Persönliche Erklärung nach §31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 21)

Wir enthalten uns bei der Abstimmung zur Änderung des Grundgesetzes.
Die NPD ist eine neofaschistische Partei, die in der programmatischen Tradition der NSDAP steht. Sie ist eine antisemitische, islamfeindliche, rassistische und menschenverachtende Partei. Sie ist organisch mit rechten Kameradschaften und rechten Schlägertruppen verwoben. Sie gehört auf allen Ebenen politisch bekämpft. Die politische Bedeutungslosigkeit, in der sie heute verschwunden ist, ist das Ergebnis der unermüdlichen, jahrelangen Arbeit tausender Antifaschistinnen und Antifaschisten in diesem Land. Die Kampagne zum NPD-Verbot leistete dabei einen zentralen Beitrag für antifaschistische Mobilisierung und Aufklärung.
Die einstigen Erfolge der NPD wären ohne die politische Aufbauarbeit der V-Leute des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht möglich gewesen. Allein in der NPD-Spitze führte der Verfassungsschutz mindestens 11 V-Leute. Nach Angaben zahlreicher enttarnter Spitzel wurden ihre Honorare, die letztlich aus Steuergeldern bezahlt wurden, massiv für den Aufbau der neofaschistischen Partei  eingesetzt. In den NSU-Untersuchungsausschüssen wurde deutlich, dass die Verfassungsschutzbehörden einen maßgeblichen Anteil am personellen und materiellen Aufbau militanter rechter Strukturen haben. Sollte es das tatsächliche Anliegen der Bundesregierung sein, die militante Neonazi-Szene nicht mit weiteren Steuergeldern zu versorgen, sollte sie das gescheiterte V-Leute-System beenden und das Bundesamt für Verfassungsschutz auflösen, anstatt diesem immer weitere finanzielle Mittel und Befugnisse einzuräumen.

Während das Bundesverfassungsgericht in seinem NPD-Urteil die Verfassungsfeindlichkeit an inhaltliche Kriterien (Menschenwürde, Demokratieprinzip, NS-Verherrlichung) gebunden hat, steht hinter dem Verdikt der Verfassungsfeindlichkeit in der Änderung des Grundgesetzes immer auch der alte „Extremismusansatz“. In der Begründung des Gesetzentwurfes des Bundesrates wird gar vom Ausschluss „extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung“ gesprochen. Gemäß dieser These gibt es innerhalb demokratischer Staaten eine politische Mitte, sowie rechts und links davon extremistische Ränder, die eine Gefahr für den Rechtsstaat darstellen würden und dementsprechend bekämpft werden müssen. Doch dabei wird zum einen ignoriert, dass innerhalb der sogenannten politischen Mitte, ebenfalls „rechte“ und menschenfeindliche Orientierungen zu finden sind. Die „Mitte“-Studien der Universität Leipzig haben diesen Befund immer wieder empirisch unterstützt. Zum zweiten wird mit dem „Extremismusansatz“ eine unzulässige Gleichsetzung von Linken und Rechten betrieben. Auch wenn es mit der NPD die richtige Partei trifft, ist nicht ausgeschlossen, dass sich die „Verfassungstreuepflicht“ nicht auch gegen linke Parteien richten kann. Immer wieder stellen CDU- und CSU-Politiker die Verfassungstreue der Linkspartei in Frage.
Die NPD verlor bei den letzten Landtagswahlen die einstigen Hochburgen, unter anderem weil unzählige Neofaschistinnen und Neofaschisten in der AfD eine politische Heimat gefunden haben – insofern gilt es auch, die AfD aktuell in den Fokus zu nehmen.
Rassistische Einstellungen werden nicht durch Verbote gestoppt, sondern indem sich Menschen solidarisch dagegen organisieren. Letztlich müssen soziale Verhältnisse geschaffen werden, in denen rassistisches Gedankengut gar nicht erst gedeihen kann.
Der Kampf gegen Rechts wird nicht im Gericht, sondern auf den Straßen, in den Schulen und Betrieben gewonnen.
Nicole Gohlke, Martina Renner, Christine Buchholz, Hubertus Zdebel
Berlin, 22. Juni 2017