Vor 20 Jahren fanden in Genua die Proteste gegen den G8 Gipfel statt. Am 20.7., auf den Tag genau vor 20 Jahren, wurde Carlo Giuliani erschossen. Hier ein kleiner persönlicher Rückblick auf den bis dahin größten Protest der antikapitalistischen Bewegung in Europa.

Der Protest war ein Meilenstein im internationalen Widerstand gegen den Kapitalismus und seine Repräsentanten – die G8. Ihre Regierungschefs wie Silvio Berlusconi, George W. Bush, Tony Blair, Wladimir Putin oder Gerhard Schröder repräsentierten die kapitalistische Globalisierung, standen für Krieg, globale Ausbeutung und Repression.
Die Folgen der kapitalistischen Globalisierung, wie die Verarmung des Globalen Südens, standen im Zentrum des Protests. Verschiedene Gruppen brachten unterschiedliche Aspekte ein: Die Entrechtung von Migrant:innen, Umweltzerstörung und die Forderung nach Umverteilung des globalen Reichtums.

Ich war bereits einige Tage vorher angereist und hatte mit vielen anderen internationalen Aktivist:innen die Demonstrationen vorbereitet.
Gemeinsam mit anderen zeltete ich in einem Park nahe der Innenstadt. Anwohner:innen begrüßten uns freundlich, brachten Pasta und Melone. Wir waren willkommen, die Regierungschefs der G8 nicht.

Am 18. Juli gab Manu Chao ein Konzert. Unmengen von jungen Menschen versammelten sich. Am Donnerstag, den 19. Juli, fand ein Marsch von Geflüchteten und antirassistischen Initiativen statt. Es kamen mehr als 50.000 Menschen – dreimal mehr als erwartet.
Die Stimmung war wütend und fröhlich zugleich. Wütend ob der Abschottung der G8-Regierungschefs, die sich hinter der Militärpolizei, den Carabinieri, und ihren gepanzerten Fahrzeugen sowie einem hohen Zaun verschanzt hatten. Fröhlich, weil wir uns stark fühlten als internationale Bewegung, die solidarisch ihre Kämpfe unterstützt. »They make misery, we make history« war einer der Slogans (Sie machen Elend, wir machen Geschichte).

Am zweiten Tag versammelten sich internationale Aktivist:innen, Tute Bianche, eine von den Zapatistas inspirierte soziale Bewegung, die in weißen Overalls und mit Polstern geschützt gegen die Politik der G8 auf die Straße gingen, linke Gewerkschafter:innen, die neu gegründete globalisierungskritische Organisation Attac und viele andere an verschiedenen Orten in der Stadt. Man hatte sich auf verschiedene Aktionen an unterschiedlichen Orten verständigt.
Trotz der hohen Zäune und tausender martialisch auftretender Polizeikräfte gelang es uns, bis zum Zaun vorzudringen und uns nicht zurückdrängen zu lassen. Die Stimmung war angespannt, aber gut.

Die Reaktion des italienischen Staates war brutal.
Wir hatten bereits beobachtet, wie die Polizeieinheiten und Carabinieri von ihrem Einsatzzentrum am Hafen, die Stadt »sicherten«. Sie patrouillierten durch die Stadt und versuchten Menschen gewaltsam einzuschüchtern.
Bereits Wochen zuvor war vor der angeblichen Gewalt der Protestierenden gewarnt worden. Es wurde versucht, eine regelrechte Panik zu erzeugen.
Immer wieder gingen Einsatzkräfte in Robocop-Montur brutal gegen Teile der Demonstration vor.
Dabei traf es an diesem Tag vor allem verschiedene Kräfte der italienischen radikalen Linken, die in den letzten Jahren an Bedeutung und Gewicht gewonnen hatten.
An diesem Tag, dem 20. Juli 2001 wurde der 23-Jährige Carlo Giuliani von einem Carabiniere in den Kopf geschossen und anschließend von einem Polizei-Jeep überrollt.
Der Schock und die Empörung war riesig.

Abends saßen wir zusammen und überlegten, wie wir reagieren sollten. Viele italienische und internationale Aktivist:innen waren schon in der Stadt. Die italienischen Bewegungen und vor allem die Rifondazione Comunista verstärkten in Reaktion auf Carlo Giulianis Tod die Mobilisierung.

Am Samstag, den 21. Juli versammelten sich seit den frühen Morgenstunden Hunderttausende auf dem Corso Italia, einer breiten Straße am Meer. Es wurde immer voller, auch wenn sich der Zug langsam in Bewegung setzte, kam man dennoch nicht voran.
Die Sonne brannte. Anwohner:innen schütteten zur Abkühlung Wasser auf die Demonstrant:innen und zeigten mit Schildern und Fahnen ihre Solidarität.