130315_Irakkrieg_Podium_Auftakt_hpVor zehn Jahren begann eine US-geführte Kriegskoalition, den Irak zu bombardieren. Dabei handelte es sich um den Auftakt zu dem verlustreichsten Krieg seit dem US-Krieg in Vietnam. Noch heute leidet die Bevölkerung unter seinen Folgen.
Gerechtfertigt wurde der Angriff mit Massenvernichtungswaffen, mit denen das Regime des irakischen Diktators Saddam Hussein andere Staaten, insbesondere Israel bedrohe. Heute wird kein Hehl mehr daraus gemacht, dass diese Massenvernichtungswaffen gar nicht existierten.
Damals entwickelte sich eine weltweite Bewegung gegen den Krieg. Auch in Deutschland demonstrierten Hunderttausende. Daran erinnerte eine Konferenz, die die Fraktion DIE LINKE zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung am 15. März in Berlin ausrichtete. Hier findet ihr meinen Beitrag.
Die Situation im Irak zehn Jahre nach Beginn der US-geführten Invasion ist verheerend. Das Land wird von konfessionell geprägten Gewaltakten erschüttert. Viele Sunniten fühlen sich benachteiligt. Stadtteile von Schiiten und Sunniten in Bagdad werden heute durch Mauern voneinander abgeschirmt, die früher nicht da waren. Der kurdische Norden ist faktisch unabhängig und macht auf eigene Rechnung Verträge mit internationalen Ölkonzernen.
Dies ist das Ergebnis einer US-Politik, die nach einem blutigen Krieg mit Hunderttausenden Opfern ihre Interessen durch die Einsetzung von schiitisch dominierten Marionettenregierungen sichern wollten.
Die ethnisch-konfessionell Gewalterfahrungen überlagern eine Tatsache: Die USA konnten ihre Kriegsziele nicht erreichen. Der Widerstand gegen die US-Invasion war so massiv, dass am Ende alle Truppen glanzlos abzogen. Das von Ultrakonservativen ausgerufene „Project for a new American century“ zur dauerhaften Sicherung der totalen US-Hegemonie ist im irakischen Boden versandet.
 
Die Bewegung gegen den Irakkrieg war Teil einer beeindruckenden globalen Protestwelle. Am 15. Februar 2003 demonstrierten weltweit Millionen in der größten je dagewesenen einzelnen Protestaktion. Monatelang arbeiteten Antikriegs-Aktivisten auf lokaler Ebene, in Schulen und Universitäten dafür, den Krieg zu verhindern. Am Tag X gingen in Berlin 70.000 Menschen, darunter viele Schülerinnen und Schüler, auf die Straße.
Damals gab es eine politische Auseinandersetzung innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung – unter anderem in attac – darüber, ob der Kampf gegen den drohenden Krieg Teil der eigenen Bewegung werden soll. Im Rückblick ist festzustellen: Die Aktivitäten der Friedensbewegung waren Teil einer lang anhaltenden Mobilisierungswelle, die Ende 1999 gegen die WTO in Seattle begann, in Europa 2001 zum G8-Gipfel in Genua einen Höhepunkt fand und später viele junge Leute und Aktivisten in die LINKE brachte. Auch in anderen Ländern waren vergleichbare Neuformierungen auf der politischen Linken zu beobachten, insbesondere in Europa. Die Bewegung gegen den Irakkrieg ist gewissermaßen Teil der Vorgeschichte unserer Partei.
George W. Bush jr. war als US-Regierungschef und Symbol des US-Imperialismus und auf der ganzen Welt verhasst. Als Bush im Mai 2002 Berlin besuchte, demonstrierten 100.000 gegen ihn.
Das Ausmaß der Massenmobilisierungen in Deutschland war nicht zuletzt auf Gerhard Schröders öffentliche Festlegung auf eine Nichtbeteiligung am Krieg im Wahlkampf 2002 zurückzuführen. Er rief im August 2002 aus: „Wir stehen für Kriegsabenteuer im Irak nicht zur Verfügung.“ Damit setzte er sich vom Unionskandidaten Edmund Stoiber ab und drehte eine schon verloren geglaubte Bundestagswahl für die SPD. Damit gewannen zugleich die Mobilisierungen gegen den Krieg an Fahrt.
Dies zeigt zwei Dinge: 1. in Deutschland sind Kriege so unpopulär, dass sich damit verloren geglaubte Wahlen gewinnen lassen; 2. die Frage, wie sich SPD und Grüne zu den Kriegen stellen, hat einen massiven Einfluss auf die Zahl derjenigen, die sich real mobilisieren lassen.
Die Politik von Rot-Grün war allerdings widersprüchlich: Faktisch war Deutschland Teil des Krieges, weil die Bundesregierung nicht den Luftraum dicht gemacht hat. So wurde die Bundesrepublik zur Drehscheibe für die US-Luftwaffe auf dem Weg nach Bagdad. Auch wurde Deutschland zum wichtigen Lazarettstandort und für andere relevante Aktivitäten im Rückraum des Krieges. Auch hat die Bundesregierung die Bundeswehr nach Afghanistan mobilisiert, was US-Kräfte für die Irak-Mission freimachte.
Das Grundproblem: die Bundesregierung verstand sich als Teil des so genannten „Krieges gegen den Terror“, mit all seinen fürchterlichen Begleiterscheinungen. So machte sich die rot-grüne Bundesregierung schuldig an der fortgesetzten Inhaftierung des Bremer Murat Kurnaz in Guantanamo – im Nachhinein kam heraus, dass Kurnaz‘ Entlassung durch das Außenministerium unter Joschka Fischer hintertrieben wurde. Darüberhinaus sollen zwei BND-Agenten in Bagdad aktiv gewesen sein, die der US-Armee Zielkoordinaten für Luftangriffe übermittelt haben.
SPD und Grüne drehten die US-Kriegspropaganda um und verkauften das „alte Europa“ als Gegenpol zum aggressiven US-Imperialismus. In den Großdemonstrationen wie jener am 15. Februar 2003 gab es einen Wettkampf der Ideen: die Parolen reichten von der Verurteilung Bushs als größtem Terroristen hin zur Propagierung von „Old Europe“ auf grünen Ballons und Aufklebern. Nachdem der Krieg ausbrach, hatte Rot-Grün als Regierungsbündnis kein Interesse mehr an großen Mobilisierungen, die sie unter Druck gesetzt hätten, den Konflikt mit den USA zu vertiefen. Die Bewegung schrumpfte merklich.
Schröder nutzte im Übrigen die Wiederwahl und seine rehabilitierten Popularitätswerte, um einen ganz anderen Kampf zu führen – vor zehn Jahren rief er im Schatten des Krieges gegen den Irak die „Agenda 2010“ aus und leitete damit einen breitflächigen Angriff auf den deutschen Sozialstaat ein.
Die Bewegung war eine internationale Bewegung und zugleich ein Signal an die arabische Straße. In Ländern wie Ägypten oder Palästina wurde sehr genau wahrgenommen, dass es nicht „der“ Westen ist, der die Muslime angreift. Sondern, dass es in den Bevölkerungen Europas und Nordamerika eine tiefverwurzelte Ablehnung solcher imperialistischer Abenteuer gibt. Die Botschaft war: „Ihr seid nicht allein.“
 
Was heißt das für heute?
Die äußeren Umstände sind heute in vielerlei Hinsicht anders als 2003. Durch diverse Einsätze an denen die Bundeswehr beteiligt ist, gibt es eine gewisse „Normalisierung“ des alltäglichen Kriegsgeschäftes. Bedeutsamer ist allerdings, dass Rot-Grün alle andere Kriegsbeteiligungen der Bundeswehr unterstützt hat. Immer stärker verfängt die Argumentation von der „Humanitären Intervention“ und der „Schutzverantwortung“.
Das wirkt sich unmittelbar auf die Mobilisierungsfähigkeit der Friedensbewegung aus. Die herrschenden Rechtfertigungen der Militäreinsätze als Interventionen im Dienste der jeweils betroffenen Bevölkerungen prägen das politische Klima im Land und wirken so auf die Auseinandersetzung in Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen negativ zurück.
Das ändert nichts an unserer grundsätzlichen Haltung. Auch in Zeiten, in der es keine Möglichkeit zu einer wirklichen Massenmobilisierung gibt, müssen LINKE und Friedensbewegung bei einem klaren NEIN zum Krieg bleiben und die Argumente gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr verbreiten.
Es gibt nach wie vor eine breite Ablehnung gegen den Krieg in der Gesellschaft. Es ist unsere Aufgabe, dies argumentativ zu unterfüttern und so die geschwächte Mobilisierungsfähigkeit wiederherzustellen.