131030_BW-DGB-Workshop_1_webEine Nachlese zum „Friedens- und sicherheitspolitischen Workshop“ des DGB
Am 30. Oktober fand in der „Kalkscheune“ in Berlin ein „Friedens- und sicherheitspolitischer Workshop des DGB“ statt, der bereits im Vorfeld für reichlich Wirbel gesorgt hatte. Das Programm wurde aufgrund seines inhaltlichen Zuschnitts, der Auswahl der Beiträge und der knapp bemessenen Zeit für Diskussionsbeiträge aus dem Publikum von vielen als ein Versuch gewertet, eine positive Haltung gegenüber internationalen Einsätzen der Bundeswehr in die Gewerkschaften hineinzutragen.
So wurde das erste Schwerpunktpanel von Auslandseinsatzbefürworter Winfried Nachtwei (Die Grünen) mit einer „Bilanz ausgewählter Einsätze mit Bundeswehrbeteiligung“ eingeleitet und von Almut Wieland-Karimi vom „Zentrum für internationale Friedenseinsätze“ (ZIF) unter dem Titel „Vorbereitung auf internationale Einsätze“ abgerundet. Das zweite Panel stellte die Frage nach den „Perspektiven internationalen Konfliktmanagements“. Reiner Braun als Vertreter der Friedensbewegung und engagierten Vertretern der Gewerkschaften wie die Vorsitzende der GEW, Marlis Tepe, sollte es dann überlassen bleiben, zum Abend hin die „Schlussfolgerungen für Gewerkschaften“ aus dem zuvor Entwickelten zu ziehen.
Den Hintergrund für die Veranstaltung bildete ein Treffen des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer mit Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière im Februar diesen Jahres, infolge dessen davon die Rede war, man wolle eine nicht näher definierte „Kooperation“ zwischen DGB und Verteidigungsministerium auf den Weg bringen. Bei der Gelegenheit hatte de Maizière erklärt, die Bundeswehr sei Teil der „Friedensbewegung“.
So konnte es nicht verwundern, dass der Workshop reichlich Protest aus Gewerkschaften und Friedensbewegung provozierte. Bereits vor dem Eingang empfingen Aktivistinnen und Aktivisten die Gäste mit Transparenten, die die eindeutige Verortung der Gewerkschaften auf Seiten der Friedensbewegung forderten.
Es wurde der Aufruf „Wir widersprechen!“ verteilt, der in Gewerkschaftskreisen nach dem Treffen zwischen Michael Sommer und Thomas de Maizière kursierte und in dem sich die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner gegen eine deutsche Beteiligung an internationalen Militäreinsätzen, gegen Jugendoffiziere in Klassenzimmern und gegen einen Annäherung „zwischen „bewaffneter Macht und Arbeiterbewegung“ aussprachen. Auch legte die GEW Berlin den Text eines Beschlusses der eigenen Landesdelegiertenversammlung vom Mai 2013 auf allen Sitzen aus, in dem es heißt: „Von einem unbelasteten Verhältnis zwischen Gewerkschaften und bewaffneten Streitkräften kann keine Rede sein. … Die GEW Berlin ist der Meinung, dass der beste Schutz für die Beschäftigten der Bundeswehr eine Außen- und Sicherheitspolitik ist, die Krieg als Mittel der Politik und damit Auslandseinsätze ausschließt.“
Diese begrüßenswerten Proteste, die sich durch die gesamte Veranstaltung durchzogen, haben den Charakter des Workshops geprägt. Es wurde überdeutlich, dass es in den Gewerkschaften nicht möglich ist, auf Schmusekurs mit dem Bundesverteidigungsministerium zu gehen, ohne zugleich massiven Widerstand aus den eigenen Reihen herauszufordern. Von den rund 170 Teilnehmern meldeten sich fast ausschließlich Gegner eine verstärkten Kooperation mit dem Verteidigungsministerium zu Wort und durchbrachen so den Versuch, die Diskussion durch enge Zeitvorgaben zu beschneiden.
Michael Sommer selbst leitete das Seminar ein. Er fühlte sich sichtlich durch die Kritik angegriffen und betonte: „Wir stehen in der Traditionslinie der Bewegungen gegen die Wiederaufrüstung, Atombewaffnung und Notstandsgesetze.“ Zugleich verteidigte Sommer sein Treffen mit de Maizière mit dem Argument, er habe alle kritischen Punkte angesprochen: Dass nicht öffentlich über die Bundeswehrreform debattiert worden sei, dass die Bundeswehr an den Schulen agiere und dass rechtsextreme Tendenzen in der Armee existierten. Er habe auf dem GEW-Parteitag auch „klipp und klar gesagt, dass wir gegen Auslandseinsätze sind“. Der Workshop sei dazu da, über verschiedene Facetten zu sprechen. Es ginge auch darum, „mit denen zu reden, die in der Interessenvertretung von Beschäftigten stehen, die Traumatisierte betreuen.“
Einer der vielen Vertreter gewerkschaftlicher Gliederungen, der später in der Diskussion zu Wort kam, fragte: Warum sind die kritischen Punkte, die gegenüber de Maizière angesprochen worden seien, weder über gewerkschaftsinterne Organe noch über die Website des DGB kommuniziert worden? Der Mangel an Transparenz in der Debatte hat erst das Misstrauen erzeugt, über dass sich Michael Sommer nun beklagte.
Es ist insofern eines der positiven Ergebnisse dieses Workshops, dass er jene Teile der Gewerkschaft zu Initiativen ermunterte, die eine klar antimilitaristische Linie verfolgen. So kündigte Marlis Tepe für die GEW eine Initiative an, dem DGB-Kongress im Mai 2014 einen friedenspolitischen Antrag vorzulegen. Und, dass es einen weiteren „friedens- und sicherheitspoltischen Workshop“ geben werde, allerdings inhaltlich anders zugeschnitten.
Das ist sehr zu begrüßen. Denn in der Tat wäre angesichts der wachsenden Zahl an Bundeswehreinsätzen im Ausland, dem Drohnenbeschaffungsprogramm oder den Exporterfolgen der deutschen Rüstungsindustrie eine neue friedenspolitische Debatte in den Gewerkschaften ein Schritt nach vorn. Und umgekehrt: angesichts der Herausforderung, eine neue Generation für friedenspolitische Aktivitäten zu gewinnen, sind die Gewerkschaften ein unverzichtbarer Bündnispartner und Multiplikator.
Dass wir uns gegenseitig brauchen, wurde dann auch an einigen Beiträgen im Verlauf des Workshops deutlich. So betonte Stefan Berger, Direktor des Instituts für soziale Bewegungen, an einem historischen Rückblick, dass das Verhältnis zwischen Arbeiterbewegung und Friedensbewegung ein enges, aber zugleich auch immer ein umkämpftes Gebiet war. Dies ergab sich auch aus den Ausführungen Reiner Brauns, dessen Beitrag angesichts der Kritik an der Ausrichtung des Workshops vorgezogen wurde. Er hob hervor, dass das Recht zur Vertretung von Interessen der Soldaten und Arbeitern in der Rüstungsindustrie historisch erkämpft worden sei; dies müsse aber einhergehen mit einer eindeutig antimilitaristischen Ausrichtung der Gewerkschaften, nicht mit deren Aufweichung. Reiner Braun definierte zahlreiche gemeinsame Herausforderungen, darunter: die Bekämpfung der Aufrüstung mit Drohnen als Einstieg in die Automatisierung des Krieges; den Widerstand gegen die Bundeswehr als einer interventionistischen Armee und die Forderung nach einem vollständigen Abzug aus allen Einsätzen, insbesondere mit Blick auf den laufenden Einsatz in Afghanistan; die Wachsamkeit gegenüber den laufenden Koalitionsverhandlungen in Hinsicht darauf, welche Hintertüren für die Verwendung der Armee im Innern gelassen werden. Schließlich empfahl er den Gewerkschaften eine neue Konversionsoffensive, hin zu einer „Humanisierung der Arbeitswelt“.
Es folgten Vertreter von Einzelgewerkschaften, die verschiedene Problemfelder anrissen. Michael Peters (ver.di) sprach über die gewerkschaftliche Interessenvertretung von 90.000 Zivilbeschäftigten und 4500 Auszubildenden in der Bundeswehr. Jürgen Brühl (IG Metall) hob hervor, dass das Verteidigungsministerium seit dem Einsatz in Afghanistan in massivem Umfang Aufträge an die Privatwirtschaft vergibt, so dass einsatzbezogene Aktivitäten zunehmend auch von profitorientierten internationalen Unternehmen ausgeführt werden. Jörg Radek (GdP) beklagte die Ausweitung internationaler Polizeieinsätze, die mit 13 bereits die Zahl der Bundeswehreinsätze übersteigen, aber im Unterschied zu diesen nicht im Bundestag debattiert und beschlossen werden würden. Diese Beiträge wurden kontrovers aufgenommen und illustrierten zugleich die mit dem Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee gewachsenen Herausforderungen an die Friedensbewegung: Wie können wir uns den sozialen Problemen stellen und zugleich unsere antimilitaristischen Positionen stärken?
Wie es nicht funktioniert, zeigte das politisch strategische Rahmenprogramm, dass mit den oben genannten Rednern Nachtwei, Wieland-Karimi und Professor Herfried Münkler besetzt wurde. Alle drei sind Apologeten internationaler Einsätze. Winfried Nachtwei bemühte sich, den deutschen Afghanistaneinsatz in einem guten Lichte erscheinen zu lassen, in dem er ihn von jenem der US-Armee abgrenzte. Während letztere nur Terrorbekämpfung betrieben, führte die deutsche Armee einen Einsatz mit „Rücksicht auf die Zivilbevölkerung“. Almut Wieland-Karimi, die für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in Afghanistan war, verteidigte die „Arbeitsteilung“ zwischen zivilen und militärischen Vertretern des Einsatzes. Herfried Münkler suchte die Kriegsziele zu verwischen, indem er einen Bedeutungsverlust des „Territoriums“ für moderne Kriege wie jenem in Afghanistan vorgab. Münkler wörtlich: „Kapitalismus ist eine gesellschaftliche Ordnung, die die Verteilung strategischer Ressourcen [d. h. Bodenschätze] nicht über Gewalt organisiert.“ Es war nur logisch, dass solche Äußerungen ununterbrochen Protest und Zwischenrufe aus dem Publikum provozierten.
In den Publikumsbeiträgen und auf dem gewerkschaftlich dominierten Abschlusspodium wurden die genannten Initiativen der GEW, aber auch grundlegend antimilitaristische Positionen deutlich gemacht. So sagte Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Bereichsleiter für Politik und Planung in der ver.di-Bundesverwaltung, in Richtung Münkler: Im Krieg gehe es zunächst und immer um „Interessen“. Im Übrigen rechtfertige die Einbindung in internationale Bündnisse nicht die deutsche Politik. Umgekehrt müsse die EU „radikal entmilitarisiert“ werden. Marlies Tepe betonte den Beschluss der GEW, der sich gegen die Beteiligung von Jugendoffizieren am Schulunterricht wendet.
Im Nachhinein kann man sagen, dass vom Workshop ungeachtet der ursprünglichen Intention eine positive Wirkung auf die innergewerkschaftliche Debatte ausging – aufgrund der breiten Basisbeteiligung und der massiven Kritik. Eine Überlegung geriet allerdings völlig aus dem Blick: Die Auseinandersetzung verlief zumeist entlang der Frage, in welchem Verhältnis die Gewerkschaften zur Bundeswehr stehen. Doch was will eigentlich de Maizière von uns? Es ist offenkundig, dass die Bundeswehr aufgrund der Unpopularität der Auslandseinsätze eine Imagekampagne hochgezogen hat, um die Rekrutierungsprobleme in den Griff zu bekommen. Aus Sicht der Bundesregierung sind die Gewerkschaften nicht mehr als geeignete Multiplikatoren, um gewissermaßen „von unten“ den Widerstand gegen diese Kampagne zu unterlaufen. Eine „Kooperation“ zwischen DGB und Bundesverteidigungsministerium bringt der Bundeswehr viel, aber den Gewerkschaften gar nichts.
Ich denke, dieses Argument ist wichtig, um gewerkschaftliche Bündnispartner jenseits der in der Friedensbewegung sozialisierten Teilen zu gewinnen. Der Verlauf des Workshops jedenfalls hat gezeigt, dass es eine gute Ausgangsbasis gibt, um breite Mehrheiten gegen die vergifteten Annäherungsversuche seitens des Bundesverteidigungsministeriums zu gewinnen.