Stellungnahme zum aktuellen Katalonien-Konflikt von Christine Buchholz, Andrej Hunko, Raul Zelik, Mitglieder im Parteivorstand DIE LINKE

Wir verurteilen die Drohungen der spanischen Regierung zur Entmachtung der katalanischen Regierung und die Gewalt, mit der die konservative Zentralregierung in Madrid versucht hat, die Volksabstimmung am 1. Oktober zu verhindern. Wir unterstützen die Forderung der Menschenrechtskommissare der UNO und des Europarates nach einer unabhängigen Untersuchung der Polizeigewalt. Die spanische Polizei verhaftete katalanische Politiker/innen, beschlagnahmte im Vorfeld der Wahl Wahlscheine, stürmte Wahllokale und verletzte mehrere hundert Wählerinnen und Wähler. Mehrere hunderttausend Stimmzettel sind durch den Polizeieinsatz abhandengekommen. Trotz der Gewalt beteiligten sich 2,3 Millionen der 5,3 Millionen Wahlberechtigten an der Abstimmung (43%). 90 Prozent von ihnen stimmten für die Unabhängigkeit.Die Bundesregierung und die EU dürfen der Regierung Rajoy keinen Blankoscheck für die gewaltsame Niederschlagung des von breiten Teilen der Bevölkerung getragenen Protests erteilen.

 

Der Konflikt um den Status Kataloniens hat vielfältige historische Wurzeln und die Bestrebungen nach einem unabhängigen Staat sind in den vergangenen Jahren insbesondere durch die Weigerung der spanischen Regierungen gegen Verfassungsreformen stark gewachsen. Er wird sich nur durch einen Dialog lösen lassen, wie ihn auch die sogenannte „Elder-Gruppe“ ehemaliger UNO-Generalsekretäre und anderer Führungspersönlichkeiten gefordert hat. In Anbetracht der jüngsten Eskalation zeigt sich die Notwendigkeit einer internationalen Vermittlung einmal mehr.Im Konflikt um Status Kataloniens geht es auch um demokratische Grundrechte. Eine große Mehrheit der Bevölkerung Kataloniens wünscht sich ein Referendum über den Status ihrer Region. Die Bewegung verbindet sich mit dem Wunsch breiter Teile der Bevölkerung nach mehr sozialer Gerechtigkeit und einem Ende der neoliberalen Politik, die die spanischen Regierungen in der Finanz- und Wirtschaftskrise durchgesetzt haben. Die katalanische Regierung hingegen hat unter dem Druck der Bevölkerung zahlreiche fortschrittliche Gesetze verabschiedet, die der spanische Zentralstaat wiederum kassiert hat: Gegen Zwangsräumungen und für Energielieferungen für arme Familien im Winter, für sozialen Wohnungsbau, gegen Fracking und für die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsplatz. Im Februar demonstrierten in Barcelona 300.000 Menschen dafür, dass der spanische Staat mehr Geflüchtete aufnimmt.

 

Der Generalstreik am 3. Oktober, zu dem auch die wichtigsten katalanischen Gewerkschaften aufgerufen hatten, um gegen die Repression im Zuge des Referendums zu protestieren, hat verdeutlicht, dass die Bewegung für Unabhängigkeit und Demokratie auch von den Gewerkschaften getragen wird.Eine repressionsfreie Volksbefragung, wie sie auch von den spanischen Linksparteien Podemos und Izquierda Unida unterstützt wird, kann Teil einer demokratischen Lösung des Konflikts sein. Ein demokratisches Referendum, wie es 2014 in Schottland stattfand, muss auch in Katalonien möglich sein. Hierfür muss auch die spanische Regierung ihre Blockadehaltung aufgeben und zu Kompromissen bereit sein.