Meine Rede im Bundestag am 27. Mai zur Regierungserklärung durch den Bundesminister der Verteidigung zur Neuausrichtung der Bundeswehr hier zum Nachlesen und Ansehen.

Der Minister hat gesagt, er möchte zeitgleich 10 000 Soldatinnen und Soldaten in zwei großen und mehreren kleineren Einsatzgebieten flexibel und durchhaltefähig einsetzen können. Herr Trittin möchte noch mehr davon. Das heißt im Klartext, dass Sie in Zukunft in der Lage sein wollen, zwei Einsätze wie den in Afghanistan durchzuführen. Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein! Der eine Einsatz, den wir haben, ist schon viel zu viel. Die Bundeswehr muss sofort aus Afghanistan und den anderen Auslandseinsätzen zurückgeholt werden.
Sie sagen, neben den finanziellen Anreizen gehe es darum, die jungen Menschen davon zu überzeugen, den Reiz des Besonderen zu erfahren, sich selbst einen Dienst zu erweisen und unserem Land zu dienen. Am Mittwoch ist nun ein weiterer junger Mann in Afghanistan getötet worden. Meinen Sie ernsthaft, dass Ihre salbungsvollen Worte ein Trost für die Eltern und Freunde der inzwischen 49 in Afghanistan getöteten und der unzähligen traumatisierten Soldaten sind?
Um genügend junge Männer und Frauen für den freiwilligen Wehrdienst zu ködern, rührt das Verteidigungsministerium nun kräftig die Werbetrommel. Was viele nicht wissen: Mit diesem freiwilligen Wehrdienst ist ein Einsatz im Ausland verbunden.
Seit 2006 haben sich die Anzahl der öffentlichen Auftritte der Bundeswehr auf Ausbildungsmessen und anderen Veranstaltungen sowie die Kosten dafür mehr als verdoppelt, und das bereits vor der Aussetzung der Wehrpflicht. Seit März läuft eine millionenschwere Werbekampagne in der Springer-Presse, auf Radio- und Fernsehkanälen.
Neulich hat das ARD-Magazin Panorama einen interessanten Beitrag zu diesem Thema gebracht.

Ein Lehrer berichtete darin über den Besuch eines Wehrdienstberaters in einer Schule in Prerow, Mecklenburg-Vorpommern. Der Lehrer wunderte sich, warum der Wehrdienstberater eine Karriere bei der Bundeswehr als einen Job wie jeden anderen, wie bei BMW, Mercedes oder einer Werft, darstellte, aber von Krieg und posttraumatischen Belastungsstörungen nicht redete.
Bei der Werbekampagne der Bundeswehr kommen die hässlichen Bilder aus Afghanistan nicht vor. Darin ist immer von Chancen, Karriere und Ausbildung die Rede. Aber welche Chancen haben jetzt die Soldaten, die getötet wurden, oder all die Soldaten, die mit körperlichen und seelischen Verletzungen heimgekommen sind? Sie geben vor, den Jugendlichen eine Perspektive zu bieten; doch Sie verschweigen die Risiken und Nebenwirkungen.
Dies betrifft besonders die Jugendlichen aus strukturschwachen Regionen.
Die Geschäftsführerin der Werbeagentur, die mit der Werbekampagne der Bundeswehr beauftragt worden ist, hat es ganz ehrlich auf den Punkt gebracht: Wenn man für Schokoriegel Werbung macht, dann sagt Ihnen auch niemand, dass man fett wird, wenn man 5 Kilogramm davon isst. Das, meine Damen und Herren, ist zynisch.
Die Bundeswehr steigert ihre Aktivitäten an Schulen sowie in der Lehrer- und Referendarausbildung. Wir meinen: Die Bundeswehr hat an der Schule nichts zu suchen. Politische Bildung ist die Aufgabe von ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen. Dafür muss Geld ausgegeben werden, nicht aber für die Propaganda der Bundeswehr.
Es kann ja wohl nicht wahr sein: Erst strangulieren Sie mit Ihrer Kürzungspolitik das Bildungssystem, und dann springt die Bundeswehr mit ihrer Propaganda ein.
In vielen Bundesländern regt sich Widerstand von Schülern, Eltern und Lehrern gegen die Auftritte von Bundeswehr an Schulen und auf Berufsmessen. Wir halten das für gut.
GEW, kirchliche Gruppen und Schüler schließen sich zusammen und setzen sich zur Wehr. Neulich erzählte mir eine Lehrerin aus dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg, dass sich das Robert-Blum-Gymnasium in einer Schulkonferenz zur Schule ohne Militär erklärt hat. Schüler der Hulda-Pankok-Gesamtschule in Düsseldorf haben ihre Lehrer und Eltern überzeugt, keine Bundeswehr mehr an ihre Schule zu lassen. Das sind die richtigen Schritte, die Schüler, Eltern und Lehrer machen können.
Ich denke oft an eine Mutter aus Thüringen, die mir berichtete, ihre beiden Söhne seien nach dem Einsatz in Afghanistan traumatisiert, hätten selbst nach Monaten nicht in den Alltag zurückgefunden. Für sie und alle Eltern wünsche ich mir, dass sie mit Reinhard Mey sagen: Nein, unsere Söhne geben wir nicht  und unsere Töchter auch nicht.