Anders, als die Bundesregierung behauptet, ist der Bundeswehreinsatz im Nord-Irak kein Beitrag zur Bekämpfung des Terrors. Stattdessen werden korrupte Eliten in Irakisch-Kurdistan und Bagdad gestützt, die brutal gegen Oppositionelle vorgehen. Der Krieg, den diese Eliten um Einfluss, Territorien und Öl führen, heizt die ethnische Spaltung weiter an, die den IS erst hervorgebracht hat.

Rede im deutschen Bundestag anlässlich des Antrags der Bundesregierung auf Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr zur Ausbildung irakischer und kurdischer Streitkräfte im Irak.
Christine Buchholz (DIE LINKE):
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!
Herr Steinmeier, Sie haben die Frage der Verantwortung in das Zentrum Ihrer letzten Rede als Außenminister gestellt. Der Bundeswehreinsatz im Irak, über den wir heute hier diskutieren, steht für uns beispielhaft für die falsche Ausrichtung und auch die falsche Interpretation der Verantwortung der Bundesregierung in der Welt.
Dabei rede ich explizit nicht über die Anstrengung der humanitären Hilfe beispielsweise für Flüchtlinge im Nordirak, wo viel mehr zu tun ist und wo übrigens auch die Flüchtlinge geschützt werden müssen; sie dürfen nicht wieder in den Nordirak abgeschoben werden.
Vielmehr geht es darum, heute, hier und jetzt über die Fortführung des Bundeswehreinsatzes zu diskutieren. Die Bundeswehr soll nämlich weiterhin die Peschmerga, also die Milizen der kurdischen Regionalregierung im Nordirak, militärisch ausbilden.
Zur Begründung behauptete Verteidigungsministerin von der Leyen in der ersten Beratung des Antrags, die Peschmerga hätten „als Erste den IS gestoppt“.
Das ist nicht wahr. Als der IS im Sommer 2014 die Minderheit der Jesiden angriff und ins nordirakische Sindschar-Gebirge trieb, flohen die Peschmerga, ohne einen einzigen Schuss abzugeben, und es war die kurdische PKK, die den Jesiden einen Korridor freikämpfte.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Brand (CDU/CSU): Das ist doch eine üble Legende!)
Doch die PKK gilt in Deutschland als terroristisch. Die Peschmerga hingegen, welche die Jesiden im Stich ließen, werden von Deutschland mit Waffen und Ausbildung unterstützt.
(Michael Brand (CDU/CSU): Unverschämt! – Henning Otte (CDU/CSU): Jetzt übernehmen Sie sich aber!)
Um den Bundeswehreinsatz im Irak zu rechtfertigen, leugnet die Bundesregierung diese nachweislichen Fakten.
(Michael Brand (CDU/CSU): Sie sollten sich bei Trump bewerben!)
Es gibt aber auch Kurden im Nordirak, die das sagen, so wie der Journalist Wedat Hussein Ali. Er wagte es, Präsident Barsani und die kurdische Regionalregierung zu kritisieren.
Die Folge: Wedat Hussein Ali wurde mehrfach von Barsanis Leuten verhört und bedroht. Im August letzten Jahres wurde seine Leiche mit Folterspuren aufgefunden.
Human Rights Watch spricht von Dutzenden Journalisten, die von Kräften der kurdischen Regionalregierung schikaniert, inhaftiert oder getötet worden sind.
Wir sagen: Ein solches Regime darf nicht unterstützt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Seit 2014 hat die Bundesregierung mehr als 30 Transportflugzeuge mit Rüstungsgütern und Waffen in den Irak geschickt. Die Peschmerga erhielten unter anderem 4 000 Sturmgewehre und über 18 Millionen Schuss Munition.
Ich frage die Bundesregierung: Können Sie ausschließen, dass die kurdische Regionalregierung mit diesen Waffen nicht auch gegen ihre Gegner im Innern vorgeht? Nein, Sie können es nicht.
Und ich frage Sie: Wie können Sie denn dann diese Waffen liefern?
(Beifall bei der LINKEN)
Die Peschmerga sind im Übrigen keine reguläre Armee. Es sind die Parteimilizen Barsanis und Talabanis. Diese beiden Clanführer haben Irakisch-Kurdistan untereinander aufgeteilt.
Barsanis Clan hat den Krieg gegen den IS zum Vorwand genommen, sich die Großstadt Kirkuk einzuverleiben. Dabei kam es zu ethnisch motivierten Vertreibungen. Amnesty International berichtete im vergangenen Herbst, dass rund 450 Familien aus Kirkuk und Umgebung von Peschmerga vertrieben worden sind.
Ihr einziges Verbrechen: Sie sind Araber. Ihre Häuser wurden von Bulldozern plattgewalzt.
Man muss wissen: Im Irak kämpfen kurdische, sunnitische und schiitische Eliten um Macht, Öl und Territorien. Wenn man in einem solchen Konflikt Partei ergreift, trägt das nur zur weiteren ethnischen Spaltung des Iraks bei. Auch deshalb lehnt die Linke diesen Auslandseinsatz entschieden ab.
(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte (CDU/CSU): Sie opfern Menschen!)
Denn genau diese ethnische Spaltung hat doch den IS erst stark gemacht. Das von den US-Invasoren eingesetzte schiitisch dominierte Regime in Bagdad hat über Jahre Sunniten verfolgt. Das konnte der IS dann ausnutzen.
Daran hat sich im Grundsatz nichts geändert. Auch heute müssen sunnitische Männer um ihr Leben fürchten, wenn sie in die Hand der irakischen Armee fallen. Erst letzte Woche sind wieder Videos öffentlich geworden, die zeigen, wie Soldaten der irakischen Armee wehrlose Gefangene foltern und kaltblütig hinrichten.
Die UN fordert Aufklärung. Und die Bundesregierung darf dazu nicht schweigen.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Steinmeier, Sie haben zu Beginn der Mosul-Offensive vor drei Monaten gesagt – ich zitiere -:
Wenn nach der Befreiung der Stadt die Geißel des IS nur durch einen Machtkampf zwischen Kurden, Sunniten und Schiiten abgelöst wird, dann ist jedenfalls für die Menschen in Mosul nichts gewonnen.
Da haben Sie, Herr Steinmeier, Recht gehabt.
Das Problem ist nur: Dieser Machtkampf zwischen den korrupten kurdischen, schiitischen und sunnitischen Eliten ist doch längst am Laufen, und er wird durch den Bundeswehreinsatz im Irak weiter unterstützt.
Deshalb muss dieser Einsatz umgehend beendet werden. Das wäre eine verantwortliche Entscheidung.
(Beifall bei der LINKEN)