Zwei Tage nach einem verheerenden Anschlag in unmittelbarer Nähe zu einem Lager der Bundeswehr stockt die große Koalition den Auslandseinsatz in Mali auf. Auch Kampfhubschrauber werden entsandt. Von der Leyen treibt Deutschland in einen Konflikt hinein, der zunehmend an die ersten Jahre des Afghanistaneinsatzes erinnert.

Rede im Bundestag anlässlich des Antrages der Bundesregierung auf Verlängerung des Einsatzes deutscher Soldaten in Mali im Rahmen der UN-Militärmission MINUSMA
Christine Buchholz (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Die Bundesregierung will die Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Mission MINUSMA in Mali von 650 auf 1 000 Soldaten erhöhen. Damit wird der Einsatz in Mali der größte deutsche Militäreinsatz.
(Florian Hahn (CDU/CSU): Sehr gut!)
Aber nicht nur das: Erstmalig werden auf der Grundlage dieses Mandats deutsche Kampfhubschrauber in den Norden Malis verlegt.
(Florian Hahn (CDU/CSU): Noch besser!)
Mit diesem Mandat verstrickt die Bundesregierung die Bundeswehr potenziell in einen Krieg mit den Aufständischen im gefährlichen Norden Malis. Das erinnert mich verdammt an die frühe Phase des Afghanistan-Kriegs. Die Regierung will die Bundeswehr auch in der Sahelzone zu einer militärischen Größe machen, die wie Frankreich in der Lage ist, in dieser rohstoffreichen Region Krieg zu führen. Die Linke wird diesem Mandat selbstverständlich nicht zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens (CDU/CSU): Das ist ja überraschend! Haben Sie überhaupt schon einmal einem Mandat zugestimmt?)
Auf dem Papier soll MINUSMA den Frieden sichern. Erst vorgestern wurden in Gao bei einem Angriff von Aufständischen über 70 Soldaten der neuen gemeinsamen Einheiten der malischen Armee getötet.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Von wem denn?)
Das ist schrecklich, und unser Mitgefühl gilt den Angehörigen. Es ist auch wichtig, zu sehen: Das Camp, in dem sich die Bundeswehr aufhält, ist keine zwei Kilometer davon entfernt. Unmittelbar vor dem Bundeswehrcamp sprengte sich am 29. November ein Selbstmordattentäter in die Luft. Glücklicherweise wurde niemand ernsthaft verletzt. Den Frieden, den MINUSMA sichern soll, gibt es nicht. Weil das so ist, droht die Mission selbst zur Konfliktpartei zu werden. Das muss hier ehrlich gesagt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Vier Rettungs- und vier Kampfhubschrauber der Bundeswehr sollen nach Mali verlegt werden, nach Gao. Frau von der Leyen spricht vor allem von den Rettungshubschraubern. Das kommt in der Öffentlichkeit natürlich besser an. Aber ich sage: Wieder einmal wollen Sie der Bevölkerung Sand in die Augen streuen. Das machen wir nicht mit.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit der Fähigkeit, Rettungsaktionen durchzuführen, vergrößern sich der Aktionsradius der Bundeswehr und damit auch das Risiko, selbst Zielscheibe von Angriffen zu werden. Genau das bestätigte mir ein Soldat im persönlichen Gespräch, als ich im Dezember letzten Jahres für meine Fraktion die Ministerin nach Mali begleitete. Im Mandatstext selbst ist neuerdings vom „aktiven Schutz des Mandats durch das Bekämpfen asymmetrischer Angriffe“ die Rede. Das heißt, dass die Kampfhubschrauber zur Bekämpfung militärischer Ziele eingesetzt werden können.
Aus Afghanistan wissen wir, wie die Bundeswehr Stück für Stück in eine offensive Kampfoperation hineingeführt wurde. Frau von der Leyen, mit der jetzigen Aufstockung sorgen Sie möglicherweise für eine Eskalation des Konflikts. Auf jeden Fall setzen Sie die Bundeswehrsoldaten einem erhöhten Risiko aus. Beides halten wir für verantwortungslos.
(Beifall bei der LINKEN – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist denn die Alternative?)
Es gibt eine weitere Ähnlichkeit zu Afghanistan. MINUSMA hat in Mali die Unterstützung der Regierung, aber nicht der Bevölkerung.
Ich habe in Mali die Rede des Gouverneurs von Gao gehört. Der Eindruck entstand, die gesamte Bevölkerung Gaos stehe hinter MINUSMA. Was er nicht erwähnte, war: In Gao gab es vor einem halben Jahr wütende Demonstrationen, weil sich viele junge Menschen bei der Umsetzung des Friedensabkommens benachteiligt sehen. Die malische Armee hat Demonstranten auf offener Straße erschossen. Das ist leider kein Einzelfall.
Die deutschen Soldaten bewegen sich in Gao als Fremde, abgeschottet von der Bevölkerung. Je unsicherer die Lage wird, desto mehr wird sich das deutsche Kontingent einigeln. Das Magazin des Reservistenverbandes Loyal berichtete jüngst, wie eine deutsche Patrouille in Gao nicht nur mit der extremen Hitze, sondern auch mit unterkühlten Reaktionen der Bevölkerung zu kämpfen hat. Sogar ein Stein flog auf das geschützte und bewaffnete Transportfahrzeug der Bundeswehr.
Auf die Frage nach dem Sinn des Einsatzes zitierte das Blatt den Patrouillenführer: „Aber meinen Verwandten daheim kann ich nicht erklären, warum ich in Mali bin und was wir hier erreichen wollen.“
Die Lage in Mali ist so unsicher, dass die Bundeswehr nun auch Kampfhubschrauber vor Ort stationieren soll. Doch gleichzeitig erklärt die EU mit deutscher Unterstützung Mali als sicher genug, um dem Land ein Rückführungsabkommen für Flüchtlinge aufzuzwingen. Wenn es um die Rechtfertigung des Militäreinsatzes geht, dann führen Sie das Leid der Malier an. Doch wenn Malier in Europa Asyl beantragen, dann schieben Sie diese wieder in die Unsicherheit ab. Das ist heuchlerisch und zynisch.
(Beifall bei der LINKEN)