Bundeswehrreform

Frage zum Thema Sicherheit:
Ein Betroffener hätte einige Fragen bzgl. der Bundeswehrreform:
1. Glauben Sie, dass eine notwendige Neuausrichtung insgesamt erreicht werden kann oder ist die Umsetzung der Reform eher als ´weiter so´ mit reduzierten Zahlen zu bewerten?
2. Halten Sie die vorgestellte Grobstruktur insgesamt für zweckmäßig?
3. Wie bewerten Sie die mangelhafte Ausplanung von streitkräftegemeinsamen Spezialkräftestrukturen (einschließlich der sogenannten ´Enabler´ wie bspw. SOF-fähigem Lufttransport) und den eklatanten Widerspruch zu den Spezialkräfteentwicklungen in der NATO (Siehe auch: www.nshq.nato.int und www.nshq.nato.int )
4. Wie bewerten Sie das Reformbegleitprogramm und wie schätzen Sie die Chancen ein, dass dieses ´unbeschadet´ unser Parlament verlässt?
Antwort von Christine Buchholz:
Die Reform der Bundeswehr hat die Aufgabe, die Bundeswehr als "Armee im Einsatz" effektiver zu machen, in erster Linie kosteneffektiver. Von einem "weiter so" kann insofern gesprochen werden, als dass die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre fortgesetzt wird, die Armee in eine Interventionsarmee umzuwandeln.
DIE LINKE. hält die Zielsetzung der Reform für falsch. Nach unserer Meinung müsste es darum gehen, die Auslandseinsätze zu beenden und die Bundeswehr auf ihre Grundgesetzliche Rolle der territorialen Verteidigung zuzuschneiden. Die aktuelle Reform tut das genaue Gegenteil. Insofern halten wir sie nicht für "zweckmäßig".
In unseren Augen müssten die sogenannten Spezialkräfte, insbesondere die Division Spezielle Operationen mit den Luftverlegefähigkeiten, aufgelöst werden. Sie sind zur territorialen Verteidigung nicht erforderlich und dienen ausschließlich der Kriegsführung im Ausland.
Bundesregierung und Ministerium versuchen mit verschiedenen Maßnahmen, die Attraktivität des Soldatenberufes zu erhöhen, um trotz der Aussetzung der Wehrpflicht ausreichend Rekruten gewinnen zu können. Die wichtigste Maßnahme zu diesem Zweck, die Beendigung der Auslandseinsätze, wird natürlich nicht erwogen. Es ist richtig, den Soldatinnen und Soldaten, die in Kriege geschickt werden, die bestmögliche Nachversorgung zu ermöglichen. Entsprechend ist es Konsens in allen Fraktionen im Bundestag, die Mittel dafür zu erhöhen.
Aber der entscheidende Punkt bleibt: Die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in aller Welt muss beendet werden. Im Interesse der Soldatinnen und Soldaten, im Interesse der Menschen in den jeweiligen Ländern und im Interesse der Steuerzahler, die trotz Finanzkrise auch dieses Jahr wieder Milliarden für Aufrüstung und Einsatz der Bundeswehr bezahlen mussten.
(Frage wurde gestellt über Abgeordnetenwatch am 28.Oktober 2011

Rede zur Änderung des Wehrrechts

Hier können sie meine Rede zur Bundestagsdebatte am 24.2.2011 zur Änderung des Wehrrechts anschauen und lesen.

Weder Wehrpflicht noch Einsatzarmee

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung plant, das Wehrpflichtgesetz zu ändern, und will damit die rechtliche Umwandlung der alten Wehrpflichtigenarmee in eine Armee aus Zeit- und Berufssoldaten vollenden. Deswegen wird die Wehrpflicht ausgesetzt. Die Linke ist gegen jede Form von Zwangsdiensten - das betrifft auch die Wehrpflicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Schon die Aussetzung der Wehrpflicht befreit jährlich Tausende junger Männer von einem erzwungenen Militärdienst. Das begrüßen wir, auch wenn wir eigentlich die Abschaffung der Wehrpflicht wollen.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber wir können dieses Gesetz nicht ohne den eigentlichen Zweck bewerten, zu dem die Bundesregierung das Gesetz ändern möchte. Herr zu Guttenberg hat keinen Zweifel daran gelassen: Es geht darum, die Bundeswehr schlagkräftiger und einsatzfähiger zu machen. Aber mich wundert doch, dass in dieser Debatte noch keiner davon gesprochen hat, dass drei Soldaten, die sich in einem dieser Einsätze befunden haben, am letzten Freitag getötet wurden.
(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Der Minister!)
Herr zu Guttenberg bringt zu Ende, was in den 90er-Jahren unter der Kohl-Regierung begann: Damals wurde die Absicherung des Zugangs zu Rohstoffen und Absatzmärkten offiziell zur Aufgabe der Verteidigungspolitik erklärt. Seitdem haben Minister von CDU/CSU und SPD die Bundeswehr in zahllosen Umstrukturierungen Schritt für Schritt zu einer Einsatzarmee umfunktioniert. Heute gilt der Krieg nicht mehr als letztes Mittel zur Landesverteidigung - Krieg ist Dauerzustand. Die Linke ist gegen diese Kriege.
(Beifall bei der LINKEN)Read more

Zivilisten / Aufständische

Frage zum Thema Verlängerung Afghanistaneinsatz (ISAF):
Ich beziehe mich auf ihre Rede vom 26.2.2010 zur Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes. Dabei kamen bei mir, als ehemaliger Soldat der sich berufsbedingt mit diesem Thema befassen musste, einige Fragen bezüglich ihrer Argumentation auf.
1.
Sie sagen in Ihrer Rede das die Aufständigen in Afghanistan Zivilisten sind und somit eine Bekämpfung dieser nicht mit dem Schutz der Zivilbevölkerung vereinbar sind.
Sind die Aufständigen laut Hager Landkriegsordnung Art. 2 nicht feindliche Kräfte, selbst wenn sie nicht zu erkenne sind? Kann man dann diese Kämpfer als Zivilisten bezeichnen?
2.
Sie nennen in Ihrer Rede 2140 Zivilisten die in Afghanistan "getötet" wurden darunter 346 Kinder. Wieviele wurden davon bei Anschlägen von Aufständigen auf Zivilisten getötet?
3.
Sie beschreiben in ihrer Rede wie sie sich mit den Opfern der Bombadierung am Kundusfluss unterhalten haben und beschreiben die Folgen für sie. Haben sie sich als Vertreter des Volkes auch mit deutschen Soldaten unterhalten, die im Auftrag des deutschen Volkes im Einsatz sind der durch die Vertreter dieses Volkes also sie, die Abgeordneten des deutschen Bundestages, beschlossen wurde, und die mit ihren Steuern ihr Gehalt bezahlen? Wie fühlen sich die Soldaten nachdem Kameraden neben ihnen erschossen oder durch Explosionen getötet wurden. Haben sie sich die Folgen für die Familien der getöteten deutschen Soldaten angesehen oder diese erwähnt?
4. In einem Ihrer Antworten sagen sie, dass sie absolut für das Recht auf Selbstverteidigung und Widerstand gegen Besatzungstruppen sind. Gilt dieses Recht nur für Afghanische Bürger oder hat die Bundesrepublik Deutschland nicht auch das Recht sich zu Verteidigen, wenn das Leben der Bürger durch Terroristen bedroht wird die in einem anderen Land ausgebildet werden und von dessen Regierung unterstützt werden, selbst wenn hier noch keine solche Anschläge stattgefunden haben.
Antwort von Christine Buchholz:
Ich freue mich, dass Sie sich meine Rede angeschaut haben.
Zu 1.:
Das Humanitäre Völkerrecht betont die Notwendigkeit zum Schutz der Zivilbevölkerung. Unabhängig davon, ob man einen Krieg richtig oder falsch findet, müssen Zivilisten bei Kampfhandlungen möglichst geschont werden. Im Falle eines sogenannten "asymmetrischen" Konfliktes ist es aber schwer, zu unterscheiden, wer Zivilist und wer Kämpfer ist.
Deswegen gilt die Regelung, dass im Zweifel eine Person so lange als Zivilist zu behandeln ist, wie sie sich nicht an Kampfhandlungen beteiligt oder erkennbar unmittelbar davor steht, sich zu beteiligen. Unter anderem deshalb ist nach unserer Auffassung der Einsatz von Drohnen zur Ermordung von Personen weit ab von Gefechten illegal.
Ein asymmetrischer Konflikt ist immer ein Hinweis darauf, dass die von der staatlichen Armee bekämpften Gruppen signifikanten Rückhalt in der Bevölkerung haben. Wenn diese Armee auch noch aus dem Ausland gestellt wird, ist nach unserer Interpretation des Völkerrechts der bewaffnete Widerstand legal und legitim.
Das führt zu 2.:
Die Verantwortung für die Opfer trägt in erster Linie die Besatzungsarmee, auch wenn, wie im Falle Afghanistans, etwa zwei Drittel der Toten in Folge von Anschlägen der Aufständischen sterben.
Beide Seiten reklamieren für sich, dass sie nur "legitime Ziele" angreifen, also Aufständische oder Einrichtungen der Besatzung. Aber beide Seiten treffen mehrheitlich unbeteiligte Personen. Das ist übrigens in unseren Augen ein weiteres grundsätzliches Argument gegen Krieg.
Zu 3.:
Die Bundeswehr ist nicht im Auftrag des deutschen Volkes in Afghanistan. Sie ist auf Befehl des Oberkommandierenden (Verteidigungsminister) und mit Mandat der Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages dort. Die große Mehrheit des deutschen Volkes lehnt diesen Krieg und die Beteiligung der Bundeswehr ab.
Es ist übrigens nicht das einzige Thema, bei dem die Mehrheit des Bundestages gegen die Interessen und ausdrücklichen Wünsche der Mehrheit des Volkes entscheidet: Mindestlohn, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Atomkraft, Bankenrettungspacket, Kontrolle der Lobbyisten und Parteispenden, um nur einige zu nennen.
Das Bild, das sich uns bietet, ist immer dasselbe: Die Mehrheit im Bundestag entscheidet im Interesse einer privilegierten Minderheit. Die Mehrheit muss die Zeche zahlen – im Falle der Soldaten auch einige mit ihrem Leben.
Denn diese Fragen sind mit einander verknüpft. Die Bundeswehr als Einsatzarmee zur Verteidigung des Zugangs zu Märkten und Rohstoffen (siehe Aussagen der Herren Köhler und zu Guttenberg, siehe aber auch Weißbuch der Bundeswehr und Verteidigungspolitische Richtlinien des Ministeriums) bedeutet: Junge Menschen (hauptsächlich Männer) aus strukturschwachen Gegenden, die ihre einzige soziale Perspektive bei der Bundeswehr sehen, werden in den Kriegen für die Interessen der Reichen verheizt.
Und ja, ich habe mich mit Soldaten im Einsatz unterhalten. Und mit Angehörigen. Auch mit solchen, die von ihrem Einsatz bleibende psychische Schäden davongetragen haben.
Auch in deren Interesse, davon bin ich fest überzeugt, wäre ein Politikwechsel hin zur Beendigung der Auslandseinsätze und mehr sozialer Gerechtigkeit.
Zu 4.:
Die Vereinigten Staaten von Amerika waren das Ziel der Anschläge vom 11. September 2001, nicht Deutschland. Und dafür gibt es Ursachen, die zu benennen nicht mit einer Rechtfertigung der Anschläge gleichzusetzen sind.
Nach Angaben der UNO sind aufgrund des von den USA durchgesetzten Embargos gegen Irak über 500.000 Kinder gestorben. Ich nenne dieses eine Beispiel als Spitze des Eisbergs. In den Augen von Hunderten Millionen Menschen in der Welt stehen die USA und ihre Verbündeten für eine Politik der Unterdrückung, Erniedrigung und Ausbeutung.
Solange das so ist, wird es Menschen geben, die auch Formen des Widerstandes wählen, die wir falsch finden. Anders formuliert: Solange unschuldige Menschen unseretwegen sterben, werden auch bei uns unschuldige Menschen sterben.
Ich finde das falsch, aber das ändert nichts an der Tatsache. Auch eine Militarisierung der Gesellschaft, die Abschaffung bürgerlicher Rechte und Freiheiten, die Einführung von immer mehr Überwachung und das Führen von Kriegen in aller Welt wird das nicht verhindern. Im Gegenteil. Je mehr Gewalt von uns ausgeht, desto mehr Hass und Gewalt schlägt uns entgegen.
Wir hingegen fordern eine andere Politik. Dazu gehört, Diktatoren nicht zu unterstützen, nur weil sie in einem Konflikt auf der "richtigen" Seite stehen, wie Karsai zum Beispiel. Dazu gehört, Militär nicht in aller Welt zu stationieren und einzusetzen.
Dazu gehört auch, eine gerechte Wirtschafts- und Handelspolitik zu machen. Die Interessen deutscher Aktionäre und Millionäre sind nicht wichtiger als das Leben von Menschen in Afrika, Asien oder Südamerika.
(Frage wurde gestellt über Abgeordnetenwatch am 24. Februar 2011)

Alternativen für Afghanistan

Frage zum Thema Sicherheit:
Grundsätzlich bin ich gegen den Afghanistan-Einsatz und befürworte dementsprechend ihre Ablehnung des Verlängerungsantrags.
Allerdings stellt sich verbunden mit der Ablehnung die Frage:
Wie soll die, unter dem Konflikt leidtragende, afghanische Bevölkerung von der Herrschaft der Taliban befreit werden?
Oder anders : Wie sehen ihre Alternativen zu einer militärischen Lösung aus ?
Antwort von Christine Buchholz:
Die afghanische Bevölkerung kann sich nur selbst befreien - einerseits von der Herrschaft der Regierung Karsai und seinen verbündeten Kriegsverbrechern und von den oppositionellen Taliban andererseits. Die Voraussetzung für eine demokratische Alternative jenseits von Karsai und Taliban ist allerdings, dass die NATO ihren blutigen Krieg beendet.
Der Abzug der ausländischen Truppen würde den Kampf von Afghaninnen und Afghanen von unten nicht schwerer machen, wie von der Bundesregierung behauptet, sondern leichter. Solange die NATO-Truppen im Land sind, kann es keine Gerechtigkeit und keine Aufarbeitung der Verbrechen der Taliban geben. Denn die von der NATO gestützte Regierung Karsai hat eine Generalamnestie für die Verbrechen aller Kriegsfürsten und damit auch der Taliban erlassen. Das haben uns auch afghanische, demokratische Friedenskräfte versichert, die wir zur Afghanistan-Konferenz der Fraktion DIE LINKE "Das andere Afghanistan" nach Berlin eingeladen haben. Siehe: www.linksfraktion.de
Reha Nawin, eine afghanische Aktivistin der Opferorganisation Social Justice Seekers sagte: »Der Westen will nicht, dass in Afghanistan eine demokratische Regierung etabliert wird. Sie nehmen keine Rücksicht auf zivile Opfer. Im Parlament sitzen Kriegsverbrecher und Warlords. Karsai hat eine Generalamnestie für ihre Verbrechen unterzeichnet. Die Menschen wollen den Abzug der ausländischen Kräfte, weil sie uns außer Unglück nichts gebracht haben. Sie wollen, dass keine ausländischen Finanzhilfen mehr an Karsai gezahlt werden. Ihr sollt wissen: Die deutsche Regierung unterstützt mit Steuergeldern eine verbrecherische Regierung.«
Said Mahmoud Pahiz von der neugegründeten Solidaritätspartei Afghanistans erklärte: »Wir haben die Solidaritätspartei ohne jede Hilfe aus dem Ausland gegründet. Unsere Forderungen nach dem Abzug der ausländischen Truppen und gegen die Mafia-Regierung von Karsai finden große Unterstützung in der Bevölkerung. Mit dem Abzug der Truppen würden auch ihre afghanischen Handlanger geschwächt. Unser Kampf für Gerechtigkeit und Menschenrechte wird leichter, wenn die Truppen abziehen."
Zehn Jahre Krieg haben die Lage in Afghanistan nicht verbessert, sondern verschlechtert. Fast 120.000 ausländische Soldaten sind in Afghanistan, darunter mehr als 5.000 Angehörige der Bundeswehr. Das Jahr 2010 war das blutigste Jahr seit Kriegsbeginn. Die NATO-Truppen führten mehrere militärische Offensiven. So viele afghanische Zivilisten, Aufständische und NATO-Soldaten starben wie in keinem Jahr zuvor. Afghaninnen und Afghanen protestieren in allen Landesteilen gegen die zivilen Opfern durch die NATO. Drei Viertel sprechen sich für den sofortigen Abzug der ausländischen Truppen aus.
Gleichzeitig fehlt den Menschen in Afghanistan das Lebensnotwendige, es mangelt an Sicherheit und an Lebensperspektiven. Die Mütter- und Kindersterblichkeit ist eine der höchsten der Welt. Auf dem Land gibt es kaum Ärzte, Krankenhäuser. 60 Prozent der Mädchen können noch immer nicht einmal die Grundschule besuchen. Das Land ist verseucht durch Minen, Blindgänger und amerikanische Uranmunition.
Eine Chance auf Frieden, Wiederaufbau und Demokratie gibt es nur, wenn die NATO geht. Die Verquickung von Militärintervention und Wiederaufbau verhindert einen effektiven, an den Bedürfnissen der Menschen in Afghanistan ausgerichteten Wiederaufbau. Nur mit einem Abzug der Truppen kann Raum für demokratische Bewegungen und Opposition geschaffen werden. Die Aufgabe von Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegnern in Deutschland ist es, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, die Bundeswehr endlich abzuziehen.
Das forderten auch die auf der Konferenz anwesenden Afghaninnen und Afghanen von der Friedensbewegung in Deutschland. Die aus dem Vernetzungstreffen der afghanischen Gäste mit dem Exil-Afghanen hervorgegangen Forderungen wurden wie folgt zusammengefasst: Abzug der internationalen Truppen, Aufarbeitung aller Kriegsverbrechen und Verurteilung der Kriegsverbrecher, keine Aufwertung der Taliban durch Verhandlungen, Stärkung und Unterstützung der demokratischen und progressiven Kräfte in Afghanistan, die sich für den Aufbau einer sozialen und rechtsstaatlichen Gesellschaft einsetzen, Initiierung eines Friedensprozesses von unten und aktiven Austausch und Vernetzung mit der internationalen Friedensbewegung.
(Frage wurde gestellt über Abgeordnetenwatch am 18. Februar 2011)

Zweifelhafte Inhaftierungen

Frage zum Thema Internationales:
In Ihrer Rede vor dem Bundestag am 02.12.2010 und in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE v. 27.10.2010 fordern Sie von der israelischen Regierung "die Freilassung der palästinensischen politischen Gefangenen". Ich habe am 01.01.2011 ein Fussballspiel im Teddy Kollek Stadium in Jerusalem besucht, am selben Tag hat die israelische Polizei zwei Hamas Aktivisten (Musa Hamada und Basem Omri) festgenommen, die einen Raketenangriff auf dieses Stadion während eines Fussballspiels planten. Weitere Beteiligte wurden in den Folgetagen inhaftiert.
Meine Fragen:
1. Gelten diese Gefangenen nach der Definition von Addameer Prisoners Support and Human Rights Associantion als "politische Gefangene"?
2. Fordern Sie bzw. Ihre Fraktion die Freilassung der Gefangenen?
3. Unterstützen Sie das Vorgehen des israelischen Sicherheitsdienstes und der israelischen Polizei in diesem Fall?
Antwort von Christine Buchholz:
1. Die Hilfsorganisation Addameer kümmert sich um Personen, die in den Besetzten Gebieten wohnen und keine israelische Staatsangehörigkeit haben. Für diese Menschen gelten besondere Gesetze, die israelischen Militärverordnungen. Sie werden nicht von der Polizei verhaftet, sondern von der Armee. Der Gang durch israelische Rechtsinstanzen ist ihnen im Normalfall verwehrt. Diese Personen sind politische Gefangene im Sinne Addameers.
In dem von Ihnen genannten Fall handelt es sich um zwei israelische Staatsbürger (Haaretz), bzw. einen israelischen Staatsbürger und einen Bewohner des 1981 annektierten Ostjerusalems (Jerusalem Post), was eine Art halber Staatsbürgerschaft bedeutet. Letzterer könnte prinzipiell, sollte er aus Ostjerusalem stammen, unter diese Definition politischer Gefangener fallen, weil Ostjerusalem völkerrechtlich als besetztes Gebiet gilt.
Aber das Spannende an diesem Fall ist doch etwas anderes – und das ist für Ihre zweite und dritte Frage von Bedeutung:
Erstens, alle Informationen erhielt die Presse ausschließlich vom israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Bet. Eine unabhängige Überprüfung der Fakten hat nicht stattgefunden. Schon die Tatsache, dass die Staatsangehörigkeit der Verhafteten nicht einheitlich beschrieben werden kann, ist eigentlich ein Skandal.
Zweitens gibt selbst der Geheimdienst zu, dass keine Raketen oder Sprengstoffe gefunden worden sind, die Verdächtigen hätten lediglich "Gelände erkundet". Das erscheint etwas merkwürdig, in Anbetracht dessen, dass die Verdächtigen angeblich seit zwei Jahren einen Anschlag vorbereiteten.
Drittens ist die Verbindung von Hamas mit Terroranschlägen sehr unwahrscheinlich. Es ist natürlich niemals auszuschließen, dass sich Mitglieder oder Sympathisanten einer Organisation nicht an die Politik derselben halten. Aber klar ist, dass Hamas seit über zwei Jahren keine Raketen mehr auf Israel schießt und bereits seit fast zehn Jahren keine Selbstmordanschläge mehr organisiert. Was auch immer zu dieser strategischen Umorientierung geführt hat, sie ist real und sollte zur Kenntnis genommen werden.
Eventuell hat der Shin Bet Organisationsnamen durcheinander gebracht oder der Einfachheit halber Hamas genannt, weil die anderen Organisationen im Westen keiner kennt. Oder weil eine Diskreditierung der Hamas politisch nützlicher ist.
Viertens ist ein terroristischer Hintergrund der beiden Verdächtigen insgesamt unwahrscheinlich, egal ob Hamas oder einer anderen Organisation. Beide sind Mitarbeiter der britischen Botschaft und wurden vor Anstellung (und sicherlich auch danach regelmäßig) überprüft.
Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre das eine Blamage für die britische Regierung. Vor allem wäre es ein Rückschlag für die Solidaritätsbewegung in Großbritannien, wo natürlich über terroristische Verstrickung von Angestellten der Botschaft ausführlich berichtet wird. Aber vielleicht ist auch das nicht unbeabsichtigt.
Alles in Allem sehe ich viele Ungereimtheiten, die in meinen Augen dafür sprechen, dass der Fall aus politischen Gründen konstruiert wurde. Sollte dem so sein, handelt es sich tatsächlich um politische Gefangene, wenn auch nicht in dem Sinn unseres Antrages und meiner Rede.
Um also ihre Fragen zwei und drei zu beantworten:
2. Ich fordere in diesem Fall eine rechtsstaatliche Untersuchung und einen fairen Prozess. Dazu gehört auch, dass es keine Vorverurteilung gibt. Und ebenso, dass im Falle eines Freispruches ebenfalls ausführlich darüber berichtet wird. Letzteres, so befürchte ich, wird auf keinen Fall passieren, dass kennen wir auch aus der deutschen Presse: "Islamist verhaftet!" auf der Titelseite... die Freisprechung durch ein ordentliches Gericht wenige Wochen später ist dann nicht einmal eine Notiz auf Seite fünf wert.
3. Ich unterstütze prinzipiell keine Geheimdienste, sie gehören abgeschafft. Selbst den in den Parlamenten für die Überwachung der Geheimdiensten zuständigen Abgeordneten werden Informationen verschwiegen. Geheimdienste unterliegen keiner realen Kontrolle durch demokratische Institutionen. Das betrifft Israel genauso wie alle anderen Staaten. Und dieses Beispiel wirft wieder so viele Fragen auf, dass ich es nicht für ein Beispiel für den Nutzen von Geheimdiensten halte – eher bestärkt es meine Skepsis.
(Frage wurde gestellt über Abgeordnetenwatch am 09. Januar 2011)

5. Rundbrief

Hier ist mein fünfter Rundbrief aus dem Dezember 2010 zum Download zu finden.

Palästinensische politische Gefangene in Israel müssen unverzüglich freigelassen werden

Bundestagsrede von Christine Buchholz am 2.12.2010

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Frieden in Nahost kann es nur geben, wenn die politische Betätigung der Palästinenserinnen und Palästinenser nicht weiter eingeschränkt wird. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Addameer befanden sich am 30. September dieses Jahres 6180 Palästinenser aus politischen Gründen in israelischer Haft. Unter diesen politischen Gefangenen befinden sich 212 Palästinenser in sogenannter Administrativhaft. Diese Gefangenen bleiben ohne Anklage und ohne Recht auf ein Gerichtsverfahren im Gefängnis. Sie werden aufgrund angeblicher geheimer Informationen festgehalten. Das israelische Militär kann palästinensische Zivilistinnen und Zivilisten ohne Begründung für sechs Monate einsperren; die Gefangennahme kann kurz vor Ablauf der Frist beliebig oft verlängert werden.

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Nein zum Einsatz am Horn von Afrika!

Bundestagsrede von Christine Buchholz zu Somalia

In ihrer Rede im Bundestag vom 24. November begründet Christine Buchholz die Ablehnung der Linken für den Einsatz der Bundeswehr am Horn von Afrika.
Sie führt aus, dass der Einsatz weder den Somaliern noch den Seeleuten hilft. Die Bundesregierung und die Bundeswehr ist Teil des Problems, das sie zu beseitigen vorgeben.
Nach Horst Köhler hat nun auch Minister Guttenberg deutlich gemacht, dass die Aufgabe der Bundeswehr die Verteidigung deutscher Interessen sei. Sie richtet sich dabei auch gegen die Konkurrenz "aufstrebender Mächte" deren Bedarf an Rohstoffen ständig steige. Piraterie und humanitäre Katastrophen sind lediglich der Vorwand für eine Seeraumübung für die Kriege des 21. Jahrhunderts. Hier der Link zum Video der Rede, hier zum Text. Hier ein Hintergrund-Artikel von Christine Buchholz und Stefan Ziefle "Somalia: Die Rückkehr der Kanonenboote".

Nein zum Einsatz am Horn von Afrika!

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Buchholz für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Christine Buchholz (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich für eine Minute vor, Sie wären in Somalia, Sie wären einer von 3,2 Millionen Menschen, die ohne die Hilfslieferungen der UNO nicht überleben können, Sie müssten sich und ihre Familie ernähren. Vielleicht wäre Ihr einziger Ausweg aus dem tagtäglichen Kampf ums Überleben, sich einer Piratenorganisation anzuschließen.
(Zuruf von der CDU/CSU: So ein Quatsch!)
– Hören Sie sich an, was die Angeklagten in Hamburg zu sagen haben! – Dann verwundert es Sie nicht, dass die Zahl der Piratenüberfälle nicht zurückgegangen ist. Das ist schon mehrfach gesagt worden; ich möchte noch einmal Zahlen hinterherschicken: Von Januar bis September 2010 gab es 126 Piratenüberfälle. Im gleichen Zeitraum des Jahres 2008, also im letzten Jahr vor Atalanta, waren es 87. Piraterie wurde nicht bekämpft. Der einzige Effekt der Mission ist, dass die Piraten ihr Einsatzgebiet ausgeweitet haben.
Es gehört auch dazu, wenn man ehrlich Bilanz ziehen will, zur Kenntnis zu nehmen, dass es im Jahr 2006 die niedrigste Zahl von Überfällen gab. Das lag daran, dass es damals in weiten Teilen Somalias politische Strukturen mit Unterstützung der Bevölkerung gab: die Union der Islamischen Gerichtshöfe. Aber diese Struktur lokaler Autoritäten hat den Regierungen in Europa und in den USA nicht gepasst. Sie gerieten ins Visier des sogenannten Kriegs gegen den Terror. Im Sommer 2006 unterstützte die Bush-Administration eine äthiopische Invasion, in deren Folge 16 000 Somalier getötet wurden und der somalische Staat endgültig zusammengebrochen ist. Der Zusammenbruch des somalischen Staates ist also nicht vom Himmel gefallen, sondern ein Ergebnis der westlichen Intervention.
(Beifall bei der LINKEN)
Westliche Regierungen haben sich ein paar somalische Warlords ausgeguckt und zur neuen somalischen Regierung erklärt. Mittlerweile sind 8 000 Soldaten der Afrikanischen Union, teilweise finanziert mit Entwicklungshilfegeldern aus der EU, in Mogadischu, um diese Warlords zu stützen. Die Bundesregierung und die EU finanzieren einen Krieg mit, der allein in diesem Jahr 2 000 Zivilisten das Leben gekostet hat. Reden Sie also nicht von der humanitären Politik der Bundesregierung in Somalia!
(Beifall bei der LINKEN)
Voraussetzung für ein Ende der Piraterie sowie für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Somalia sind das Ende des Krieges und eine somalische Regierung, die von den Somaliern akzeptiert wird.Read more

4. Rundbrief

Hier ist mein vierter Rundbrief aus dem Oktober 2010 zum Download zu finden.

Gespräche mit Soldaten

Frage zum Thema Sicherheit:
Sie sind Mitglied des Verteidigungsausschusses. Wann haben Sie das letzte Mal die Marine besucht?
Antwort von Christine Buchholz:
"Die Marine" habe ich nicht besucht. In meinem einen Jahr als Abgeordnete habe ich die Gelegenheit wahrgenommen, mit Offizieren des KSK in Calw, der Division Spezielle Operationen in Stadtallendorf sowie des Einsatzführungsstabes zu sprechen.
Diese Gespräche haben mir deutlich gemacht, wie selbstverständlich für die Bundeswehr mittlerweile der weltweite Einsatz geworden ist. Krieg ist heute, anders als noch vor zehn, fünfzehn Jahren, offensichtlich das Alltagsgeschäft der Bundeswehr und nicht mehr die Ausnahmesituation, auf die es sich vorzubereiten gilt.
Aber die interessantesten Gespräche hatte ich mit den Soldaten im Einsatz. Bei meiner Reise nach Afghanistan im Februar konnte ich auch außerhalb des offiziellen Programms mit Soldaten reden. Viele der Soldaten sind offenbar nur wegen der außergewöhnlichen Bezahlung im Kriegseinsatz. Und Krieg ist es, was sie dort erleben. Die Angst ist allgegenwärtig, ebenso das Misstrauen gegenüber allen afghanischen Menschen und Dingen, die ihnen begegnen.
Diese Gespräche haben mich in meiner Überzeugung bekräftigt, dass die Bundeswehr besser heute als morgen aus Afghanistan abgezogen werden sollte – auch, aber nicht nur, im Interesse der Soldaten.
Ich plane momentan eine Reise in den Sudan. Dort werde ich das Gespräch mit den deutschen Soldaten vor Ort suchen. Eine Reise nach Dschibuti zum deutschen Kontingent bei ATALANTA (das wäre dann Marine) ist momentan noch nicht geplant. Aber sollte sich der Einsatz entgegen meiner Hoffnung noch länger hinziehen, wird auch das eine Option.
(Frage wurde gestellt über Abgeordnetenwatch am 09. Oktober 2010)