Mein Beitrag auf der Veranstaltung von Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW, Bischöfliche Akademie des Bistums Aachens, Evangelische Akademie im Rheinland, Evangelisches Erwachsenenbildungswerk im Kirchenkreis Aachen am 4.2.2022.

1) Der Krieg war ein Desaster mit Ansage und es war eine Niederlage der USA, der NATO und auch der Bundesrepublik Deutschland

Keines der Kriegsziele wurde erreicht. Die Taliban sind so stark wie nie zuvor. Die Illusion, Demokratie und Frauenrechte von außen zu implementieren ist zerplatzt.

Dass es eine Schicht von Afghaninnen und Afghanen gab, die von der Situation profitiert haben und ihren Anteil zum Aufbau des Landes und zur Versöhnung beigetragen haben, wiegt diese Bilanz nicht auf.

 

2) Leidtragende waren Zivilist*innen von denen viele getötet wurden, deren Lebensgrundlage zerstört wurde.

Wir sehen ein Land, dass am Boden liegt, Infrastruktur und Wirtschaft zerstört. Das ist ein desaströs Ergebnis für 20 Jahre Krieg und „Wiederaufbau“

Die NATO-Staaten und ihre Verbündeten schließt an die vorherigen Kriege der letzten 40 Jahre an – die Invasion der Sowjetunion und das Aufrüsten der Mujaheddin durch die USA und ihre Verbündeten gegen die Sowjetunion hat hunderttausende das Leben gekostet, ebenso die Phase des Bürgerkrieges in den 90er Jahren. (1)

 

3) Das Leben von afghanischen Zivilist/innen zählte in diesem Krieg nichts.

Die NATO fing erst 2005 an, zivile Opfer zu registrieren, stellte das Programm aber wieder ein. Die UN weiteten 2009 ein Projekt zur Erfassung der getöteten und verletzten Zivilisten in Afghanistan. S.271 (Whitlock)

Der Krieg hat über 250 000 Menschen das Leben gekostet und noch mehr Menschen verstümmelt und traumatisiert. 3600 Soldaten der Militärkoalition und zehntausende afghanische Polizisten und Soldaten starben im Einsatz. Über 2,3 Billionen Dollar wurden nach Berechnung des Cost of war Projects ausgegeben.

Kontrast: Unicef macht gerade seien größte Kampagne und versuche 2 Milliarden Euro für die 13 Millionen hungernden Kinder Afghanistans zu mobilisieren, weil es möglich ist, Milliardensummen für den Krieg zu mobilisieren, aber nicht für humanitäre Hilfe.

In Deutschland steht der Umgang mit dem Massaker von Kundus stellvertretend für die Ignoranz gegenüber dem Leben der afghanischen Zivilbevölkerung.

Ca 100 Personen wurden auf Befehl der Bundeswehr ermordet.

Obwohl im Untersuchungsausschuss belegt wurde, dass Oberst Klein Einsatzregeln gebrochen hatte und die entführten Tanklaster keine Gefahr für das Feldlager der Bundeswehr darstellten, gab es keine rechtlichen Konsequenzen. Oberst Klein wurde sogar zum General befördert.

Die Hinterbliebenen und Verletzten bekamen hingegen keine Entschädigung und auch keine offizielle Entschuldigung.

 

4) Die Taliban sind so stark wegen der durch die NATO-Staaten beförderte Korruption der alten afghanischen Eliten und durch die hohe Zahl an zivilen Opfer sowie die gegen Zivilisten gerichtete Kriegsführung.

2008/09 zählten die Taliban einige Zehntausend, heute sprechen wir von über 100.000 Kämpfern, die an der Offensive teilgenommen haben.

 

Zwei Gründe:

Zum einen die Korruption:

Im Interview beschreibt der Journalist Emran Feroz die Korruption unter der, dem Westen genehmen Regierung: „30, 40, 50 Minuten von Kabul entfernt gab es Dörfer ohne Infrastruktur. Die Menschen dort sagen mehr oder weniger das Gleiche, nämlich dass die Regierung in Kabul sie stets ignoriert hat. Dafür hat die Korruption ihren ganzen Alltag penetriert. Es geht um ganz einfache Dinge, zum Beispiel eine Erbstreitigkeit. Der Beamte der Regierung will Geld, nervt und macht seine Arbeit nicht. Dann geht die betreffende Person zum Taliban-Richter, der erledigt das und will nicht mal Geld.“

 

Zum anderen die Art der Kriegsführung:

Drohnenangriffe, Razzien und großflächige Bombardements haben sehr oft Zivilistinnen und Zivilsten getroffen.

Deshalb hat der Aufstand gegen die Regierung Karzai und die ausländischen Truppen hat eine breite Unterstützung in der afghanischen Bevölkerung. Die Aufständischen, die Sie bekämpfen, sind Teil der Bevölkerung. Soldat/innen können sie oft nicht unterscheiden. Das heißt, militärische Aufstandsbekämpfung und Schutz der Bevölkerung sind unvereinbar.

Solange die zivile Hilfe dem Ziel der militärischen Aufstandsbekämpfung untergeordnet ist, wird sie niemals in der Lage sein, die Lebensbedingungen der Afghanen zu verbessern.

Ein bekannter Taliban-Kommandant hat mal gesagt, er brauchte gar nicht viel zu machen, die Amerikaner sorgten für die Rekrutierung.“

Damit kommen wir zu der entscheidenden Frage: Wie konnte es zu einer so Krassen Kluft zwischen Anspruch und Realität kommen?

 

5) Es ging bei dem Krieg um diesen geopolitischen Einfluss der USA und der NATO Staaten und nicht darum, den Menschen in Afghanistan zu helfen.

Bereits vor dem 9./11. arbeiteten Neokonservative Berater eine Strategie aus. Dazu empfahl ein Strategiepapier von 1999 die »Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens«, das sogenannte »Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert«. Geschrieben wurde es unter anderem von Bushs späteren Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und dem späteren Vizepräsident Dick Cheney.

Der Plan des Bush-Teams basiert auf einer genauen Einschätzung der langfristigen wirtschaftlichen und geopolitischen Bedrohungen, denen der US-Kapitalismus ausgesetzt ist. Die US-amerikanische militärische Macht sollte erhalten und ausgebaut werden, um die Entstehung von Konkurrenten zu verhindern. Es ging um den Zugang zu Energieressourcen in der geostrategisch wichtigen Region des Nahen und Mittleren Ostens, aber auch ganz generell darum, die Dominanz des US-Kapitalismus weltweit abzusichern.

 

Für Deutschland heißt das:

Die militärische Präsenz in einer Region von zentraler geopolitischer Bedeutung und der Umbau der Bundeswehr zur global agierenden Einsatzarmee waren die Triebkräfte für die deutsche Kriegsbeteiligung.

Wer nicht mitkämpft, hat auf der Weltbühne nichts mitzureden. Der damalige Außenminister Joschka Fischer sagte: „Die Entscheidung `Deutschland nimmt nicht teil` würde auch eine Schwächung Europas bedeuten und würde letztendlich bedeuten, dass wir keinen Einfluss auf die Gestaltung einer multilateralen Verantwortungspolitik hätten. Genau darum wird es in den kommenden Jahren gehen. […] Das Maß der Mitbestimmung richtet sich nach dem Maß des Mitwirkens.“

Auf der Grundlage erklärte Gerhard Schröder George W. Bush die uneingeschränkte Solidarität.

Es ging um diesen geopolitischen Einfluss und nicht darum, den Menschen in Afghanistan zu helfen.

 

6) Der Westen und auch die Bundesregierung sollten daraus die Konsequenzen ziehen, Kriege beenden und keine neuen anfangen.

Menschenrechte und Demokratie kann man nicht herbeibomben.

Der Krieg gegen den Terror ist gescheitert. Er sollte beendet und nicht in neue Regionen getragen werden – wie z.B. in die Sahelzone. In einer Studie beschreibt die NGO Action on armed violence, dass in den 10 Jahren vor 9/11 weltweit 155 Terroranschläge stattgefunden haben, in den 10 Jahren danach 3155.

Der Vernetzte Ansatz, der zivile Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit in militärische einbindet, muss beendet werden.

 

7) Die, die den Krieg geführt haben, stehen in der Verantwortung, die humanitäre Krise in Afghanistan zu bekämpfen und denen Schutz zu geben, die ihn brauchen

  1. Devisenreserven müssen unverzüglich freigegeben werden – so wie es die UN und die Hilfsorganisationen fordern
  2. Muss mit der Taliban Regierung kooperiert werden, damit die Hilfe zu den Menschen kommt.
  3. Bleiberecht für Geflüchtete – Hilfe für Ortskräfte und andere bedrohte Personen