Hier dokumentiere ich das Grußwort, das ich am 9. März beim Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat im Frankfurter Römer gehalten habe.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die NSU-Morde haben uns alle sehr erschüttert. Sie sind die Spitze des Nazi-Terrors in Deutschland. Seit der Wende haben die Nazis über 150 Menschen, in der Mehrheit Migranten, ermordet.  Wir fühlen mit den Angehörigen der Opfer. Zu ihrem Schmerz über den Verlust ihrer Angehörigen kommt der jahrlange falsche Verdacht der Behörden, der Medien und der deutschen Öffentlichkeit, sie könnten die Täter sein. Das zeigt den tief verankerten Rassismus in unserer Gesellschaft, dem wir gemeinsam entgegentreten müssen.
Nazis verbreiten Gewalt, Rassismus und Terror. Sie wollen demokratische Rechte abschaffen. Ihnen gebührt kein Demonstrationsrecht. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Die NSU-Morde werfen auch ein Schlaglicht auf die Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die Nazi-Szene. Dabei verstärkt sich der Eindruck, dass einige Behörden weniger an der Aufklärung als an der Vertuschung Interesse haben.
Die gesamte Nazi-Szene und darin die NPD profitiert von den bezahlten V-Leuten. Es ist ein Skandal, dass Nazistrukturen mit öffentlichen Geldern systematisch finanziert und aufgebaut werden. Deshalb müssen alle V-Leute sofort abgeschaltet werden. Die Innenminister sind leider bis heute nicht bereit, ihre Verbindungsleute in der NPD abzuschalten.
Mit Sorge sehen wir, wie der Rassismus zunimmt. Das betrifft zum Einen den wachsenden antimuslimischen Rassismus. Seit dem Angriff auf den Irak und dem Krieg in Afghanistan werden der Islam und die Muslime in die Nähe des Terrorismus gerückt.
Besorgniserregend ist zudem die Art und Weise, wie einige Medien gegen Einwanderer aus Bulgarien und Rumänien Stimmung machen. Innenminister Friedrich fordert in BILD eine „Einreisesperre für Armutsflüchtlinge“ und spricht von „Flächenbrand“ und einem „Sprengsatz für die europäische Solidarität“.
Zunächst zu den Fakten: 80 Prozent der Einwanderer aus Bulgarien und Rumänien gehen einer geregelten Erwerbsarbeit nach.
Scheinbar sollen im Wahlkampf wieder auf dem Rücken von Migranten Vorurteile in der Bevölkerung geschürt werden. Solche Wortwahl ist geistige Brandstiftung!
Das gilt auch für andere Themen:
Statt über angebliche Integrationsverweigerung von Migrantinnen und Migranten zu reden, müssen wir die Integrationsverweigerung des Staates diskutieren. Migranten leben hier im Durchschnitt bereits 18 Jahren – ohne gleiche Rechte. Einbürgerungen müssen erleichtert werden. Die Einbürgerungszahlen sind mit 100.000 pro Jahr niedriger als vor dem Jahr 2000,  weil die vergangenen Regierungen die Hürden kontinuierlich erhöht haben – mit Gebühren, sozialen Einschränkungen, Sprachtests und Gesinnungstests.
Auch die sogenannte „Optionspflicht“ diskriminiert. DIE LINKE ist gegen die Optionspflicht und für die doppelte Staatsbürgerschaft. Kinder und Jugendliche, die hier geboren und aufgewachsen sind, sollten ohne wenn und aber die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen.
Rassistischen Manövern wie der Kampagne der Hessischen CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft 1999 treten wir entgegen.
Wir wollen gleiche soziale und politische Rechte für alle hier lebenden Menschen. Wir brauchen mehr freiwillige Sprachkurse und Beratungsangebote. Die diskriminierenden Deutschtests beim Ehegattennachzug und im Aufenthaltsrecht wollen wir abschaffen.
Wir brauchen endlich das Wahlrecht für in Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten auf allen Ebenen. Wir wollen die volle politische Teilhabe.
Die Armut unter Migrantinnen und Migranten wurde durch die Politik von Lohndumping und Leiharbeit, Privatisierungen, Hartz IV, Rentenkürzungen und ein sozial extrem benachteiligendes Bildungssystem verschärft. Die Diskriminierung von Migranten auf dem Arbeitsmarkt muss beendet werden: Migrantinnen und Migranten – mit oder ohne deutsche Staatsbürgerschaft – arbeiten häufiger in schlecht bezahlten und unsicheren Arbeitsverhältnissen. Sie sind doppelt so häufig arbeitslos wie die übrige Bevölkerung. Arbeitgeber bezahlen Migranten weniger oder enthalten ihnen den Lohn vor, in der Annahme, dass sie sich nicht wehren.
Die rassistische Diskriminierung befördert die Praxis, Migranten zum Lohndumping zu missbrauchen. Wir brauchen stattdessen soziale Gerechtigkeit und einen gesetzlichen Mindestlohn, von dem man leben kann und der für alle gilt – jenseits der Herkunft! Nur so können wir die Spaltung auf dem Arbeitsmarkt überwinden und beginnen, Rassismus den Nährboden zu entziehen!
Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit und wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit in Kommunen, Ländern und auf Bundesebene.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.