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Am 30. Juni 2013 jährt sich der Amtsantritt Mohammed Mursis als ägyptischer Präsident. Er wurde 2012 mit großen Hoffnungen gewählt, denn er versprach einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit. Nicht zuletzt die Armen und auch viele Arbeiterinnen und Arbeiter gaben ihm die Stimme. Doch er hat sie auf allen Feldern enttäuscht.
Vor diesem Hintergrund startete im Mai die Unterschriftenkampagne unter dem Logo „Tamarrud“, was so viel wie „Rebellion“ heißt. Darin wird dem Präsidenten Mursi das Misstrauen ausgesprochen und sein Rücktritt gefordert. Diese Kampagne wurde von den unabhängigen Gewerkschaften und revolutionären Organisationen aufgegriffen und verbreitete sich rasend schnell. 15 Millionen sollen unterschrieben haben, viele Analphabeten gaben ihren Fingerabdruck als Zeichen der Unterstützung. Nun ging aus der neuen Bewegung der Aufruf zu Protesten am 30. Juni aus, zum ersten Jahrestag der Präsidentschaft Mursis. Der unabhängige Gewerkschaftsverband hat Streiks angekündigt, und auch viele Linke unterstützen den Aufruf zum Protest.
Hier meine Solidaritätserklärung. Ihr findet sie zum Download auch als PDF in Deutsch, Englisch und Arabisch.
 
Solidarität mit der Bewegung „Tamarrud“!
Präsident Mursi ist vor einem Jahr gegen Ahmed Shafik, den Kandidaten des Mubarak-Regimes, ins Amt gekommen. Viele Ägypterinnen und Ägypter haben sich eine Lösung der sozialen Probleme erhofft. Doch mit Sorge mussten sie feststellen, dass er nicht nur die fatale neoliberale Wirtschaftspolitik des alten Regimes fortsetzte. Er hat um des Machterhalts willen sogar das Bündnis mit Generälen der Armee gesucht. Generälen, die ihren Rang dem alten Regime verdanken.
Im vergangenen Herbst erteilte sich der neue Präsident erst selbst alle Vollmachten und versuchte dann die Revolution abzuwürgen. Dass Mursi damit nicht durchkam, ist allein dem Widerstand auf den Straßen und in den Betrieben zu verdanken. Doch die Gefahr einer offenen Konterrevolution besteht nach wie vor. Sie droht von innen, aber sie hat auch Verbündete außerhalb Ägypten.
Einer der Verbündeten der ägyptischen Konterrevolution ist der Internationale Währungsfonds und die Weltbank. Diese Institutionen verteilen keine Geschenke. Ihre Kredite sind mit Auflagen verbunden, die die Aufhebung von Nahrungsmittelsubventionen und die weitere Privatisierung der Wirtschaft vorsehen. Ich unterstütze den Widerstand gegen diese Politik, die sich direkt gegen die Interessen der Masse der ägyptischen Arbeiter und Armen richtet.
Mit Sympathie habe ich von der Massenkampagne „Tamarrud“ erfahren, die Ägypterinnen und Ägypter in ihrem Protest gegen die Politik des Präsidenten vereint. Nun haben Gewerkschafter, Linke und Bürgerrechtsaktivisten für den 30. Juni neue Proteste und Streiks gegen Präsident Mursi angekündigt. Ziele sind unter anderem die Erhöhung des Mindestlohns, eine Ende prekärer Beschäftigungsverhältnisse, die Verstaatlichung privatisierter Betriebe und die verstärkte Subventionierung von Grundnahrungsmitteln. Ich solidarisiere mich mit diesen Forderungen und Wünsche der Bewegung viel Erfolg.
Euer Kampf ist auch unser Kampf. Ein Sieg in Kairo, Alexandria, Suez oder Mahalla ist auch ein Sieg für den Widerstand in Athen, Madrid, Berlin oder Istanbul.
Thaura thaura hatta an-Nasr!
 
Hintergrund:
Bereits bei meinem Besuch in Kairo im vergangenen September konnte ich feststellen, wie sehr sich die Wut über die unverändert schlechte soziale Lage in Hunderten von Streiks Bahn brach. Den Reisebericht von damals findet ihr hier:
https://christinebuchholz.de/2013/01/24/revolution-in-agypten-und-tunesien-ein-reisebericht/
Eine erste politische Zuspitzung folgte im Herbst 2012. Erst versuchte Mursi sich selbst alle Vollmachten zu erteilen. Als er damit nicht durchkam, preschte er einen Verfassungsentwurf mit seinen Verbündeten durch, der auf enormen Widerstand in der Bevölkerung traf. Eine Analyse findet ihr aus dem Dezember findet ihr hier: https://christinebuchholz.de/2012/12/21/die-revolution-geht-weiter/