Von Jan van Aken und Christine Buchholz
Im März 2013 hat das Rebellenbündnis Séléka den amtierenden Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik François Bozizé gestürzt und zur Flucht gezwungen. Der
Anführer der Séléka, Michel Djotodia, erklärte sich selbst zum neuen Präsidenten. Seitdem hat sich die Situation in dem seit Jahrzehnten von Instabilität und bitterer Armut geprägten Land dramatisch verschlechtert. Verschiedene Milizen bekämpfen sich, auch entlang religiöser und ethnischer Linien.
Der UN-Sicherheitsrat hat am 5. Dezember mit der UN-Resolution 2127 die Militärmission MISCA mit robustem Mandat (nach Kapitel VII) eingerichtet. Neben einer Aufstockung und Umwidmung einer bereits seit längerem im Land stationierten Truppe der Afrikanischen Union beinhaltet die Resolution ebenfalls die Autorisierung einer (aufgestockten) französischen Truppe. Wesentliches Element des militärischen Auftrags ist die Entwaffnung der Rebellengruppen. Die Bundesregierung will diesen Einsatz mit strategischem Lufttransport und Verwundetentransporten unterstützen, ohne Bundestagsmandat.
Die LINKE lehnt den Militäreinsatz und jede finanzielle oder militärische Unterstützung für die französischen Truppen in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) ab. Wir fordern einen Ausbau der humanitären Hilfe und die Unterstützung eines interkonfessionellen Versöhnungsdialogs. Zudem kritisieren wir, dass ein weiteres Mal der Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze der Bundeswehr umgangen wird.

1. Frankreich ist kein neutraler Akteur, sondern klar mitverantwortlich für die jetzige Situation.
Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich übt seit der Unabhängigkeit des Landes massiven Einfluss in der ZAR aus. Durchgesetzt wurde das bislang auch mit der Präsenz französischer Truppen, die ohne jedes UN-Mandat in der ZAR agierten und immer wieder in aktuelle Konflikte eingegriffen haben. Auch die Regierung des jetzt gestürzten Präsidenten Bozizé war durch Putsch an dieMacht gekommen, mit der Unterstützung Frankreichs, das ihn fallen ließ, als er nicht mehr in ihrem Sinne „funktionierte“. Bereits im November 2013 hat Frankreich unilateral eine Militäroperation in der ZAR begonnen. Das UN-Mandat wurde nachträglich eingeholt, um die Zustimmung zur Operation zu erhöhen, nicht zuletzt in Frankreich selbst. Die Tatsache, dass das Mandat einstimmig im UN-Sicherheitsrat beschlossen wurde, spiegelt auch das Desinteresse gegenüber der ZAR wieder. Anders als zum Beispiel Libyen oder Syrien ist das Land etwa für Russland und China wirtschaftlich und geostrategisch weniger relevant.
2. Die Putschregierung in der ZAR ist nicht legitimiert oder handlungsfähig.
Das UN-Mandat orientiert auf die Wiederherstellung staatlicher Ordnung durch die Übergangsbehörden der ZAR. Diese sind jedoch weder handlungsfähig noch legitimiert und werden von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. De facto gibt es keine auch nur rudimentär funktionierende Staatsgewalt. Damit zielt das UN-Mandat völlig ins Leere.
3. Eine militärische Intervention von außen wird die aktuelle Lage nicht verbessern, dafür aber langfristig die Militarisierung des Landes noch weiter verschärfen.
Die bisher in der ZAR stationierten Soldaten Frankreichs haben weder den Putsch verhindern, noch die zunehmende Gewalt eindämmen können oder wollen. Angesichts der immer weiteren Aufsplitterung der Rebellengruppen und der Radikalisierung der Gesellschaft führt eine Aufstockung der ausländischen Truppen nur zu einer weiteren Verschärfung des Gewaltkonfliktes. Insbesondere weil auch die afrikanischen Staaten in dem Konflikt nicht neutral agieren. Während Südafrika das Bozizé-Regime unterstützte, gilt der Tschad als Verbündeter Djotodias. Die Truppensteller-Staaten der AU-Mission Gabun, Tschad, Kongo-Brazzaville und Kamerun sind allesamt von Frankreich abhängig. Die afrikanische Militärmission ist somit Teil des Problems in der ZAR, nicht Teil der Lösung.
4. Humanitäre Hilfe kann militärisch nicht erzwungen werden.
Humanitäre Hilfe muss neutral sein, sie benötigt die Anerkennung und das Einverständnis der Konfliktparteien. Auch wenn man sich den Zugang zu der betroffenen Bevölkerung an einem Tag freischießen kann, lässt sich die Versorgung über diesen einen Tag hinaus nicht sicherstellen. Das zeigen alle Erfahrungen, so zum Beispiel aus dem benachbarten Sudan.
5. Entwaffnungsprogramme funktionieren nicht in akuten gewalttätigen Konflikten, sondern nur im Rahmen eines Friedensabkommens.
Bereits in den ersten Tagen ist deutlich geworden, dass die erzwungene Entwaffnung nicht zur Entspannung zwischen den sich bekämpfenden Bevölkerungsgruppen beiträgt, im Gegenteil. Eine Folge der ersten Entwaffnungsaktionen waren Angriffe auf gerade Entwaffnete durch verfeindete Gruppen. Um eine weitere Eskalation zu verhindern, muss vor allem die religiöse und ethnische Radikalisierung durchbrochen werden. Öffentliche Stellungnahmen zum Gewaltverzicht und der Dialog zwischen Vertretern beider Religionen und der verschiedenen Ethnien wären starke Signale nach innen. Hochrangige Vertreter der muslimischen Glaubensgemeinschaft haben bereits einen Gewaltverzicht gefordert. Dies kann auch dazu beitragen die Konfliktparteien dazu zu bewegen, dringend benötigte unabhängige humanitäre Hilfe zuzulassen. Humanitäre Hilfe und zivile Maßnahmen für einen Friedensprozeß sollten auf der Tagesordnung der für Januar 2014 geplanten internationalen Geberkonferenz stehen, nicht die logistische und militärische Unterstützung der Militärintervention.
6. Der Konflikt in Zentralafrika darf nicht zum Vorwand für die weitere Militarisierung der EU werden.
In Frankreich bröckeln die Zustimmungswerte für den Einsatz in der ZAR. Laut einer Umfrage fielen sie bis Mitte Dezember von 51 auf 44 %. Einer der Gründe sind die
erwarteten Zusatzkosten in einer Zeit, da die französische Regierung den Sozialbereich angreift. Vor diesem Hintergrund will der französische Präsident François Hollande, dass die EU einen „ständigen europäischen Fonds für Auslandsoperationen“ einrichtet. Dies liefe auf nicht weniger als die Einrichtung einer permanenten europäischen Kriegskasse hinaus und wäre ein weiterer Schritt zur Militarisierung der EU.