mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von über 42 Stunden hielten die griechischen Arbeitnehmer schon vor Ausbruch der Krise den Rekord in der EU. Deutschland liegt mit knapp 36 Wochenstunden deutlich darunter. Auch der öffentliche Sektor in Griechenland ist keineswegs aufgebläht und umfasste in den Jahren 2008 bis 2011 zwischen 20,7 und 22,4 Prozent aller Beschäftigten. In Deutschland lag der Anteil zwischen 24,7 und 25,6 Prozent.Seit 2008 ist die Arbeitslosigkeit in allen EU-Ländern mit Ausnahme von Deutschland und Luxemburg gewachsen und erreichte 2011 fast 10 Prozent. Besonders hart trifft es Jugendliche im Alter zwischen 15 und 25 Jahren. Trauriger Spitzenreiter sind Spanien und Griechenland mit 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Der Fiskalpakt ist ein Angriff auf Arbeitnehmerrechte, Löhne und Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst. Angela Merkel meint, die Krise in Europa mit einem Wettbewerb um die niedrigsten Löhne überwinden zu können. Wir als LINKE streiten dagegen für einen Mindestlohn und den Ausbau des Sozialstaats.
Durch den Fiskalpakt müssen Bund, Länder und Kommunen auch in Deutschland ab nächstem Jahr mindestens 25 Milliarden einsparen. In meinem Wahlkreis in Offenbach sind wir jetzt schon mit den Auswirkungen der klammen Kassen konfrontiert: Die  Beschäftigten des Klinikums wehren sich zu Recht gegen den Verkauf an private Investoren. Jede Privatisierung bedeutet Lohndumping und Personalabbau zu Lasten der Beschäftigten und der Patienten. Der Fiskalpakt wird den Kürzungs- und Privatisierungsdruck in Ländern und Kommunen noch steigern. Der Wachstumspakt der Bundesregierung umfasst nur 10 Milliarden, während der Fiskalpakt europaweit 500 Milliarden Kürzungen bedeutet.
DIE LINKE will die Verursacher und Profiteure der Krise zu Kasse bitten. Die Banken und Finanzmärkte müssen endlich entmachtet und Millionäre besteuert werden. Meine Solidarität gilt der der Bevölkerung in Griechenland, Spanien und den anderen Krisenstaaten, die sich gegen das Verarmungsprogramm wehrt. Ich möchte kein Europa der Banken, sondern ein solidarisches Europa, und deshalb habe ich heute gegen den Fiskalpakt gestimmt.“
Christine Buchholz, Berlin, 29. Juni 2012