Heute debattierte der Bundestag über die Gründung der Bundeswehr vor sechzig Jahren. Union und SPD, aber auch die Grünen, werben für militärische Auslandseinsätze und Aufrüstung als etwas Notwendigem und Normalem. Doch die meisten Menschen in Deutschland wollen sich nicht wieder an Krieg, Tod und Verwundung gewöhnen!
In meiner Rede begründe ich, warum sechzig Jahre Bundeswehr zu Recht sechzig Jahre Widerstand hervorgerufen haben.


Christine Buchholz (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Als vor 60 Jahren die ersten Rekruten ihre Ernennungsurkunden erhielten, sagte man ihnen, es ginge nur um Verteidigung, es ginge um die Bedrohung aus der Sowjetunion und dem Ostblock – sonst nichts. Deshalb war auch die Hoffnung auf Frieden und Abrüstung so groß, als 1989 die Mauer viel.
Doch nur zehn Jahre später waren deutsche Kampfflugzeuge wieder an einem Krieg in Europa beteiligt, dem Angriff auf Jugoslawien. Weitere zehn Jahre später, 2009, hat ein deutscher Oberst im afghanischen Kunduz einen Bombenangriff auf zwei liegengebliebene Tanklaster befohlen. Über 100 Zivilisten, darunter viele Kinder, verbrannten in dem Inferno.
25 Jahre nach der Wiedervereinigung ist Deutschland nicht friedlicher geworden. Stattdessen haben alle Bundesregierungen seitdem die Bundeswehr in internationale Kriegs- und Kriseneinsätze hineingetrieben. Die Linke hält das für grundfalsch.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn heute Stimmen laut werden, man solle den Einsatz in Afghanistan ausweiten, das Mandat erweitern und es näher an die tatsächlichen Kriegshandlungen heranführen, dann sagen wir Nein.
(Beifall bei der LINKEN)
In den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 wurde die Weichenstellung der Neuausrichtung der Bundeswehr so begründet: Deutschland sei eine „kontinentale Mittelmacht“ mit „weltweiten Interessen“. Sie reichten von der „Aufrechterhaltung des freien Welthandels“ bis zum „ungehinderten Zugang zu Märkten und Rohstoffen“.
Zwei Jahre später, 1994, hat das Bundesverfassungsgericht das dann für verfassungsgemäß erklärt, obwohl die Bundeswehr laut Grundgesetz eine Verteidigungsarmee ist. So sind die Machtverhältnisse in diesem Land: Zunächst werden geostrategische und wirtschaftliche Interessen definiert, dann wir die Armee umgebaut, und am Ende ist es Recht.
Das ist nicht akzeptabel.
(Beifall bei der LINKEN)
Glücklicherweise haben die Bundesregierungen seit jeher ein Problem: Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Auslandseinsätze der Bundeswehr ab. 1991 rief die geplante Unterstützung des zweiten Golfkriegs Widerstand hervor – in der Bevölkerung, aber auch bei Soldaten. Der damalige Generalinspekteur, Dieter Wellershoff, fragte – Zitat -, ob wir nicht den Gedanken an Krieg, Tod und Verwundung zu weit in den Hintergrund geschoben haben.
Der damalige Verteidigungsminister Rühe räumte 1992 ein, dass die Bürger nicht auf Auslandseinsätze vorbereitet seien. „Deswegen“, so Rühe damals wörtlich, „müssen wir Schritt für Schritt vorgehen.“
(Zuruf von der LINKEN: Aha!)
So ist es gekommen. Deutsche Streitkräfte wurden seitdem in rund 40 Auslandseinsätze geschickt, erst in kleine, dann in immer größere. Aber die allermeisten Menschen in Deutschland wollen sich nicht wieder an Krieg, Tod und Verwundung gewöhnen, und ich werde es auch nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bundeswehr hat nichts im Ausland zu suchen, nicht im ehemaligen Jugoslawien, nicht in Afghanistan, nicht in Mali, auch nicht im Irak. Diese Auslandseinsätze sind so unbeliebt, dass es der Bundeswehr an Personal fehlt. Deshalb hat Frau von der Leyen gerade zehn Millionen Euro für eine neue PR-Kampagne, mit der bei jungen Leuten für eine Karriere bei der Bundeswehr geworben wird, ausgegeben. „Krisenherde löscht du nicht mit Abwarten und Teetrinken“, heißt es da.
Meine Damen und Herren, Deutschland schafft die Krisenherde selbst mit. Deutschland ist einer der größten Waffenexporteure der Welt. Die Bundesregierung ist eine der treibenden Kräfte hinter einer weltweiten Freihandelspolitik, die Millionen Menschen den Boden unter den Füßen wegzieht und ins Elend treibt.
Und Sie erwecken hier den Eindruck, man könnte die selbst mitverursachten Krisen der Welt mit Militär lösen. Das ist zynisch.
(Beifall bei der LINKEN)
An die Grünen, aber auch an Herrn Lamers gerichtet, sage ich: Wir glauben nicht, dass die Seenotrettung und letztlich auch die Flüchtlingshilfe oder die Bekämpfung von Waldbränden Aufgaben der Bundeswehr sind.
(Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einfach mal nach Bremen gucken und in die Realität!)
Wir brauchen den Aufbau von zivilen Hilfsstrukturen, eines zivilen Katastrophenschutzes.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau von der Leyen hat im Februar mit Blick auf das Weißbuch 2016 gesagt – ich zitiere -:
Unsere Interessen haben keine unverrückbare Grenze, weder geografisch noch qualitativ.
Deswegen kennt auch die Aufrüstung keine Grenzen bei teuren Großprojekten wie Panzern, dem A400M oder einer europäischen Kampfdrohne. Wir wollen nicht, dass Steuermilliarden in die Rüstung gesteckt werden. Abrüstung ist das Gebot der Stunde!
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wollen auch nicht, dass junge Menschen für Interessen, die nicht ihre eigenen sind, in internationale Bundeswehreinsätze geschickt werden; denn sie sind es, die Soldatinnen und Soldaten, die den Preis bezahlen, wenn sie verwundet, traumatisiert oder tot aus den Einsätzen zurückkommen.
60 Jahre Bundeswehr sind 60 Jahre Widerstand gegen Militarisierung und Krieg: gegen die Wiederbewaffnung, den NATO-Doppelbeschluss, gegen die Auslandseinsätze, aber auch gegen die Rekrutierungsversuche der Bundeswehr an Schulen und vor Arbeitsämtern.
(Beifall bei der LINKEN)
Daran knüpft die Linke an. Sie können sich darauf verlassen: Der Widerstand wird weitergehen.
(Beifall bei der LINKEN)