Am 9.5. führte die Redaktion von linksfraktion.de ihr „Interview der Woche“ mit mir. Die Themen waren die Wahlen in Griechenland und Frankreich, die geplanten Proteste in Frankfurt und der Widerstand gegen ESM und Fiskalpakt.
Bei der Parlamentswahl in Griechenland wurde das Linksbündnis SYRIZA gerade zweitstärkste Kraft. Wie bewerten Sie das Ergebnis?
Christine Buchholz: Der Wahlerfolg der griechischen Linken ist eine schallende Ohrfeige für das EU-Spardiktat und damit auch für Merkel. SYRIZA hat sich nicht der EU gebeugt, sondern die Generalstreiks gegen das Brüsseler Verarmungsprogramm unterstützt. Zwei Drittel der Griechen lehnen die so genannten Hilfsgelder der EU ab. In fast allen Städten ist das Linksbündnis stärkste Kraft geworden. Besonders stark ist SYRIZA in Arbeitervierteln.
Auch in Frankreich wurde mit Sarkozy der Präsident abgewählt, der gemeinsam mit Kanzlerin Merkel maßgeblich das europäische Spardiktat durchgesetzt hat. Wehren sich die Menschen jetzt an den Wahlurnen?
Ja, auch die Franzosen haben neoliberale Politik satt. Der sozialdemokratische Wahlgewinner Hollande bezeichnete den Fiskalpakt zu Recht als „ärgsten Feind der europäischen Völker“ und wandte sich gegen die Sparpolitik. Er stand auch unter Druck vom Linksbündnis Front de Gauche. Dessen Kandidat Mélenchon holte 11 Prozent und mobilisierte bei Großkundgebungen gegen das Diktat der Finanzmärkte allein in Paris über 120 000 Menschen – mehr als Hollande oder Sarkozy.
Obwohl sich die Proteste in der Bundesrepublik im Vergleich zu anderen EU-Staaten bisher in Grenzen hielten, hat die Stadt Frankfurt jetzt kurzfristig die lange geplanten Bankenproteste vom 16. bis 19. Mai verboten. Woher kommt die Nervosität von Oberbürgermeisterin Roth und den Verantwortlichen in der Bankenmetropole am Main?
Offenbar will Frau Roth internationale Proteste im Bankenviertel verhindern, eine Woche bevor der Bundestag am 25. Mai über den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und den Fiskalpakt entscheidet. Die Nervosität der Regierenden ist groß. Die Börse in Frankfurt ist nach den Wahlen in Griechenland und Frankreich abgestürzt. Die deutschen Banken und Konzerne haben jahrelang Rekordprofite eingestrichen – auch nach Einbruch der Krise. Sie wollen nun ihre Profite sichern und die Beschäftigten in Europa für die Folgen der Krise zahlen lassen. Sie fürchten nichts mehr, als dass die Menschen in Europa und in Deutschland sich dagegen wehren.
DIE LINKE wollte bei den Protesten eine Woche vor der Verabschiedung im Bundestag am 25. Mai ein klares Zeichen gegen Europäischen Stabilitätsmechanismus und Fiskalpakt setzen. Was nun?
Wir mobilisieren jetzt erst Recht. Das Demonstrationsverbot wird keinen Bestand haben. Es hat eine breite Empörung hervorgerufen. DIE LINKE steht an der Seite sozialer Bewegungen, die sich gegen das europaweite Spardiktat der Troika von IWF, EZB und EU mit gewaltfreien und kreativen Mitteln wehren. DIE LINKE unterstützt das Bündnis »Blockupy-Frankfurt« bei der Klage gegen die Stadt Frankfurt. Wir lassen uns das elementare Recht auf Versammlungsfreiheit nicht nehmen.
Gregor Gysi hat Ende letzter Woche in einem Brief an Künast, Trittin und Steinmeier aufgerufen, einen gemeinsamen Antrag für die Wiedererhebung eine Vermögensteuer auf den Weg zu bringen. Wie viel Aussicht auf Erfolg hat dieser Vorstoß?
Ich würde mich freuen, wenn SPD und Grüne bereit wären, die Reichen und die Profiteure wirklich für die Krise zahlen zu lassen. Das wäre ein wichtiges Signal, denn Rot-Grün hat den Spitzensteuersatz gesenkt und die Finanzmärkte liberalisiert. Außerdem könnten SPD und Grüne dem Fiskalpakt am 25. Mai blockieren, weil Merkel eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht. Ich hoffe, dass wir so viel Druck entwickeln können, dass sie nicht zustimmen, denn der Fiskalpakt zementiert Demokratie- und Sozialabbau bis in alle Ewigkeit.