Ob Afghanistan, Jemen, Irak und Syrien, Südsudan, Nord-Mali oder die Ostukraine: Permanent wird auf der Welt irgendwo Krieg geführt, meist unter direkter oder indirekter Beteiligung rivalisierender Groß- und Regionalmächte. Nie war seit Ende des Kalten Krieges die Gefahr größer, dass aus einem der bislang regional begrenzten Konflikte ein großer Krieg zwischen den großen Mächten erwächst.
Das sind nicht bloße Unkenrufe aus der Friedensbewegung. Die Herrschenden selbst bereiten sich darauf vor. Das ist ablesbar an den Summen, die weltweit in die Rüstung gesteckt werden. Laut Sipri stiegen die Militärausgaben im vergangenen Jahr erneut an, auf nun 1,74 Billionen US-Dollar. Die ist ein neuer, beunruhigender Rekord. Er spiegelt die laufenden lokalen Interventionen ebenso wider, wie die Vorbereitung auf einen möglichen Krieg zwischen den Staaten.

Von der Leyen bekommt den Hals nicht voll

Die mit Abstand höchsten Rüstungsausgaben haben die USA mit 610 Milliarden Dollar – vor China, das seine Investitionen auf geschätzte 228 Milliarden Dollar hochschraubte. Doch auch Deutschland heizt diese globale Rüstungsspierale mit an. Der Militärhaushalt, der im Einzelplan 14 des Haushaltsgesetzentwurfs abgebildet wird, soll nach dem Willen der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD um rund vier Milliarden Euro auf 42,9 Milliarden Euro wachsen. Das sind 550 Millionen Euro mehr, als die Haushaltseckwerte noch im Mai vorgesehen hatten. Doch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bekam den Hals nicht voll und machte Druck gegen den sozialdemokratischen Finanzminister Olaf Scholz. Sie drohte mit der Streichung von Aufrüstungsprojekten bei U-Booten und Transportflugzeugen. Da gab Scholz nach und gewährte noch einmal einen ordentlichen Zuschlag.
Andere waren nicht so erfolgreich. Zum Vergleich: Während der Militärhaushalt von 2018 auf 2019 um 11,4 Prozent steigen soll, gewährt der Haushaltsgesetzentwurf dem Bundesministerium für Gesundheit gerademal ein Plus von 0,4 %. Und das bei dem allseits anerkannten Pflegenotstand in Deutschland!
Der Aufrüstungskurs wurde durch eine jahrelange Debatte über Mängel und Pannen bei den Streitkräften vorbereitet. In den Medien hat sich der Mythos festgesetzt, die Bundeswehr sei kaputtgespart worden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Ausgaben für die Bundeswehr stiegen bereits in den zehn Jahren vor dem Amtsantritt von der Leyens kontinuierlich an: Von 24 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 32,4 Milliarden Euro im Jahr 2014. Inflationsbereinigt entsprach dies einem Realzuwachs um etwa 20 %. Die Bundeswehr wurde nicht kaputtgespart. Vielmehr wurde ihr Betätigungsfeld beständig ausgeweitet.
Unter der Verantwortung von Ursula von der Leyen fand denn auch keine „Trendwende“ statt, sondern die Beschleunigung eines seit Jahren laufenden Prozesses. Die Zahl der Auslandseinsätze wurde beständig erhöht. In Osteuropa nimmt die Bundeswehr nun eine Führungsrolle in der strategischen Neuausrichtung der Nato gegen Russland ein. Mit dem Kommando Cyber- und Informationsraum wurde sogar eine neue Teilstreitkraft neben Heer, Marine, Luftwaffe und Streitkräftebasis aus der Taufe gehoben.

Von der Leyen kann sich dabei zuverlässig auf SPD und Medien stützen. Wenn sie kritisiert wird, dann in aller Regel für vermeintliche Defizite in der Ausstattung. Folge: Die Forderungen nach mehr Geld werden immer dreister. So wuchs ihr Budget binnen fünf Jahren um gut ein Drittel an. Tendenz weiter steigend.
Diese Geldschwemme erzeugt ein Luxusproblem. In aller Regel flossen am Ende der letzten Jahre aufgrund von Verzögerungen bei der Auslieferung von Waffensystemen erhebliche Mittel zurück in den Bundeshaushalt. Für jedes andere Ressort würde dies zu einer öffentlichen Debatte über die Vertretbarkeit von Kürzungen führen. Nicht so im Falle der Bundeswehr. Das Verteidigungsministerium wurde dies Jahr stattdessen mit einem zusätzlichen Privileg ausgestattet: Ergänzend erhält es nun die Möglichkeit, aus nicht ausgegebenen Mitteln einen Fonds für Rüstungsinvestitionen in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr zu bilden.
Kein anderes Ministerium dieses Recht. So kann das sogenannte Verteidigungsministerium im Laufe einer Legislaturperiode einen Schattenhaushalt von bis zu 2 Milliarden Euro bilden, dessen Verwendung nicht an die jährliche Haushaltsplanung durch den Bundestag gebunden ist.

Neue strategische Ausrichtung

Derweil befinden wir uns an einem neuen Wendepunkt. Der sozialdemokratische Außenminister Heiko Maas hat im Sommer in einem Grundsatzbeitrag ein altes Motiv von der Leyens aufgenommen: Gegen den konfrontativen amerikanischen Kurs unter Präsident Trump müsse „Europa“ gestärkt werden. Er spricht statt von „Freundschaft“ nun von einer „balancierten“, also: ausgewogenen Partnerschaft mit den USA.
Dahinter verbirgt sich das Streben nach einem stärkeren deutschen Gewicht und einer Beendung der amerikanischen Hegemonie innerhalb der Nato, die das deutsche Kapital zunehmend als Abhängigkeit zu spüren bekommt. Das deutsche Kapital ist mehr als jedes andere exportabhängig – und damit besonders leicht angreifbar. Maas betont: „Diese Veränderungen haben weit vor der Wahl Trumps begonnen und werden seine Präsidentschaft absehbar überdauern.“
Doch Deutschland ist offenkundig zu schwach, um es allein auf Augenhöhe mit den USA zu schaffen. Also muss das eigene Gewicht gehebelt werden, über Europa. Dabei geht es um ökonomische Instrumente wie den Aufbau eines europäischen Swift-Systems, damit sich europäische Unternehmen dem Zugriff der US-Justiz entziehen können; oder den Aufbau eines Europäischen Währungsfonds neben dem IWF. Und natürlich geht es auch um den Aufbau militärischer Kapazitäten in Europa.
Maas bekräftigt damit, was die Bundesregierung auf europäischer Ebene im Vorjahr begonnen hat. Der Europäische Rat begründete Ende 2017 die sogenannte Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) mit 25 teilnehmenden Mitgliedstaaten. In dessen Rahmen werden unter anderem multinationale Rüstungsprojekte gefördert. Die EU hat dafür 13 Milliarden Euro in einem eigenen Verteidigungsfonds bereitgestellt.
An „Ocean 2020“, einem der ersten geförderten Projekte, sind 42 Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Verteidigungsministerien aus 15 Ländern beteiligt. In dem Zusammenhang sollen unbemannte Fluggeräte und U-Boote entwickelt werden, um Informationen über Bewegungen von U-Booten oder Schiffen potenziell feindlicher Mächte in einem bestimmten Seeraum zu sammeln, zu vernetzen und der eigenen Flotte zu übermitteln.
Das vom Umfang und technologischen Anspruch her bedeutendste zukünftige Rüstungsprojekt Europas ist die Entwicklung des neuen „Future Combat Air System“, das zwischen Paris und Berlin vereinbart worden ist. Die Absichtserklärung überlässt Frankreich – und damit Dassault Aviation – die Führungsrolle. Im Gegenzug erhält Deutschland die Führungsrolle beim gemeinsamen Kampfpanzer-Projekt. Zu diesem Zweck haben die Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann und die französische Nexter Defense Systems sogar eine gemeinsame Holding nach dem Vorbild von Airbus gegründet.
Die Verwendung der 13 Milliarden Euro aus dem europäischen Verteidigungsfonds erfolgt intransparent und ohne jede parlamentarische Kontrolle. Das europäische Parlament hat kein Recht, über Beschaffungsprojekte zu befinden. Zum Vergleich: Der Bundestag stimmt über jeden Beschaffungsvertrag ab, der über 25 Millionen Euro umfasst.

Widerstand gegen Aufrüstung

DIE LINKE lehnt den vorgelegten Militärhaushalt ab. Wir haben darüber hinaus insgesamt 28 Einzelanträge in die Haushaltsdebatte eingebracht, die die ersatzlose Streichung bzw. Einstellung von beabsichtigten und laufenden Rüstungsprojekte vorsieht, wie die Beschaffung und Entwicklung von Kampfdrohnen, des Mehrzweckskampfschiffes 180, des Kampfhubschraubers TIGER, des Militärtransporters A400M oder des Schützenpanzers Puma, um nur einige der kostenträchtigsten Projekte zu nennen.
Die Frage der Aufrüstung ist dabei eng verzahnt mit der Frage nach dem politischen Klima, das die Parteien erzeugen. Weltweit ist zu beobachten, dass Aufrüstung mit der Propagierung eines ausgeprägten Nationalismus einhergeht. Es überrascht nicht, dass die rassistische AfD als Oppositionspartei keine Probleme mit dem Aufrüstungskurs der Regierungsfraktionen hat, sondern im Gegenteil in Anträgen noch weitere Maßnahmen in diesem Sinne gefordert hat. Der Kampf gegen Aufrüstung und der Kampf gegen Nationalismus sind untrennbar miteinander verbunden.
Ermutigend ist, dass sich deutlich Anzeichen zivilen Widerstands erkennen lassen. Die Kampagne „Abrüsten statt Aufrüsten“ hat dank eines breiten Aufruferspektrums allein über 100.000 Unterschriften gesammelt und führt auf dieser Grundlage in diesem Herbst zahlreiche Aktionen durch. Es sind Aktivitäten wie diese, die wir parteiübergreifend vorantreiben müssen, um den Aufrüstungswahn zu stoppen.