»Wave and Smile«, Winken und Lächeln, so sollte die Bundeswehr in Afghanistan auftreten. Doch die Realität des Krieges sieht ganz anders aus. Diese wird jetzt eindringlich gezeigt – in einem Comic
Im zwölften Jahr des Afghanistankrieges beginnt in Deutschland die für ein Massenpublikum zugängige kulturelle Aufarbeitung. Einer der ersten Beiträge ist die Graphic Novel »Wave and Smile« von Arne Jysch.  Auf knapp 200 Seiten zeichnet Jysch ein ungeschminktes Bild des Krieges am Hindukusch. Ein absolut lesenswertes Buch.
Zwei Afghanen schauen auf ein Tal in der Provinz Kundus, Nordafghanistan, und beobachten einen Konvoi der Bundeswehr. Neben ihnen rostet das Wrack eines sowjetischen Panzers. Ein stilles Mahnmal des Triumphs über die verhassten Invasoren.
Der Konvoi kommt näher, gerät in einen Hinterhalt. Ehe man begreift, was passiert, detoniert eine Bombe und reißt drei Bundeswehrsoldaten in den Tod. Der Einstieg in Arne Jyschs Buch »Wave and Smile« könnte schonungsloser nicht sein.
Chris ist Hauptmann bei der Bundeswehr. Er trägt die Verantwortung für den angegriffenen Konvoi und für einen weiteren Einsatz in den afghanischen Bergen. Auch hier geraten sie in einen Hinterhalt. Noch ein Bundeswehrsoldat stirbt, ein anderer, Marco, verschwindet spurlos.
Die Bundeswehr und die US-Armee finden Marco nicht. Chris fühlt sich schuldig und macht sich schließlich allein zurück auf den Weg nach Afghanistan, um seinen Freund und Kameraden zu finden. Sein Weg führt ihn in die undurchsichtige Welt der Geschäftemacher und Agenten in Kabul, in die pakistanischen Stammesgebiete, zu einem hohen Talibanführer und schließlich, unvermutet, in das US-Foltergefängnis in Bagram.
Fast beiläufig transportiert Jysch fast alle wichtigen Themen der deutschen Kriegsrealität: Er zeigt, wie Kriegserfahrung und die Trennung von den Familien die Beziehungen der Soldaten zuhause zerstören. Er illustriert den Druck, den der Krieg auf die einzelnen Soldaten ausübt, dokumentiert rassistische Äußerungen über die afghanische Bevölkerung, Verrohung und Verzweiflung. Ein Doppelagent kommt genauso vor wie ein Warlord und ein Talibanführer. Verschiedene afghanische Akteure kommen zu Wort, die – unisono – die Perspektivlosigkeit des Krieges bescheinigen und das Erstarken der Taliban erklären. So versteht man, warum die NATO trotz militärischer Überlegenheit nicht in der Lage ist, diesen Krieg zu gewinnen.
Am Ende des Buches steht eine Lüge. Chris‘ Alleingang auf der Suche nach seinem verschwundenen Freund wird ihm zum Verhängnis. Nur durch Zufall entkommt er den Mühlen dieses absurden Kriegs, wird aber verpflichtet, die Umstände zu verschweigen. Seine Rettung wird – wider besseren Wissens – als gemeinsame Anstrengung von Bundeswehr, US-Armee und afghanischer Armee dargestellt.
Auch wenn Chris und Marco in diesem Roman nicht mit der Bundeswehr brechen und Jysch am Ende auf politische Schlussfolgerungen verzichtet, so illustriert dieses Buch doch treffend die Sinnlosigkeit und Grausamkeit des Krieges.
Leider findet die Perspektive der einfachen Bevölkerung keinen Eingang in das Buch. Die Zivilisten bleiben gewissermaßen Statisten.
Ein Klischee ist auch der Kontrast zwischen den kumpelhaft-sympathischen Bundeswehrsoldaten und den bornierten Rambos der US-Armee. Zeigt das Buch doch zugleich, dass sich angesichts der Dauer und Intensität des Krieges die Erfahrungen der Bundeswehr an die der US-Armee annähern. Es ist wohl kein Zufall, dass »Wave and Smile« im Herbst 2009 endet – kurz vor dem Massaker von Kundus.
Hoffentlich erscheint der Roman bald als Taschenbuch: Er wäre eine gute Warnung vor dem freiwilligen Wehrdienst und ein Kontrapunkt zu den Hochglanzbroschüren der Bundeswehr.
Buch
Arne Jysch, Wave and Smile, Carlsen Verlag, Hamburg 2012, 195 Seiten, 24, 90 Eur
Diese Buchbesprechung erschien zuerst in Marx21, Nr. 27