Meine Rede im Deutschen Bundestag zum Thema Ausbildungsprogramme für Imame aus dem Protokoll

Sehr geehrter Präsident/in,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die LINKE begrüßt die heutige Debatte und den Antrag der Grünen, denn dieser Antrag greift ein offensichtliches Defizit bei der umfassenden Imamausbildung in Deutschland auf und macht Vorschläge, die in die richtige Richtung weisen.
Wir treten dafür ein, dass Muslime die gleichen Rechte bekommen wie andere Religionsgemeinschaften. Um es  noch einmal deutlich zu sagen: Das ist bisher nicht der Fall. Und das muss sich ändern.
Dazu gehört es, dass Muslime den gleichen Zugang zu Religionsunterricht, zur Wohlfahrtspflege, zur Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen und auch zur umfassenden Ausbildung von religiösem Personal bekommen.

Wer Pastorin oder Pastor werden will, studiert evangelische oder katholische Theologie, absolviert nach dem Studium das Vikariat und besucht ein Predigerseminar. Auch für Rabbinerinnen und Rabbiner gibt es in Deutschland seit einigen Jahren endlich wieder die Möglichkeit einer staatlich anerkannten universitären Rabbinerausbildung. Das ist zumindest ein Anfang.

Für Muslime gibt es das bisher nicht. Es geht bei der Imamausbildung nicht um Sonderrechte, sondern darum, endlich Gleichbehandlung durchzusetzen.
Wir meinen: Es muss eine Aus- und Weiterbildung nach dem Studium der islamischen Theologie geben. Hierfür müssen die universitären und finanziellen Voraussetzungen geschaffen werden. Bund und Länder sind in der Pflicht, sie müssen hier liefern und mit den muslimischen Verbänden gemeinsam Lösungen finden, denn diese habe ein Recht auf Mitwirkung.

Seit den Empfehlungen des Wissenschaftsrats von 2010 für die Etablierung von islamische Studien in Deutschland zur Ausbildung von Religionslehrerinnen und Imamen, Seelsorgerinnen und Sozialarbeitern ist zu wenig passiert. Dass die große Koalition in Niedersachsen die Weiterbildung von Imamen in Osnabrück jetzt auslaufen lässt, ist ein schwerer Fehler. Diese Entscheidung sollte rückgängig gemacht werden.

Statt immer nur die Auslandsfinanzierung zu beklagen, müssen Bund und Länder hierzulande die politischen, strukturellen und finanziellen Voraussetzungen für eine Kooperation zu schaffen.
Dass die AfD die Auslandsfinanzierung einseitig beim Islam anprangert und nichts zu Auslandsfinanzierungen anderer Religionen sagt, zeugt von ihrem selektiven Verständnis für Grund- und Menschenrechte. Man kann Restriktionen nicht nur für eine Religion verlangen.
Ihnen geht es mal wieder nur darum Hass zu schüren. Das ist menschenverachtend!

Innenminister Seehofer hat in seiner Rede zum Auftakt der Deutschen Islamkonferenz betont, dass Muslime zu Deutschland gehören, dass sie die gleichen Rechte und Pflichten haben. Das ist richtig.
Aber wenn Horst Seehofer sich als Brückenbauer inszeniert ist er wenig glaubhaft. Seine Aussagen, der „Islam gehöre nicht zu Deutschland“ und „die Migration sei die Mutter aller Probleme“ haben den Aufstieg der Rechten und den antimuslimischen Rassismus befördert.
Er hat bislang  alles getan, um die Muslime vor den Kopf zu stoßen und auszugrenzen. Das muss sich ändern.

Es ist ein schlechtes Signal, wenn Innenminister Seehofer auf der Islamkonferenz einen scheinbaren Widerspruch zwischen dem Islam und einer in „Deutschland gewachsenen Kultur“ und den „Werten unserer Gesellschaft“ aufmacht.
Kultur ist nie einheitlich, Kultur verändert sich. Begreifen sie das, Herr Seehofer!
Die Islamfeindlichkeit und der Rassismus gegen Muslime sind in Deutschland in den letzten Jahren bedrohlich gewachsen. 44 Prozent der Bevölkerung wollen Muslimen die Zuwanderung untersagen und 56 Prozent fühlen sich durch Muslime manchmal wie „ein Fremder im eigenen Land“, das sagt die aktuelle Leipziger Autoritarismus-Studie.
Gegen diese Zustände sind konkrete Schritte in Richtung Anerkennung des Islams in Deutschland nötig. Die Etablierung eines Ausbildungsprogramms für Imame und Religionsbedienstete wäre ein solcher Schritt. Die Bundes- und Landesregierungen sind am Zug. Es wäre ein wichtiges Signal der Anerkennung an die vielen Musliminnen und Muslime in Deutschland – und ein wichtiges Signal für die gesamte Gesellschaft.