Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen lässt keine Gelegenheit aus, um öffentlichkeitswirksam mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr zu fordern. Allerdings versteht sie es so zu drehen, als reagiere sie nur auf den Wunsch anderer. Mal handelt es sich um „Bündnisverpflichtungen“, mal „erwarten es unsere Partner“.
Ihr Besuch in den USA bildet einen weiteren Höhepunkt in dieser PR-Kampagne. Noch vor dem Antrittsbesuch bei ihrem US-amerikanischen Amtskollegen Chuck Hagel nutzte sie den Aufenthalt, um einen Abstecher beim stellvertretenden UN-Generalsekretär Jan Eliasson in New York einzulegen. Das Ergebnis dieses Gesprächs diktierte von der Leyen den mitgereisten Korrespondenten gleich selbst in die Feder: Eliasson habe Deutschland um einen größeren Beitrag bei internationalen Militäreinsätzen gebeten, sogar um die Übernahme von Leitungsverantwortung für UN-Militärmissionen.
Der UN-Vize habe auch nicht vergessen zu erwähnen – so von der Leyen – dass mit dem bevorstehenden Abzug aus Afghanistan entsprechende Kapazitäten seitens der Bundeswehr frei würden.
Die deutsche Verteidigungsministerin organisiert sich die Zitate, die sie braucht, um die Eigeninteressen zu vertuschen. Der Hintergrund für dieses scheinheilige Vorgehen ist einfach: die deutsche Bevölkerung steht seit Jahren mehrheitlich klar gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Von der Leyen geht es darum, diese Stimmung zu verändern.
Wie strategisch sie diesen Kampf um die Köpfe angeht, machte sie Anfang Juni vor Journalisten in Berlin klar, anlässlich der Debatte um das deutsche-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP. Sie ärgerte sich über ihre Ministerkollegen im Kabinett Merkel, die ihrer Meinung nach viel zu plump vorgingen, und damit die verbreitete Skepsis gegenüber dem TTIP befeuern.
Zitat von der Leyen: „Wenn die Debatte eingeführt wird, und das wurde sie, ungefähr mit dem Satz, ‚die Wirtschaft braucht das‘, dann haben wir von vornherein verloren“. Statt über die Vorteile für die Wirtschaft zu sprechen, so die Verteidigungsministerin, sollten die verantwortlichen Politiker lieber über die konkreten Vorteile für die Verbraucher reden.
Dies im Hinterkopf vermeidet es von der Leyen, Auslandseinsätze der Bundeswehr mit irgendwie gearteten wirtschaftlichen Interessen in Verbindung zu bringen. Sie vermeidet es sogar, sie überhaupt als Teil von Kriegsschauplätzen darzustellen. Stattdessen präsentiert sie die Bundeswehreinsätze als universelle Hilfsoperation zur Beseitigung von Leid in aller Welt. „Wegschauen ist keine Option“, so die Ministerin auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar.
Doch was ist die Bilanz der zahlreichen Einsätze?
Beispiel Afghanistan: Die Bundeswehr hat sich seit 2002 an einem ausgedehnten Kampfeinsatz der NATO im Rahmen der ISAF beteiligt, der Tausende Unschuldige das Leben kostete, in dem die US-Armee die Bevölkerung ganzer Landstriche dem Drohnenterror aussetzt. Doch obwohl Milliarden Euro versenkt worden sind, gehört das Land nach wie zu den ärmsten der Welt, in dem neben der Korruption lediglich der Anbau von Mohn zur Heroinherstellung blüht.
Beispiel Mali: Dort beteiligt sich die Bundeswehr seit 2013 an einem Programm zur Ausbildung malischer Soldaten. Nachdem vier Ausbildungsgänge durchgeführt worden sind, hat der malische Verteidigungsminister die frisch geschulten Soldaten gegen die von Tuareg-Milizen kontrollierte Stadt Kidal marschieren lassen. Mit dem Ergebnis, dass der Krieg von neuem aufflammt, während Zehntausende malische Flüchtlinge in den Nachbarländern weiter in Zeltlagern hausen und vergeblich auf die Erlaubnis zur Heimkehr warten.
Beispiel Südsudan: Dort beteiligen sich deutsche Soldaten im Rahmen von UNMISS, einer UN-geführten Mission am Aufbau von Staat und Streitkräften. Auch Hilfsorganisationen arbeiten unter dem Dach dieser Mission, nach dem Prinzip der „vernetzten Sicherheit“. Ergebnis: als die südsudanesische Streitkräfte im Dezember in zwei verfeindete Fraktionen zerfielen und ein Bürgerkrieg ausbrach, waren den Hilfsorganisationen die Hände gebunden. Denn die südsudanesische Regierung betrachtet die Truppen von UNMISS als Partei im Bürgerkrieg und blockiert deshalb ihre Arbeit.
Diesen Beispielen ließen sich viele hinzufügen. Denn die Bundeswehr ist in insgesamt dreizehn Mandaten bewaffnet im Einsatz, und leistet in anderen Ländern darüber hinaus Ausstattungshilfe und militärische Beratung. Bestenfalls sind die Einsätze sinnlos, in den meisten Fällen schädlich. Doch von der Leyen reicht das nicht, sie will erklärtermaßen in noch mehr Krisen- und Kriegsherden der Welt militärisch mitspielen. Humanitäre Motive werden dabei nur vorgegaukelt. Der eigentliche Hintergrund bildet der Wettlauf zwischen den großen und mittleren Mächten um den Zugang zu Rohstoffen.
Dies erklärt, warum viele der Einsätze in Afrika stattfinden. Denn dort gibt es viele schwache Regierungen, aber auch viele Bodenschätze wie Erdöl, Uran, Seltene Erden, Edelmetalle oder Diamanten. Gleichzeitig ist die Konkurrenz sehr groß. Auf dem afrikanischen Kontinent tummeln sich französische, amerikanische, chinesische Firmen. Da sollen deutsche Unternehmen nicht abseits stehen. Die Strategie der Bundesregierung ist es, diese Interessen sichtbar und glaubwürdig zu vertreten. Dazu gehört, an möglichst vielen Orten einen Armeestiefel in der Tür zu haben.
Nicht, dass die einzelnen Armeeeinsätze den Zugriff auf bestimmte Claims sichern würden. Aber es ist klar, dass bei der Vergabe von Lizenzen jene Firmen Vorteile haben, deren eigene Staaten die lokalen Machthaber stützen können, notfalls auch militärisch. Der Zugang zu Rohstoffen setzt den Zugang zu den jeweils Regierenden voraus.
Die Bevölkerung in den Einsatzgebieten der Bundeswehr hat von dieser Strategie gar nichts. Ebenso wenig die Steuerzahler hierzulande, denen die Bundeswehr jährlich über 32 Milliarden Euro kostet. Schon werden die Rufe lauter, aus CDU und SPD, die Militärausgaben in Deutschland angesichts der „internationalen Verpflichtungen“ zu steigern. Diese Gelder können wir besser einsetzen, zum Beispiel in öffentlichen Einrichtungen wie Schwimmbäder, Bibliotheken, Schulen oder Kitas.