Der Bundesvorstand hat den Programmentwurf überarbeitet. Die „Haltelinien bleiben“. Ein Gespräch mit Christine Buchholz
Interview: Peter Wolter, Tageszeitung Junge Welt vom 24.05.2011
Christine Buchholz ist Bundestagsabgeordnete der Linkspartei sowie Mitglied des Parteivorstandes

Am Sonntag hat der Bundesvorstand der Linkspartei letzte Hand an den Programmentwurf gelegt, der im Oktober beschlossen werden soll. Vor allem aus Ostdeutschland war Skepsis zur Ursprungsfassung laut geworden, die maßgeblich der frühere Parteichef Oskar Lafontaine geprägt hatte. Was ist von dessen »Haltelinien« geblieben?

In wichtigen Kernfragen sind wir bei diesen Haltelinien geblieben. Es ist also klar, daß die Linke sich an keiner Regierung beteiligen wird, die Kriegseinsätze, Sozialabbau und Privatisierungen anstrebt. Allerdings gibt es meiner Meinung nach einen Schwachpunkt: An einer Stelle heißt es, daß beim öffentlichen Dienst dessen »Aufgabenerfüllung« garantiert werden muß. Das ist meines Erachtens sehr schwammig und interpretierbar – mir wäre es deutlich lieber gewesen, sich eindeutig gegen jeden Personalabbau in diesem Sektor auszusprechen. Die beschlossene Formulierung muß man aber als Teil des Kompromisses zwischen verschiedenen Positionen in der Partei sehen – der Grundcharakter des Programmentwurfs wird dadurch nicht schlechter.
Unter dem Strich heißt das aber doch, daß sich ostdeutsche Landespolitiker die Möglichkeit offenhalten wollen, im Falle einer Regierungsbeteiligung Personal im öffentlichen Sektor abzubauen.

Im öffentlichen Dienst Stellen abbauen will eigentlich niemand in der Partei – aber es gibt eben auch die Ansicht, daß man in dieser Hinsicht unter bestimmten Bedingungen flexibler sein sollte. Mich persönlich schmerzt die erwähnte Formulierung genauso wie eine problematische Formulierung zur UNO – dennoch habe ich dem Gesamttext des Entwurfs zugestimmt.
Und was ist mit Bundeswehreinsätzen im Ausland?

Der überarbeitete Entwurf vertritt weiterhin die Position, daß die Linkspartei dagegen ist. Auch dann, wenn sie mit einem UN-Mandat stattfinden sollten. Diese Passage wurde mit großer Mehrheit angenommen.
Und der gesetzliche Mindestlohn?

Den fordern wir nach wie vor, und zwar in existenzsichernder Höhe. Auf eine konkrete Summe haben wir verzichtet – ein Grundsatzprogramm soll immerhin ein, zwei Jahrzehnte gültig bleiben. Es ist ja kein Wahlprogramm, das nur auf vier Jahre angelegt ist. Außerdem fordern wir das Verbot der Leiharbeit.
In den vergangenen Wochen haben die bürgerlichen Medien eine neue Kampagnenfront gegen die Linkspartei eröffnet: den angeblichen Antisemitismus. Gibt es dazu eine Aussage?

Der Programmentwurf sagt dem Antisemitismus, antimuslimischem Rassismus und jeder anderen Form des Rassismus den Kampf an. Auf die aktuelle Kampagne gegen die Partei, in der man unsere Kritik an der Politik Israels zum Antisemitismus umdichtet, gehen wir allerdings nicht ein. Zu diesen Frechheiten haben wir am Wochenende eine eigene Erklärung verabschiedet.
Wie geht es jetzt weiter mit diesem Entwurf? Veröffentlicht worden ist er ja noch nicht.

Jetzt werden erst einmal die Änderungen eingearbeit, bevor das Papier in den nächsten Tagen publik gemacht wird. Das ist allerdings noch nicht der komplette Leitantrag für den Parteitag – im Juli werden wir noch Korrekturen einarbeiten sowie die Präambel abstimmen. Das Papier geht dann zur Diskussion an die Parteibasis, die ihre Änderungsanträge dem Parteitag zur Abstimmung vorlegt. Anschließend findet ein Mitglieder-Referendum über den Gesamttext statt.
Ist der parteiinterne Hickhack jetzt überwunden?

Die Art und Weise, wie die Debatte gelaufen ist, stimmt mich da sehr zuversichtlich: Wir haben am Wochenende eine konstruktive Diskussion gehabt, nach der es weder Sieger noch Besiegte gibt. Ich persönlich bedaure z.B., daß unsere »Haltelinien« geschwächt sind, andere kritisieren andere Punkte – aber die Richtung stimmt.
Die Parteilinke ist also nicht unglücklich?

An der einen oder anderen Stelle finden sich Wermutstropfen – aber damit können wir leben.